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Chronik

Zahl der Suizidversuche bei Kindern gestiegen

Krieg, Teuerung und Abstiegsängste setzen Kindern und Jugendlichen zu. Mit drastischen Folgen: Die Zahl der Suizidversuche sei in den vergangenen Jahren massiv angestiegen, so die Warnung bei einem Expertengipfel in Hirschwang an der Rax (Bezirk Neunkirchen).

Der Blick in die Zukunft wird für Kinder und Jugendliche immer sorgenvoller – das beobachten Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitssektor. Zwei Drittel der Jugendlichen glauben, dass es ihnen einmal wirtschaftlich schlechter gehen wird als ihren Eltern und Großeltern.

Nach dem Zweiten Weltkrieg habe in Österreich noch das Narrativ gegolten, dass es der nächsten Generation besser gehen werde, erklärt Paul Plener, Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der MedUni Wien, „das gilt nicht mehr und das spüren die Jugendlichen“.

Pandemie habe Pessimismus befeuert

Der Pessimismus der Generation Alpha, also jener Menschen, die um das Jahr 2010 geboren wurden, habe mit der einsetzenden Pandemie begonnen. „Mittlerweile wird sie aber kaum mehr als Belastung wahrgenommen von den Jugendlichen“, so Plener. Mittlerweile seien insbesondere der Klimawandel und die Verschärfung der Armut Auslöser für Depressionen, Belastungs- oder Essstörungen. Auch die Zahl der Suizidversuche sei laut erhobenen Daten seit Beginn der Pandemie angestiegen. „Das ist aber auch Teil eines internationalen Trends und nicht auf Österreich begrenzt. Das sehen wir eigentlich weltweit“, so Plener.

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Gipfelgespräch im Bezirk Neunkirchen
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Für psychische Probleme müssten sowohl in Prävention als auch in Rehabilitation investiert werden, so der Tenor
Gipfelgespräch im Bezirk Neunkirchen
ORF/Tobias Mayr
Gipfelgespräch im Bezirk Neunkirchen
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Suizidprävention müsse an Schulen stattfinden, so der Jugendpsychiater. Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter müssten dabei mit den Jugendlichen vermehrt über Stresserkennung und -bewältigung sprechen. Gegenwärtig wird jedoch nur an einer von zehn Pflichtschulen in Niederösterreich Schulsozialarbeit angeboten. Ziel des Landes sei es hingegen, zumindest an jeder fünften Schule Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter einzusetzen. „Wir sind gerade in den letzten Verhandlungsrunden, wie wir das in die Breite bringen“, so Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) dazu. Noch würde laut ihr zu wenig passieren, aber zumindest passiere ein guter erster Schritt.

Hilfe im Krisenfall

bittelebe.at hilft Kindern und Jugendlichen bei Suizidgedanken. Der Kindernotruf ist eine 24-Stunden-Beratung unter 0800/567 567.

Die Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen. Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene bietet Rat auf Draht unter der Nummer 147.

Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 Rat und Unterstützung im Krisenfall, ebenso das Kriseninterventionszentrum unter 01/406 95 95.

Eltern werden für Kinder-Reha freigestellt

Gute Nachrichten gibt es jedoch beim Thema Rehabilitation. Kinder unter 14 Jahren, die eine Reha in Anspruch nehmen, müssen von ihren Eltern begleitet werden. Bislang sei das schwierig gewesen, erklärt Gudrun Seiwald von der Österreichischen Gesundheitskasse. „Wir haben natürlich das Problem, dass Eltern sich oft nicht freinehmen können. Genau zu der Zeit, wo die Kinder auf Reha sind“, so Seiwald. Die Reha dauere teilweise drei bis fünf Wochen. „Den ganzen Jahresurlaub dafür zu verwenden, ist sehr, sehr schwierig“, sagt Seiwald.

Diesbezüglich steht jedoch eine Veränderung bevor. Der Sozialausschuss des Parlaments gab Mittwochnachmittag bekannt, dass Eltern in Zukunft für die besagte Zeit vom Dienst freigestellt werden können. Bis zu vier Wochen Reha-Urlaub sollen pro Jahr bewilligt werden. Die Kosten für den Dienstausfall werde der Bund tragen, heißt es.

Eine Investition, die sich lohne, ist der Obmann des Fördervereins Kinder- und Jugendlichenrehabilitation Markus Wieser überzeugt. Man müsse alles dafür tun, Kinder, die vielleicht bereits vom Beginn ihres Lebens an Komplikationen durchmachen, zu rehabilitieren, so Wieser.