Chronik

Häuser am Foliensee: Aufregung in Grafenwörth

An einem Foliensee entstehen in der Gemeinde Grafenwörth (Bezirk Tulln) 200 neue Häuser. Das Bauprojekt Sonnenweiher ist umstritten, u. a. weil es durch die Umwidmung von Grundstücken ermöglicht wurde, die zum Teil Bürgermeister Alfred Riedl (ÖVP) gehörten.

Vom „Dubai im Weinviertel“ berichteten die „Wiener Zeitung“ und die ZIB 2 am Dienstag. An dem neu ausgebaggerten Foliensee werden insgesamt 207 Häuser errichtet. Das Projekt ist umstritten, weil es unter anderem auf Grundstücken des ÖVP-Bürgermeisters Alfred Riedl, auch Präsident des Österreichischen Gemeindebundes, gebaut wird. Er soll Medienberichten zufolge eine Million Euro daran verdient haben. Kritik äußert NEOS und fordert Konsequenzen. „Aus meiner Sicht steht das Thema Amtsmissbrauch im Raum. Ich würde die Gemeindeaufsicht hier auffordern, sich das anzuschauen“, sagt NEOS-Landessprecherin Indra Collini.

Kritik von NEOS: Profit aus Insiderwissen

Der konkrete Vorwurf: Riedl soll unter anderem sein Insiderwissen und seine Macht als Bürgermeister genutzt haben, um privat gut zu verdienen. Zwei Grundstücke habe er bereits besessen, zwei weitere ersteigert. Diese seien damals als Grünland gewidmet gewesen. Durch einen Gemeinderatsbeschluss habe Riedl das ändern lassen, heißt es in der ZIB 2. Im Gemeinderat hat die ÖVP die absolute Mehrheit, die Grundstücke wurden umgewidmet und konnten somit bebaut werden.

„Wenn man sich die Chronologie anschaut, dann sieht es ganz offensichtlich danach aus, als ob es einen großen Plan gab. Und die Alfred-Riedl-Formel war ganz offenbar: Insiderwissen plus die Möglichkeit zu widmen, und dann daraus Profit zu schlagen“, kritisiert Collini. Den Vorwurf, Insiderwissen als Bürgermeister für private wirtschaftliche Vorteile genutzt zu haben, bestreitet Riedl in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der ZIB 2. „Wie bereits geschildert war ein Teil der Grundstücke über Jahrzehnte im Familienbesitz. Im Zuge der Projektidee wurden mehrere Varianten auf Herz und Nieren durch den Raumplaner geprüft und am Ende standen zwei Optionen zur Auswahl.“

Gemeindegrenzen wurden vor Projektumsetzung verschoben

Kurz bevor das Projekt realisiert wurde, ließ der Gemeinderat unter Riedls Vorsitz auch die Gemeindegrenzen verschieben. Mutmaßlich, damit das Projekt Sonnenweiher überhaupt entstehen konnte. Das aber sei so nicht zulässig gewesen, sagen die Grünen in Niederösterreich, weil es um ein Projekt auf Riedls Grundstücken ging, sei er befangen gewesen. „Nach Gemeindeordnung in Niederösterreich ist bei Befangenheit das ganz klar geregelt: Man hat den Sitzungssaal zu verlassen. Man hat auch im Protokoll das so zu vermerken“, sagt Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen.

Das Protokoll der fraglichen Gemeinderatssitzung liegt der ZIB 2 vor. Der Beschluss zur Verschiebung der Gemeindegrenzen war demnach einstimmig – unter dem Vorsitz des Bürgermeisters. Den Raum hat er also nicht verlassen, deswegen müsse das Verfahren neu aufgerollt werden, sagen die Grünen. „Aus meiner Sicht ist der Beschluss null und nichtig und die Behörde hat jetzt da recht rasch zu agieren“, so Krismer.

Die Seehäuser am Sonnenweiher
APA/VI-Engineers/Squarebytes

Riedl kontert: „Keine Befangenheitsgründe“

Gegenüber der ZIB 2 kontert Riedl: „Mit der Verschiebung der KG-Grenzen entstehen bzw. entstanden keine Befangenheitsgründe, da es sich um einen generellen Rechtsakt handelt, der lediglich eine Verwaltungsvereinfachung zum Ziel hatte.“

In der Gemeinde Grafenwörth regt sich jetzt, da bereits die ersten im Sonnenweiher einziehen, auch Unmut über das Projekt an sich. Gemeinderat Helmut Ferrari (Liste Bürger für Bürger) stört sich vor allem am Herzstück, dem Foliensee, der offenbar der größte Mitteleuropas ist. „Hier werden für eine Wochenendhaus-Siedlung, was es im Endeffekt sein wird in Zukunft, einfach Ressourcen vergeudet. Unnötig vergeudet. Die Landwirte kämpfen gegen die Trockenheit und hier wird das vergeudet.“

Vom Projektbetreiber Vienna International Engineers heißt es dazu, der Wasserrechtsbescheid der niederösterreichischen Landesregierung sehe ohnehin eine Obergrenze für die Entnahme von Wasser aus dem Brunnen vor.

Prüfung und Offenlegung des Gutachtens gefordert

NEOS fordert Riedl dazu auf, Konsequenzen zu ziehen. In einer Aussendung am Mittwoch lautet die Forderung: „Riedl muss dafür zurücktreten.“ Besonders pikant sei laut NEOS, dass Riedl im Aufsichtsrat der Niederösterreichischen Versicherung sitzt, dem Käufer der Grundstücke und Bauträger. Taten fordert NEOS auch von der Landesregierung, die den Bau in Grafenwörth durch ein Gutachten ermöglicht habe. Dieses soll jetzt öffentlich werden, so Collini.

„Wir wollen wissen, wer das Gutachten in Auftrag gegeben hat, auf wessen Expertise sich die Landesregierung stützt, wer für die Genehmigung federführend war und was dieses Gefälligkeitsgutachten für Riedl den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern gekostet hat.“

Kritik auch von Raumplanern

Kritik an den Bauten, in die nun die ersten Bewohner einziehen, gab es laut „WZ“ auch von Raumplanern: Das Vorhaben sei „nicht sinnvoll“, sagte Simon Pories, Bodensprecher von WWF Österreich und Raumplaner an der TU Wien: „Anstatt Flächen im Ortskern wiederzubeleben, geht man über die Ortsgrenzen hinaus und baut einen zweiten Ort“, zudem würden wertvolle landwirtschaftliche Böden versiegelt. „So etwas dürfte es nicht geben“, wurde Raumplanerin Gaby Krasemann zitiert: „Das Projekt geht am Bedarf vorbei.“