Wissenschaft

Intensive Forschung im heimischen Urwald

Im Wildnisgebiet Dürrenstein liegt der größte Urwald Österreichs. Das gesamte Gebiet umfasst mittlerweile 7.000 Hektar und erstreckt sich von Niederösterreich bis in die Steiermark. Künftig soll es noch intensiver für die Wissenschaft genutzt werden.

Naturschutz, Forschung und Bildung stehen im Wildnisgebiet Dürrenstein im Mittelpunkt. 2017 hat es gewissermaßen den Nobelpreis im Naturschutz bekommen und wurde zum Weltnaturerbe erhoben. Es ist das einzige in Österreich und befindet sich in guter Gesellschaft mit den Galapagos-Inseln und dem Great Barrier Reef. Weltweit gibt es etwa 200 Weltnaturerbestätten.

Das Herzstück des Wildnisgebietes ist der Rothwald (Bezirk Scheibbs), der von menschlichen Eingriffen verschont blieb. Auf 400 Hektar wurde nie Forstwirtschaft betrieben, und somit konnte sich die Natur dort über Jahrtausende frei entfalten. Ob es sich um einen echten Urwald handelt, erkennt man vorwiegend am Boden.

30.000 Pilzarten im Urwald

Im Rothwald gibt es etwa 30.000 Pilzarten. Im Urwald findet man vorwiegend nützliche Pilzarten, nur etwa vier Prozent sind Parasiten. In forstwirtschaftlich genutzten Wäldern gibt es nicht nur deutlich weniger Pilzarten, sondern der Anteil der Parasiten ist auch wesentlich höher.

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Wildnisgebiet Dürrenstein
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2017 wurde das Wildnisgebiet Dürrenstein Weltnaturerbe
Wildnisgebiet Dürrenstein
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Es ist das einzige in Österreich und befindet sich in guter Gesellschaft mit den Galapagos-Inseln und dem Great Barrier Reef
Wildnisgebiet Dürrenstein
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Das Herzstück ist der Rothwald, der von menschlichen Eingriffen verschont geblieben ist
Wildnisgebiet Dürrenstein
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Im Urwald lässt man passieren, was eben passiert, und das nutzt auch die Wissenschaft

Die Waldgesellschaft im Rothwald besteht seit circa 6.000 Jahren – Rotbuchen, Fichten und Tannen gehören dazu. Es gibt viele Forschungsprojekte im heimischen Urwald. „Da tauchen immer wieder Besonderheiten auf“, erklärt Naturführer Reinhard Pekny die Forschungsarbeit. „Seit vielen Jahren untersuchen wir verschiedene Schmetterlingsarten und Nachtfalter – zuletzt Motten. Die meisten Leute verbinden damit nichts Erfreuliches, aber das ist wirklich eine ganz spannende Tiergruppe, und es gibt Hunderte Arten dieser Kleinschmetterlinge. Diese werden gerade untersucht, und da tauchen wirklich auch Sensationen auf.“

Natur soll möglichst ungestört bleiben

Ein anderes Projekt beschäftigt sich mit Flechten, das sind faszinierende Doppelwesen aus Algen und Pilzen. Sie werden seit einigen Jahren von ausgewiesenen Fachleuten intensiv untersucht. Vorgesehen wäre gewesen, dass man in zwei bis drei Jahren fertig ist, jetzt ist es schon das fünfte Jahr. Die Fachleute kommen immer wieder, weil sie neue interessante Dinge finden.

Das Wildnisgebiet und speziell der Rothwald sind nur sehr eingeschränkt im Rahmen von geführten Exkursionen zu besuchen. Die Natur soll vom Menschen möglichst ungestört sein. Informationen über das Gebiet kann man sich aber im Haus der Wildnis in Lunz am See (Bezirk Scheibbs) holen, das 2021 eröffnete.

Rundgang im Wildnisgebiet
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Im Wildnisgebiet (v. l.): Martin Hetzer, Präsident des ISTA, Friedrich Faulhammer, Rektor der Donau-Uni Krems, Naturführer Reinhard Pekny und Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf

„Wir sind in einer schnelllebigen Zeit und glauben oft, mit schnellen Interventionen und technologischen Eingriffen Lösungen zu finden. Das ist natürlich auch wichtig, aber hier zeigt sich, wie wichtig es ist, so etwas zu bewahren, um es auch studieren und verstehen zu können“, so Martin Hetzer, Präsident des Institute of Science and Technology Austria (ISTA).

Wissenschaftlicher Austausch wird vertieft

Der wissenschaftliche Austausch über das einzigartige Gebiet soll in Zukunft noch vertieft werden. „Da müssen wir noch internationaler werden, noch mehr Vernetzung. Das Wildnisgebiet ist schon sehr gut bekannt, aber die Forschungsergebnisse, gerade jetzt auch im steirischen Bereich, machen eine völlig neue Entwicklung möglich“, so Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP).

Wertvolle Erkenntnisse gewinnt man hier auch in puncto Klimawandel. „Es ändern sich die Niederschlagsmengen, es ändert sich der Zeitpunkt des Niederschlags. Das sind große Veränderungen – allerdings kann dieser naturnahe Wald besser auf diese Veränderungen reagieren“, erklärt Naturführer Reinhard Pekny. Dafür verantwortlich sei die Artenvielfalt. Denn, so erklärt der Experte, unter sich verändernden Bedingungen wird es immer Arten geben, die sich durchsetzen – und zwar ganz ohne das Zutun des Menschen.