Politik

Vizekanzler kritisiert Mikl-Leitners Wortwahl

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hält die von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zuletzt vermehrt bemühten Verweise auf die „normal denkenden“ Menschen für „brandgefährlich“ und „präfaschistoid“. Die Landes-ÖVP fordert eine Entschuldigung.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hatte zuletzt mehrmals damit argumentiert, „die große Mehrheit der Normaldenkende“ bzw. „die Anliegen der normal denkenden breiten Mitte der Bevölkerung“ zu vertreten – etwa beim Klimaschutz oder beim Gendern. Für Vizekanzler Werner Kogler ist das „brandgefährlich“, wie er in einem Profil-Interview sagt: „Denn was die Norm ist, ist zeitabhängig. Die Kirche fand es einmal normal, Frauen zu verbrennen.“

Es gehe in der Demokratie um Mehrheiten – aber auch Minderheiten müssten geschützt werden. „Gute Politiker:innen werben dafür, wovon sie überzeugt sind, und verstecken sich nicht hinter dem, was sie zur Norm erklären.“ Eine derartige Herangehensweise sei „das Einfallstor für das Böse in der Welt, um in der Diktion der katholischen ÖVP zu sprechen“, so Kogler im „profil“.

ÖVP: „Unfassbare Entgleisung“

Die ÖVP Niederösterreich ortete eine „unfassbare Entgleisung“ und forderte eine Entschuldigung. Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner verwies am Samstag in einer Reaktion auf einen vom 20. Juni stammenden Kommentar Mikl-Leitners in der „Presse“ – darin definierte sie etwa, wen sie unter „Normaldenkenden“ versteht, etwa jene Menschen, die in der Früh aufstehen und zur Arbeit wollen, nicht aber jene, die sich auf die Straße kleben.

„Der Vizekanzler sollte nach der Lektüre dieses Textes einmal der Bevölkerung erläutern, was genau an diesen Ausführungen der Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner bei nüchterner Betrachtung ‚präfaschistoid‘ sein soll – oder sich umgehend für seine unfassbare Entgleisung entschuldigen“, sagte Ebner in einer Aussendung. ÖVP-Klubobmann Jochen Danninger warf Kogler „Erziehungsmaßnahmen“ vor: „Dieses präpotente Meinungsdiktat der moralisch Erhabenen wird unerträglich.“

Wieso Klimakleber aus Sicht der Landes-ÖVP nicht „normal denkende“ Menschen sind? „Weil die Klimakleber mit diesen unangemeldeten Aktionen tausende Menschen rücksichtslos blockieren. Diese Personen schaden der eigenen Sache. Sie bringen viele Menschen eher gegen Klimaschutz auf, als sie für ihre Anliegen zu begeistern. (…) Einem normaldenkenden Menschen leuchtet das ein“, erklärt ein Sprecher der Landeshauptfrau.

Kogler: Keine Aufgabe von Politikern

Im Büro des Vizekanzlers hieß es gegenüber noe.ORF.at auf Nachfrage, dass Kogler ausschließlich die Ausdrucksweise Mikl-Leitners kritisiert habe, die ihn an eine Zeit erinnere, wo politisch entschieden wurde, was falsch oder richtig und somit normal sei. Außerdem sollten nicht Politikerinnen und Politiker festlegen, was als normal gilt, ergänzte eine Sprecherin Koglers.

Die ÖVP kontert: „Bestimmen jetzt neuerdings die Grünen, wozu ein Mensch öffentlich seine Meinung äußern darf? Das ist in der Tat ein mehr als befremdlicher Zugang.“ Keinesfalls seien „normal denkende“ Menschen aus Sicht der ÖVP nur jene, die eine Mehrheitsmeinung vertreten, hält ein Sprecher auf Nachfrage fest.

„Untergriffige Zwischenrufe“

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker rief in einer Aussendung zur Mäßigung auf. „Es ist an der Zeit, die ständigen Wortgefechte, Übertreibungen und die Zuspitzungen für Schlagzeilen zu beenden und zur Vernunft zu kommen.“ Die Politik sollte „keine Wortmeldungen wie ‚präfaschistoid‘ verwenden, nur um aufs Titelblatt zu kommen“. Man solle nun zur Sachpolitik zurückkehren und „untergriffige Zwischenrufe“ hinter sich lassen.

Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer wiederum legte eine Erläuterung der Kogler-Aussage nach. „Der politische Ansatz, Menschen in ‚normal‘ und ‚nicht normal‘ einzuteilen, ist brandgefährlich.“ Das sei ganz was anderes als der „politisch völlig legitime Anspruch, die Mitte der Gesellschaft mit bestimmten demokratischen Positionen vertreten zu wollen“. Darauf habe Kogler einmal mehr entschieden hingewiesen.