Sandra Kern, AMS
ORF
ORF
Wirtschaft

AMS: Kern will Langzeitarbeitslosigkeit bekämpfen

Seit 7. Juli hat das AMS Niederösterreich eine neue Leitung. Die frühere ÖVP-Politikerin Sandra Kern folgte Sven Hergovich nach, der jetzt SPÖ-Landesvorsitzender ist. Kern will als einen der Schwerpunkte unter anderem die Langzeitarbeitslosigkeit bekämpfen.

Nach dem Wechsel des bisherigen AMS Niederösterreich-Geschäftsführers Sven Hergovich zur SPÖ wurde – nach monatelangem Tauziehen – seine bisherige Stellvertreterin Sandra Kern zur neuen Geschäftsführerin bestellt. Eine Pressekonferenz am Mittwoch in St. Pölten war ihr erster offizieller Auftritt in ihrer neuen Rolle. Seit Hergovichs Wechsel hatte sie die Landesgeschäftsstelle interimistisch geleitet.

Ein Fokus ihrer Arbeit sei der Umgang mit Langzeitarbeitslosigkeit, erläuterte Kern. Niederösterreich liegt hier mit einem Rückgang von 14,7 Prozent im Zeitraum von Jänner bis Juni 2023 vor allen anderen Bundesländern. Diese positive Bilanz wolle sie weiter verbessern, sagte sie, bis Ende des Jahres sollen es um 30 Prozent weniger Langzeitarbeitslose sein.

Mehr Menschen sollen in Vollbeschäftigung

Ein weiterer Schwerpunkt gelte der Überführung von geringfügig Beschäftigten in reguläre vollversicherungspflichtige Dienstverhältnisse. Sowohl AMS-Kundinnen und -Kunden als auch Unternehmen würden in die Pflicht genommen. Im Jahr 2018 sei dafür ein Erhebungsdienst eingeführt worden, seitdem seien 195 ehemals geringfügige Beschäftigungen (bis 500,90 Euro) in vollversicherungspflichtige Dienstverhältnisse umgewandelt worden.

Wer Arbeitslosengeld bezieht, kann gleichzeitig einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen. Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat das AMS aufgefordert, in diesem Bereich bundesweit schärfer zu kontrollieren. Ein Fehlverhalten von AMS-Kundinnen und -Kunden kann in letzter Konsequenz zur Streichung des Arbeitslosengeldes führen, bei Unternehmen zu Sanktionen, was ihre Förderungen betrifft.

Schwerpunkte Qualifizierung, Frauen und 55+

Mit Jahresbeginn wurde außerdem eine Qualifizierungsoffensive gestartet. Mehr als 2.000 Jobsuchende, die nicht mehr als einen Pflichtschulabschluss haben oder deren Ausbildung am Arbeitsmarkt nicht mehr eingesetzt wird, sollen einen Lehrabschluss, schulgesetzliche oder kommissionelle Prüfungen machen. Zielgruppen für die Eingliederung in die Arbeitswelt sind Frauen, die neu in den Arbeitsmarkt eintreten, und Menschen im Alter von 55 plus. Wert gelegt wird auch auf Weiterbildung für AMS-Personal.

Die Arbeitslosenquote beträgt in Niederösterreich derzeit 5,1 Prozent, 35.907 Personen sind aktuell auf Jobsuche. Die Zahl der offenen Stellen sei leicht auf rund 19.000 zurückgegangen, führte die neue AMS Niederösterreich-Geschäftsführerin aus. Ebenso betonte sie, dass es mit 665.000 Personen ein „absolutes Beschäftigungshoch“ gebe. Derzeit melden fünf Bezirke eine de-facto-Vollbeschäftigung, und zwar die Bezirke Melk, Scheibbs, Waidhofen an der Ybbs, Horn und Zwettl. Landesweit gibt es 24 Außenstellen des AMS mit insgesamt 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

noe.ORF.at: Ihr Vorgänger Sven Hergovich ist in die Politik gewechselt, bekanntlich als SPÖ- Landesparteivorsitzender. Sie waren ÖVP-Politikerin. Wird sich da am Kurs etwas ändern beim AMS?

Sandra Kern: Nein. Es wird sich am Kurs im AMS nicht großartig etwas ändern. Wir haben die Projekte, die wir heuer und auch für die Zukunft geplant haben, schon gemeinsam entwickelt. Und zu diesem Kurs stehe ich nach wie vor.

noe.ORF.at: Ihrer Bestellung ist doch ein Tauziehen vorangegangen. Im Verwaltungsrat konnten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einigen. Letztendlich hat Minister Kocher entschieden. Jetzt sagen Kritiker, das sei eine politisch gewollte Besetzung. Wie gehen Sie damit um?

Kern: Die lange Zeit, bis die Bestellung zustande gekommen ist, war für die Organisation im AMS Niederösterreich und für die Kolleginnen sicher eine Herausforderung, weil das zu einer gewissen Unsicherheit führt. Aber jetzt ist es entschieden und ich denke, jetzt geht es um den Blick in die Zukunft.

Sandra Kern, AMS
ORF
Die neue AMS-Chefin im Interview mit „Niederösterreich heute“-Moderatorin Claudia Schubert

noe.ORF.at: Jetzt gibt es einen Höchststand an Beschäftigten und egal in welcher Branche man fragt, alle brauchen Arbeitskräfte. Trotzdem gibt es noch immer ungefähr 35.000 Menschen, die arbeitslos sind. Warum gibt es die noch immer?

Kern: Die Herausforderung für uns ist zum einen, dass fast jeder zweite Arbeitssuchende mittlerweile gesundheitliche Probleme hat, etwa im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit, und dass wir oft einen Unterschied haben in Angebot und Nachfrage. Die größten Herausforderungen sind in der Qualifizierung. Also sind die Arbeitssuchenden in den Jobs qualifiziert, die auf der anderen Seite in der Wirtschaft gefragt sind? Und auch die Mobilität ist für uns eine Herausforderung. Wir haben im Mostviertel und im Waldviertel Bezirke, da haben wir Vollbeschäftigung, und im Süden haben wir noch Arbeitssuchende. Da sind wir gefordert.

noe.ORF.at: Die Zahl der Arbeitskräfte wird wegen Pensionierungen der Babyboomer-Generation weniger. Dazu kommt, dass viele auch nicht mehr Vollzeit arbeiten wollen. Woher kommen die Arbeitskräfte der Zukunft?

Kern: Zum einen arbeiten wir länger und auch das Frauenpensionsalter geht nach oben. Das werden im Jahr 20.000 zusätzliche Arbeitskräfte sein. Aber zum anderen glaube ich schon, dass es auch um eine qualifizierte Zuwanderung in manchen Bereichen gehen wird.

noe.ORF.at: Wie konkret soll das ausschauen? Qualifizierte Zuwanderung ist immer so ein Schlagwort. Aber welche Bedingungen soll es da geben?

Kern: Wir haben ja mit der Rot-Weiß-Rot-Card schon ein sehr gutes Instrument. Da ist die Herausforderung vielleicht, dass es oft ein bisschen klingt, als wenn es jetzt ganz einfach wäre, Mitarbeiter aus dem Ausland aus Drittstaaten reinzuholen. So einfach ist es dann nicht, sondern es geht wirklich um qualifizierte Mitarbeiterinnen.

Das heißt, wir schauen uns genau an, welche Ausbildungen haben die? Sind das Ausbildungen, die mit unseren Ausbildungen vergleichbar sind? Gibt es da eine Berufserfahrung? Sprache ist ein Kriterium und auch Alter ist ein Kriterium, um dann die notwendigen Punkte zu erreichen, um dann hier eine Jobmöglichkeit annehmen zu können.

noe.ORF.at: Das AMS Niederösterreich ist immer noch in Wien angesiedelt als eine der wenigen Organisationen. Wird das so bleiben?

Kern: Wir haben einen Mietvertrag bis 2028 und ich gehe davon aus, das wird so bleiben.