POLITIK

Österreichs längstdienende Bürgermeisterin

Es ist noch nicht lange her, da waren Frauen im Bürgermeisteramt regelrechte Exotinnen. Dazu hat 1996 auch Lisbeth Kern gezählt, als sie Bürgermeisterin von Petzenkirchen (Bezirk Melk) wurde. Heute ist sie Österreichs längstdienende Bürgermeisterin.

Eine Frau als Bürgermeisterin – das war früher eine Seltenheit. Den Bann gebrochen hat Zenzi Hölzl (SPÖ), sie wurde im Jahr 1948 in Gloggnitz (Bezirk Neunkirchen) zur ersten Bürgermeisterin Österreichs gewählt. Aber auch später waren Frauen in diesem Amt selten. 1996, als Lisbeth Kern (SPÖ) Bürgermeisterin von Petzenkirchen wurde, gab es österreichweit gerade einmal 20 Frauen in diesem Amt. Von diesen 20 Frauen ist sie die einzige, die bis heute Ortsvorsteherin geblieben ist – Lisbeth Kern ist schon seit mehreren Jahren Österreichs dienstälteste Bürgermeisterin.

Die heute 67-Jährige übernahm die Geschicke der Gemeinde als 40-Jährige. Obwohl auch ihr Vater 25 Jahre lang Bürgermeister gewesen war, wurde sie anfangs skeptisch beäugt, wie sie schmunzelnd erzählt: „Damals bin ich schon wie eine Außerirdische betrachtet worden. Ich war die erste Bürgermeisterin im Bezirk Melk mit seinen 40 Gemeinden. Damals wurde ich etwa bei einer Feier von der ältesten Gemeindebürgerin angesprochen. Sie sagte zu mir: ‚Ja, bist eh ein liebes Dirndl, aber in der Männerwelt wirst dich nicht durchsetzen‘. Aber ich habe mich durchgesetzt, nach 27 Jahren kann man das schon sagen.“

Lisbeth Kern bei der Amtsübernahme 1996
Privat
Lisbeth Kern inmitten einer Männerriege bei ihrer Amtsübernahme 1996

„Man muss es sich als Frau zutrauen!“

Inzwischen änderten sich die Zeiten. Heute gibt es österreichweit 221 Bürgermeisterinnen, davon 81 in Niederösterreich, das sind prozentuell mit 14 Prozent nach wie vor nicht viele, im Bundesvergleich jedoch mit Abstand die meisten. Es bleibt aber trotzdem viel Luft nach oben, wie auch Kern findet: „Das Potenzial ist da. Wenn man sieht, dass es Bürgermeisterinnen gibt, die das können, dann traue sich da auch andere eher darüber. Ich denke, dass jede Gemeinde gut beraten ist mit einer Bürgermeisterin. Ich kann nur empfehlen, dass noch mehr Frauen kommen.“

In den Landtagen dagegen nahm nach den Wahlen – auch in Niederösterreich – die Zahl der Frauen zuletzt ab. Für Kern ist das nicht nachvollziehbar: „Frauen haben schon in vielen Dingen eine eigene Sicht und es wäre gut, das miteinzubringen. Warum sie in den Landtagen zuletzt weniger geworden sind, kann ich konkret nicht beantworten. Es wird an der Reihung der Parteien liegen. Ich weiß nicht, warum nicht genug gefunden wurden. Aber man muss den Frauen auch Mut machen, es sich zuzutrauen. Es gibt immer wieder Frauen, die sagen ‚das was du machst, das könnte ich nie‘. So ist das ja nicht, man muss es einfach probieren.“

Lisbeth Kern 27 Jahre Bürgermeisterin
privat & APA/SPÖ NÖ
Lisbeth Kern 1996 und 2023: Sie bedauert, dass es nicht mehr Frauen in der Kommunalpolitik gibt und will Vorbild für andere sein

Wahrscheinlich in die „Verlängerung“

Ein Projekt, das sie gar nicht wollte, war die Umfahrung Wieselburg (Bezirk Scheibbs) in der Ost-Variante an der Gemeindegrenze von Petzenkirchen. Sie kam trotzdem. Lisbeth Kern ist nach wie vor nicht glücklich damit, aber sie akzeptiere die Entscheidung: „Man muss auch verlieren können.“

Für die nächste Gemeinderatswahl im Jahr 2025 sucht sie zwar einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin, das gestalte sich aber schwierig, wie sie sagt. Deshalb werde sie wohl noch einmal antreten, obwohl sie sich vorgenommen hatte, den 70. Geburtstag nicht mehr in diesem Amt zu feiern. Sie wird in der 1.300-Seelen-Gemeinde ihren Status als längstdienende Bürgermeisterin Österreichs womöglich noch weiter ausbauen.