Die Justizanstalt Gerasdorf ist Österreichs einzige Anstalt, in der ausschließlich männliche Jugendliche untergebracht sind. Derzeit leben dort etwa 50 verurteilte Jugendliche und junge Erwachsene. Eine Expertenkommission hat vorgeschlagen, die Burschen und jungen Männer in die Justizanstalt Wien-Simmering zu verlegen und in Gerasdorf Erwachsene unterzubringen.
Wilhelm Terler, der Bürgermeister der Gemeinde St. Egyden am Steinfeld, zu der Gerasdorf gehört, war als Justizwachebeamter selbst auch Mitglied der Arbeitsgruppe. Er sagte über die Beratungen der Kommission: „Es war relativ schnell klar, dass die Unterbringung am Land nicht mehr zeitgemäß ist, weil die Erreichbarkeit von Gerasdorf viel schwieriger ist, als wenn die Jugendlichen gleich in Wien sind. Der Großteil der Insassen kommt ja aus Wien.“
Ein Gefängnis, aber anders
Die Sonderanstalt für Jugendliche wurde im März 1970 eröffnet – zu einer Zeit, in der in vielen Erziehungsheimen wie etwa in Kirchberg am Wagram (Bezirk Tulln) gravierende Missstände öffentlich wurden. Im Gegensatz dazu galt Gerasdorf in den folgenden Jahren als große Errungenschaft, weil man versuchte, die jungen Rechtsbrecher wieder in die Gesellschaft zu integrieren, anstatt wegzusperren.
Über den Unterricht als auch eine Arbeits- und Berufsausbildung wollte man die jungen Menschen wieder in die Bahn bringen, hieß es in den Anfangsjahren. Doch mittlerweile habe sich das ursprüngliche Konzept einer Lehrausbildung für die Jugendlichen im Gefängnis überholt, schildert Justizwachebeamter Terler, unter anderem wegen der mangelnden Deutschkenntnisse vieler Insassen.
Kritik an „ewig“ dauernder Entscheidung
Die Vorschläge der Kommission sollten nun rasch umgesetzt werden, meinte Terler, „damit die Justizanstalt Gerasdorf aufgelassen wird für den Jugendstrafvollzug und ein Normalvollzug kommt“. Die letzte Sitzung sei im Jänner gewesen, "seitdem warten wir auf die politische Entscheidung. Die Kommission war relativ schnell einstimmig, dass die Jugendlichen nach Simmering kommen sollen, aber die politische Entscheidung dauert ewig“, kritisiert der Bürgermeister.
Aus dem Justizministerium hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme, dass derzeit der gemeinsame Abschlussbericht der Kommission erstellt werde, der dann Justizministerin Alma Zadic (Grüne) übergeben werde. Im Erwachsenenvollzug könnte die Zahl der Häftlinge in Gerasdorf auf rund 120 Personen aufgestockt werden, was zur Entlastung anderer Gefängnisse beitragen würde, denn die Belagssituation ist angespannt, wie auch im Justizministerium bestätigt wird.
Gemeinde unterstützt neue Pläne
In der Gemeinde würde man einen Erwachsenenstrafvollzug in Gerasdorf positiv sehen, sagt der Bürgermeister: „Die Bevölkerung ist die Justizanstalt in Gerasdorf gewöhnt. Es ist auch ein wirtschaftlicher Faktor für die Bevölkerung, dass sie hier Arbeit findet. Der Jugendstrafvollzug ist für die Bevölkerung eigentlich schwieriger als der Normalvollzug, denn die Jugendlichen haben viel mehr Freiheiten."
Darüber hinaus seien die Jugendlichen, „die jetzt hier sitzen, auch keine Hendldiebe“, merkt Terler an. Denn bis ein Jugendlicher in die Justizanstalt kommt, "muss schon viel passiert sein. Teilweise haben wir prozentuell mehr Mörder als in Stein (Justizanstalt Krems-Stein; Anm.).“
Für die Umwandlung in eine Justizanstalt für Erwachsene wären in Gerasdorf auch Umbauarbeiten notwendig, diese könnten allerdings erst nach einer endgültigen Entscheidung des Justizministeriums beginnen.