Ludwig Wittgenstein (1889–1951) war einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Er veränderte und prägte mit seinen Arbeiten zur Logik, Sprache und dem Bewusstsein die Philosophie des vergangenen Jahrhunderts. Sein legendäres Werk „Tractatus Logico-Philosophicus“ zählt zu den wichtigsten philosophischen Arbeiten. Aber auch seine bemerkenswerte Biografie und sein familiäres Umfeld machten ihn zu einem wichtigen Exponenten der österreichischen Geistesgeschichte.
Über kontroversielle Interpretationen des Werks
Das 44. Wittgenstein-Symposion steht unter dem Motto „100 Jahre ‚Tractatus Logico-Philosophicus‘ – 70 Jahre nach Wittgensteins Tod. Eine kritische Bestandsaufnahme“ und deckt eine Vielzahl von Themenbereichen ab. „Neben Forschungen zu Ludwig Wittgensteins Hauptwerk und der Editionslage der Wittgenstein’schen Schriften sind dies diesmal vor allem die Beschäftigung mit kontroversiellen Interpretationen seines Werks“, heißt es seitens der Veranstalter.
Auch noch immer offene philosophische, ethische und wissenschaftliche Fragen werden zur Diskussion stehen. „Dies betrifft sowohl offene Fragen im ‚Tractatus‘ als auch offene Fragen, die sich aus dem ‚Tractatus‘ ergeben. Angestrebt werden auch eine kritische Bestandsaufnahme und Sichtung der Fortschritte der bisherigen ‚Tractatus‘-Forschung“, heißt es auf der Website der Österreichischen Ludwig Wittgenstein Gesellschaft.
Ein spezieller Bereich widmet sich dem Verhältnis zwischen Ludwig Wittgenstein und Vertretern des Wiener Kreises wie Moritz Schlick (1882–1936) und Friedrich Waismann (1896–1959). Diskutiert werden soll „im Lichte neuerer Publikationen und Forschungsprojekte. Dies beinhaltet wissenschaftlich-historische allgemeine Einschätzungen wie auch Beiträge zu spezifischen Fragen, z. B. der Behandlung von Logik, Mathematik, Physik und Farben.“
Kirchberg: Zentrum des Wittgenstein-Diskurses seit 1976
Das von der Österreichischen Ludwig Wittgenstein Gesellschaft mit Unterstützung durch das Land Niederösterreich und die Gemeinden Kirchberg am Wechsel, Otterthal und Trattenbach (alle Bezirk Neunkirchen) veranstaltete Wittgenstein-Symposium zählt seit mehr als 40 Jahren zu den führenden philosophischen Fachtagungen.
Tagungsort ist seit 1976 die Marktgemeinde Kirchberg am Wechsel (im Bild ganz oben), die ebenso wie die umliegenden Orte stark mit Ludwig Wittgenstein verbunden ist, der von 1920 bis 1922 in Trattenbach, dann in Puchberg am Schneeberg und von 1924 bis 1926 in Otterthal als Volksschullehrer arbeitete.
Jedes Jahr wird dabei ein philosophisches Generalthema gewählt, zu dem wissenschaftliche Vorträge gehalten und im Plenum diskutiert werden. Diese sind zwar nicht ausschließlich an die Philosophie Wittgensteins gebunden, ein Teil des Symposiums ist aber immer auch der Erforschung und Interpretation von Ludwig Wittgensteins Leben und Werk gewidmet.
„Alles, was ich wirklich sagen musste, habe ich gesagt“
Ludwig Wittgenstein wurde 1889 als Sohn einer reichen Industriellenfamilie in Wien geboren. Er begann zunächst ein Ingenieursstudium in Berlin, ehe er im Herbst 1911 Schüler des Philosophen Bertrand Russell wurde und ab 1912 in Cambridge inskribierte.
Im Ersten Weltkrieg meldete er sich als Freiwilliger und beendete während des Kriegs seinen „Tractatus Logico-Philosophicus“. Nach dessen Verfassung war er der Meinung, dass die Philosophie für ihn zu Ende sei, denn „alles, was ich wirklich sagen musste, habe ich gesagt und damit ist die Quelle vertrocknet“.
Er beschloss, Volksschullehrer zu werden, um „bei kärglichem Lohn anständige Arbeit zu verrichten“, und unterrichtete 1920 bis 1922 in Trattenbach, dann in Puchberg am Schneeberg und von 1924 bis 1926 in Otterthal. Während dieser Zeit legte er eine Sammlung von Wörtern an, die von den Kindern in Aufsätzen verwendet wurden. Daraus entstand das „Wörterbuch für Volksschulen“, das 1926 veröffentlicht wurde und heute noch erhältlich ist.
Er wollte „Licht in die Verhältnisse unserer Sprache bringen“
Um 1929 wandte er sich wieder der Philosophie zu und erwarb mit seinem „Tractatus“ in Cambridge den Doktortitel. Dieses Werk, das bis auf eine kleinere Abhandlung das einzige philosophische Werk blieb, das zu Wittgensteins Lebzeiten gedruckt wurde, beeinflusste nachhaltig den Wiener Kreis und wurde zur „Bibel“ des Neopositivismus.
In den folgenden Jahren wandte er sich in den „Philosophischen Untersuchungen“ (1930-1949) dem Gebrauch und den Lebensformen der Sprache zu und suchte durch „Sprachspiele“, in denen zusammen mit der Sprache die Tätigkeiten, mit denen sie verwoben ist, berücksichtigt werden, „ein Licht in die Verhältnisse unserer Sprache“ zu bringen. Ab 1939 hatte er eine Professur in Cambridge, die er acht Jahre später zurücklegte, um sich ganz seinen Forschungen widmen zu können. Wittgenstein starb 1951 in Cambridge.