Landesklinikum Mödling nach Brand
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Chronik

Tote im Spital: Zweifel am Brandschutz

Ende Mai starben drei Patienten bei einem Feuer im Landesklinikum Mödling. Die genaue Brandentwicklung wird noch ermittelt. Gemeinsame Recherchen des ORF Niederösterreich mit der Tageszeitung „DiePresse“ zeigen nun aber Missstände, etwa in puncto Brandschutz.

30. Mai, 0.53 Uhr – im Patientenzimmer auf der internen Station schlägt mitten in der Nacht ein Rauchmelder an. Der Kommandant der Betriebsfeuerwehr, der in dieser Nacht Dienst hatte, will „in kürzerer Folge“ vor Ort gewesen sein, der Gangbereich sei da aber bereits so stark verraucht gewesen, dass er nicht mehr in das Patientenzimmer konnte. Er bestätigte den Brand gegenüber der Bezirksalarmzentrale (BAZ) und „in weiterer Folge wurde parallel mit der Evakuierung der betroffenen Station begonnen.“

Erste Löschmaßnahmen wurden nicht gesetzt. Das wäre laut Insidern auch gar nicht möglich gewesen, weil der Kommandant allein im Dienst gewesen sein soll. Konkret musste dieser zu Beginn das Pflegepersonal anweisen, bei der Evakuierung zu helfen, nachrückende Feuerwehren koordinieren und auf den Eigenschutz achten. „Was soll einer allein tun?“, schildert ein Beteiligter. Ein zweites, nebenberufliches Mitglied der Betriebsfeuerwehr sei zwar im Haus gewesen, konnte seinen Dienstplatz aufgrund seiner hauptberuflichen Arbeit aber nicht verlassen und somit auch nicht bei der Brandbekämpfung helfen.

Feuerwehr kämpfte mit Unterbesetzung

Der Bescheid der Landesregierung schreibt der Betriebsfeuerwehr im Landesklinikum Mödling „eine Mindesteinsatzstärke von drei Mitgliedern vor – unabhängig von Urlaub und Krankenstand. Die Mitglieder nehmen ihre Aufgaben hauptberuflich bzw. nebenberuflich wahr.“ Laut eines Experten der Feuerwehr sieht dieses System aber schon vor, dass nebenberufliche Mitglieder – wie freiwillige Helfer – bei Einsätzen auch mithelfen können.

Den Empfehlungen des Bundesfeuerwehrverbandes zufolge soll eine Betriebsfeuerwehr sogar vier Personen umfassen. Drei Feuerwehrleute können nämlich einen Atemschutztrupp stellen und verrauchte Räume durchsuchen oder zumindest mit ersten Löschmaßnahmen beginnen. Die vierte Person kann sich um die Einsatzleitung kümmern. „Aber alleine hast du keine Chance, es ist unmöglich zu löschen oder Menschen zu retten.“

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Der Bescheid der Landesregierung schreibt eine Mindesteinsatzstärke von drei Migliedern vor

LGA wies Vorwürfe bisher zurück

Die Landesgesundheitsagentur (LGA) wies den Vorwurf, dass nicht ausreichend Feuerwehrmitglieder im Dienst waren, bisher immer zurück. Auf erneute Anfrage von noe.ORF.at wollte man dazu am Donnerstag nichts sagen. Laut eines Insiders soll seitens der LGA eine dritte Person dazugezählt worden sein, die aber nicht in Mödling, sondern im 13 Kilometer entfernten Klinikum in Baden Dienst hatte. Auch die Freiwilligen Feuerwehren seien überrascht gewesen, dass nur eine Person der Betriebsfeuerwehr anzutreffen war, heißt es.

Laut den Recherchen soll das auch kein Einzelfall gewesen sein, im Gegenteil: Generell sei zwischen 15.00 und 7.00 Uhr nur ein hauptberufliches Mitglied im Dienst, tagsüber manchmal zwei, „wenn es zeitlich möglich ist“. Für nebenberufliche Mitglieder gibt es hingegen keinen Dienstplan, deshalb wissen die Diensthabenden auch nicht, wer und wie viele mögliche Einsatzkräfte überhaupt im Haus sind. „Wer da ist, ist da“, erzählt ein Informant.

Kritik an verzögerter Alarmierung

Unverständlich ist für Fachkundige auch, warum die Stadt-Feuerwehr Mödling nicht sofort mitalarmiert wurde – wie über viele Jahre üblich, sondern erst nachdem die Betriebsfeuerwehr den Brand bestätigte. Der Rauchmelder im Zimmer schlug um 0.53 Uhr an, daraufhin wurde die Bezirksalarmzentrale (BAZ) informiert. Doch erst um 0.58 Uhr wurde die Stadt-Feuerwehr Mödling alarmiert, acht Minuten später rückten die ersten Fahrzeuge aus – dadurch „ist unnötig Zeit vergangen“, so die Kritik.

Welche Feuerwehren bei welchen Brandstufen alarmiert werden, kann der Kommandant der Betriebsfeuerwehr festlegen. Über Jahre rückte die Stadt-Feuerwehr auch bei stillen Alarmen automatisch mit aus, nur zu Beginn der Coronavirus-Pandemie gab es eine kurze Unterbrechung. Im Frühjahr 2022 folgte erneut eine Änderung, angeblich aus Kostengründen. Denn Einsätze wegen eines stillen Alarms, bei dem es also keinen Brand gab, verrechnet die Feuerwehr mit etwa 400 Euro.

Im Schnitt soll es pro Jahr etwa 15 solcher Einsätze geben haben, das macht in Summe etwa 6.000 Euro. Im Landesklinikum habe man das als „nicht notwendige Ausgaben“ angesehen. „Wo man Geld einsparen kann, spart man Geld.“ Von der Stadt-Feuerwehr Mödling heißt es dazu auf Anfrage: „Das ist Sache des Kommandanten der Betriebsfeuerwehr, ob wir in Alarmplänen drinnen sind.“

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Räume im Krankenhaus Mödling nach Brand
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Die Station, in der das Feuer ausgebrochen ist, wurde völlig zerstört
Räume im Krankenhaus Mödling nach Brand
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Laut Landesgesundheitsagentur ist eine komplette Sanierung notwendig
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Eine Rückkehr zum Normalbetrieb ist vorerst nicht in Sicht
Krankenhaus Mödling nach Brand
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Auslöser für das Feuer dürfte eine Zigarette gewesen sein
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Laut LGA gilt in den Kliniken generelles Rauchverbot
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Drei Personen kamen bei dem Brand ums Leben
Krankenhaus Mödling nach Brand
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Die Schadenssumme stand vorerst noch nicht fest, dürfte aber Polizeiangaben zufolge „beträchtlich“ sein
Krankenhaus Mödling nach Brand
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Die Ermittlungen werden von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt geführt

Funkprobleme als zusätzliche Erschwernis

Zu Problemen soll es auch bei der Kommunikation gekommen sein. Zwischen dem Einsatzleiter, der BAZ und den Feuerwehrleuten sollen Funksprüche immer wieder abgebrochen oder gar nicht angekommen sein. Der Grund: Das Landesklinikum ist ein Stahlbetonbau, „man hat nicht überall Empfang.“ Die Betriebsfeuerwehr soll darauf mehrfach hingewiesen und eine sogenannte Objektfunklage gefordert haben, also eine Art Funkverstärker, was bisher ignoriert worden sei.

Eine reibungslose Funkverbindung sieht grundsätzlich auch die Richtlinie des Bundesfeuerwehrverbandes vor – vor allem auch zum Eigenschutz, wenn Atemschutztrupps in verrauchten Räumen unterwegs sind. NEOS haben zu diesen Vorwürfen auch bereits mehrere parlamentarische Anfrage an Mitglieder der Landesregierung gestellt, bisher gab es jedoch darauf keine Antwort.

Helfer sollen unzureichend geschult gewesen sein

Bei der Einsatzbesprechung der beteiligten Kräfte, die etwa eine Woche nach dem Brand stattfand, wurde auch über die Evakuierung der Patientinnen und Patienten gesprochen. Ein Thema betraf die Betten, denn die Bremsen der Betten zu lösen und diese anschließend hinauszuschieben, ist nicht überall möglich. Bei manchen Systemen muss die Liegefläche etwa ganz nach oben gefahren werden, bevor sie bewegt werden können – was freiwillige Helfer nicht wussten.

Auch spezielle Evakuierungstücher habe es nicht gegeben. Zudem hätten die Einsatzkräfte jeden Raum, also auch Technikräume, „in denen sich niemand aufhalten kann“, nach Patienten durchsucht. Mit ortskundigen Mitgliedern der Betriebsfeuerwehr hätte man die Suche effizienter gestalten können, erzählt ein Beteiligter. Die Übungen, die gemeinsam mit den Freiwilligen Feuerwehren in der Vergangenheit stattgefunden haben, seien oft nicht realistisch genug gewesen.

Auch dazu gab es von der LGA keine Antwort, wie auch zu allen anderen Vorwürfen. Ein Interview wollte man dazu nicht geben, in einer schriftlichen Stellungnahme hieß es: „Wir können und werden zu den derzeit laufenden Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft keine Stellungnahme abgeben, da all diese Fragen Thema des Abschlussberichtes der Behörde sein werden.“

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Brand Tote Landesklinikum Mödling
Pressestelle BFK Mödling / Mathias Seyfert
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Pressestelle BFK Mödling / Lukas Derkits
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Brand Tote Landesklinikum Mödling
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Mögliche Fahrlässigkeit wird derzeit geprüft

Der Brand selbst soll laut Ermittlern durch eine Zigarette ausgelöst worden sein. Offen ist aber noch, warum sich der Brand damals so schnell ausbreiten konnte. Im Zuge der Recherche war mehrmals Thema, dass es zwischen der raschen Brandausbreitung und der Matratze bzw. dem Bettzeug einen Zusammenhang gibt. Im Raum steht, dass beides nicht brandhemmend gewesen sein könnte. Die Staatsanwaltschaft wollte das auf Nachfrage weder bestätigen, noch dementieren.

Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht die Frage, ob es durch eine Fahrlässigkeit zum Brand kommen konnte. Sowohl der Brandsachverständige als auch die Polizei erhielten dazu noch weitere Ermittlungsaufträge. Diese sollen frühestens im September vorliegen. Die Ermittlungen laufen weiterhin gegen Unbekannt – wegen Herbeiführung einer Feuersbrunst. Zu den einzelnen Vorwürfen will sich die Staatsanwaltschaft ebenfalls nicht äußern.

Schlussfolgerungen aus Brand noch offen

Über Änderungen in puncto Brandschutz sei im Landesklinikum Mödling zwar in internen Sitzungen – vor allem nach Medienberichten – diskutiert worden, konkrete Änderungen habe es bisher aber nicht gegeben, obwohl bei einer Einsatzbesprechung nach dem Brand etwa darauf gedrängt worden sei, dass die Stadt-Feuerwehr künftig wieder automatisch mitalarmiert werden soll, heißt es aus Quellen gegenüber noe.ORF.at.

Ob selbst unter optimalen Bedingungen den drei Opfern hätte geholfen werden können, darüber sind sich auch Experten uneinig. Offen bleibt aber auch die Frage, ob die Landesgesundheitsagentur die Betriebsfeuerwehr im Landesklinikum Mödling ausreichend aufgestellt sieht, um einen derart tragischen Ausgang künftig verhindern zu können.