Wirtschaft

„Juicy Fields“: Möglicher Betrüger festgenommen

Ermittler des Bundeskriminalamtes haben am Freitag weitere Details zum Millionen-Anlagebetrug „Juicy Fields“ bekannt gegeben. Im Juli wurde ein Niederösterreicher festgenommen, der den Hauptvertrieb des Cannabis-Crowdfunding-Projekts inne gehabt haben soll.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte am Donnerstag Fälle von mutmaßlichem schwerem Anlagebetrug mit einem Gesamtschaden mit mehreren hundert Millionen Euro weltweit öffentlich gemacht. Es geht unter anderem um das Cannabis-Crowdgrowing-Projekt Juicy Fields in der Steiermark. Wegen zwei weiterer Fälle wird in Kärnten ermittelt – mehr dazu in „400 Mio. Euro Schaden durch Cannabisprojekt“ (news.ORF.at; 3.8.2023).

Die Tätergruppe hatte eine professionelle Werbekampagne bestritten, um möglichst viele Gelder zu lukrieren. Die Opfer wurden auf Messen angeworben und per Newsletter bei der Stange gehalten. In Österreich gehen die Ermittler von 5.500 Geschädigten mit einem mutmaßlichen Gesamtschadensbetrag in der Höhe von 19 Millionen Euro aus. Weltweit könnte sich die Schadenssumme laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auf 400 Millionen Euro belaufen. Die Tätergruppe war neben Österreich vor allem in Deutschland, Spanien und Frankreich aktiv.

Ermittlungen wegen gewerbsmäßig schweren Betrugs

Nun wird gegen einen Niederösterreicher wegen des Verdachts des gewerbsmäßig schweren Betruges ermittelt. Mehr Details – wie etwa das Alter oder den Beruf des Mannes – wollte das Bundeskriminalamt (BK) aus kriminaltaktischen Gründen nicht bekannt geben. Er dürfte jedoch einer der Haupttäter sein und soll das Schneeballsystem am Laufen gehalten haben, sagte ein Ermittler aus der Steiermark. Die Ermittlungen haben nämlich in Leibnitz begonnen, nachdem die Website des Cannabis-Crowdfunding-Projekts „Juicy Fields“ im Jahr 2022 plötzlich offline gegangen ist.

Im März 2020 starteten die Betrüger mit einer professionellen Website in mehreren Sprachen und einer „aggressiven Werbekampagne“ in sozialen Netzwerken, wie der leitende Ermittler erläuterte. Auf Hanfmessen mietete die Tätergruppe sogar große Stände, um mit ihren Opfern in Kontakt zu treten. Angemietete Lamborghini mit dem Logo der Website, die im großen Stil und mit lauter Musik in die Messehalle fuhren, sollten laut dem steirischen Kriminalisten demonstrieren, dass hier viel Geld zu machen sei. Auch in nächtelange Partys mit teuren DJs sollen die Betrüger investiert haben. Es seien „unvorstellbare Dimensionen in das Marketing“ geflossen.

Manuel Scherscher (Abteilungsleiter für Wirtschaftskriminalität) und Bernhard Schafrath (Leiter Kriminaltprävention)
APA/Georg Hochmuth
Am Freitag informierten Manuel Scherscher, Abteilungsleiter für Wirtschaftskriminalität und Bernhard Schafrath, Leiter der Kriminaltprävention, bei einem gemeinsamen Pressetermin

„Bei dem Versprechen war nichts dahiner“

Den Anlegerinnen und Anlegern, die aus allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen kamen, wurde vorgegaukelt, in das Anpflanzen und Verkaufen von medizinischem Cannabis zu investieren, sagte Manuel Scherscher, stellvertretender Direktor des BK und Leiter der Abteilung Wirtschaftskriminalität. Das Geld, das daraus lukriert wurde, sollte dann in Form von Renditen ausbezahlt werden – die Täter versprachen hohe Gewinne.

„Bei dem Versprechen war in Wahrheit nichts dahinter“, so Scherscher. Zwar wurde in kleinere Plantagen investiert, aber diese fungierten nur als Vorzeigeprojekte, um den Investorinnen und Investoren Seriosität vorzugaukeln. Sogar Werbereisen zu diesen Plantagen wurden arrangiert. Auch über Mundpropaganda habe sich das vermeintliche Investitionsprojekt recht schnell herumgesprochen.

Fall kam in der Steiermark ins Rollen

Am 14. Juli 2022 wurde die Website von „Juicy Fields“ dann plötzlich vom Netz genommen. Zunächst dachten Anlegende an ein technisches Problem, als sie jedoch längere Zeit nicht auf die Seite und somit auf ihre Konten mit ihren vermeintlichen Investitionen zugreifen konnten, wurden die ersten Anzeigen erstattet. „Plötzlich sahen wir uns mit einer Anzeigenflut aus ganz Österreich konfrontiert“, so der steirische Ermittler. Die ersten zwei Opfer meldeten sich bei der Polizei in Leibnitz und sprachen von einem Schaden in Höhe von 100.000 Euro.

Anstatt in die behaupteten Projekte zu investieren, hätten die Beschuldigten den Verbleib der Investorengelder verschleiert und das Geld zur Finanzierung des eigenen Lebensstils verwendet. Die Ermittler gehen davon aus, dass das sogenannte „Ponzi-System“ – eine Art Schneeballsystem, benannt nach dem US-Betrüger Charles Ponzi – geplatzt war und sich die Betrüger aus dem Staub machen wollten. Auf einem zypriotischen Konto wurden Gelder sichergestellt, allerdings sei das ein Bruchteil von dem, was die Opfer eingezahlt hatten. Laut dem steirischen Ermittler soll es sich um einen niedrigen Millionenbetrag handeln. Die Ermittler fanden jedoch auch Namen von österreichischen Opfern, die sich bisher noch gar nicht gemeldet hatten.

Ermittlungen erstreckten sich über mehrere Länder

Die österreichischen Behörden, die eng mit den internationalen Kollegen zusammenarbeiten, wollen nun auch an die Hintermänner – vermutlich fünf bis sechs Personen – herankommen. Bisher habe es in der Causa nur eine Festnahme in Österreich gegeben. Der verdächtige Niederösterreicher befindet sich bereits wieder auf freiem Fuß. Er wurde gegen gelindere Mittel aus der Haft entlassen. Es wird vermutet, dass er selbst zunächst an ein lukratives Geschäft geglaubt hatte, später aber den Betrug erkannt und dennoch weitergemacht hat.

„Die Täter verkaufen etwas, was es nicht gibt“, sagte Scherscher. Von 488.949 im Jahr 2022 getätigten Anzeigen in Österreich betrafen 60.190 Cyberkriminalität. „Und das ist nur das Hellfeld, die Dunkelziffer liegt um einiges höher.“ Cybercrime-Ermittler im BK bekämpfen nicht nur die Kriminalität, sondern wollen auch Modi Operandi früh erkennen, um der Präventionsarbeit eine Grundlage zu bieten. 1.500 Präventionsbeamte sind in den österreichischen Landeskriminalämtern und den Polizeiinspektionen tätig, sagte Bernhard Schafrath, Leiter der Kriminalprävention im BK. Er rät, vor allem dann skeptisch zu sein, wenn eine Investition „zu gut ist, um wahr zu sein“.

Ähnlicher Fall auch in Kärnten

Eine ähnliche Vorgehensweise von Anlagebetrug betrifft die „EXW Gruppe“ in Kärnten mit 40.000 Opfern und 14 Millionen Euro Schaden. Konkret sollen die Beschuldigten mehrere Unternehmen samt Bankverbindungen und Kryptowallets gegründet haben. Sie sollen den Anlegern hohe Renditen über Immobilienprojekte, den Handel mit Kryptowährungen und eine eigens geschaffene Kryptowährung namens „EXW-Token“ versprochen haben.

Anstatt in die behaupteten Projekte zu investieren, hätten die Beschuldigten die Investorengelder jedoch ebenfalls von einem Konto aufs nächste überwiesen, um den Verbleib zu verschleiern. Außerdem hätten sie ein Pyramidensystem geschaffen, über das neue Kunden angeworben worden seien.

In dieser Sache kommt ein Großverfahren auf das Landesgericht Klagenfurt zu: Acht Personen wurden angeklagt, die Anklage ist bereits rechtswirksam, sagte Gerichtssprecher Christian Liebhauser-Karl am Freitag auf APA-Anfrage. Die Anklageschrift umfasse 300 Seiten: „Allein der Teil, in dem die einzelnen Tathandlungen aufgelistet werden, ist 168 Seiten stark.“ Beantragt sind knapp 200 Zeuginnen und Zeugen. Einen Termin für das Großverfahren gab es vorerst nicht.