Pilzmyzel auf der Petrischale. Weißer Pilz mit Fäden die davon Kreisrund wegstehen.
Wolfgang Hinterdobler
Wolfgang Hinterdobler
Landwirtschaft

Wie regionale Pilze die Böden stärken können

Ein heimisches Start-Up will landwirtschaftlichen Betrieben helfen, ihre Böden mithilfe von individuell angepassten Pilzen gegen Trockenheit, Hitze und Schädlinge resistenter zu machen und ihren Ertrag zu steigern. Zwei Betriebe aus Niederösterreich nutzen das Prinzip bereits.

Kaum jemand spürt die Veränderungen des Klimas so unmittelbar wie Landwirtinnen und Landwirte. Trockenheit und Extremwetter setzen der Erde auf ihren Feldern zu und wirken sich auf ihre Ernten aus. Es braucht Wege, die Böden zu stärken. Hier setzt das Pilzforschungs-Start-Up MyPilz an. Direkt in den Bodenproben von landwirtschaftlichen Betrieben wird nach Sporen von nützlichen Pilzen gesucht.

Diese werden dann vermehrt und auf den Feldern ausgebracht. Dort docken sie an den Pflanzen an und gehen eine Zweckgemeinschaft mit ihnen ein. Im Einzelnen funktioniert das so: Die Pflanze erreicht durch den Pilz Nährstoffe, die meterweit entfernt sind, der Pilz bekommt im Gegenzug Zucker von der Pflanze. Der positive Nebeneffekt: Der Pilz lockert außerdem den Boden auf, vernetzt ihn und erhöht die Wasserhaltefähigkeit. Das ist besonders wichtig, wenn sich sehr lange trockene Perioden mit starken Regenfällen abwechseln.

Pilzforschung gegen Klimawandel

Der Klimawandel stellt die Landwirtschaft vor Herausforderungen. Es wird immer wichtiger, Lösungen zu finden um mit Hitze, Extremwetter und trockenen Böden umzugehen. Eine mögliche Lösung findet sich im Problemfeld selbst, dem Boden – und zwar in Form von Pilzen.

Lokale Pilze können langfristig im Boden überleben

Dass Pilze in der Landwirtschaft genutzt werden, ist nicht neu. Dass man regionale Pilze aus dem eigenen Boden nutzen kann, allerdings schon. Was für Vorteile das bringt, erklärt MyPilz-Gründer Wolfgang Hinterdobler: „Dadurch sind die Pilze natürlich ideal an die lokalen Gegebenheiten wie das Klima und den Boden angepasst und können so nicht nur kurzfristig eingesetzt werden, sondern sogar im Feld überwintern.“

Außerdem sind Böden sehr unterschiedlich. So können selbst in zwei nebeneinanderliegenden Ortschaften die Bedingungen ganz anders sein. Das weiß etwa auch Biowinzer Philipp Jauk aus Falkenstein (Bezirk Mistelbach). Er arbeitet seit heuer mit den Pilzforschern zusammen. In seinem Boden wurde ein Pilz gefunden, der im Weinbau schon genutzt wird und sich mit den Rebstöcken besonders gut verträgt.

Drei weiße Menschen gehen durch Weinreben. Eine kleine Frau links, ein großer Mann in der Mitte, ein mittelgroßer Mann rechts. Der Mann in der Mitte deutet in eine Richtung
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Winzer Philipp Jauk (Mi.) führt Miriam Schalamun (li.) und Wolfgang Hinterdobler (re.) von MyPilz durch seine Weinstöcke

Zusätzlich zur Stärkung des Bodens und mehr Erträgen erhofft sich Jauk auch einen weiteren positiven Effekt durch seinen neuen Bodenbewohner: „Wenn der Nutzpilz sich im Boden ausbreitet, ist er natürlich auch eine Konkurrenz für Schadpilze. Die können sich dann weniger ausbreiten und finden weniger Nährstoffe.“ In der Theorie wird so der Schädling schon gestoppt, bevor er gefährlich werden kann, und der Winzer spart sich den nachträglichen Pflanzenschutz gegen Schadpilze.

Trockenheit und Hitze behindern die Nährstoffaufnahme

Auch der erste Betrieb, der je mit MyPilz zusammengearbeitet hat, befindet sich in Falkenstein. Die kleine Landwirtschaft „Biofalken“ sei immer auf der Suche nach neuen Wegen, um ihren Boden aufzubauen und auch Vorbild für nachhaltige Wege der Bewirtschaftung zu sein, heißt es.

Panorma auf die Burgruine Falkenstein. Schönes Wetter, Weinberge, Häuser im Vordergrund
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Falkenstein ist mit seinem kalkhaltigen Boden eine ideale Weinregion. Hier fühlen sich aber auch nur bestimmte Pilze wohl.

Für die Betreiber war ein entscheidender Punkt, dass durch die Pilze die Nährstoffzufuhr und der Wasserhaushalt im Boden verbessert wird. Landwirtin Anna Mazura erklärt: „Bei uns hat der Boden mit unserer Kompostdüngung eigentlich alle Nährstoffe, die die Pflanzen brauchen, aber die hohen Temperaturen und die Trockenheit blockieren sozusagen die Leitung.“ Wenn die Pilze diese „Leitung“ wieder freilegen könnten, würde sich Mazura zusätzliche Düngung ersparen.

Nicht nur die Betriebe profitieren von der Zusammenarbeit

Da MyPilz noch ein junges Unternehmen ist – es wurde erst Anfang 2022 gegründet –, sei jede Zusammenarbeit auch für sie aufschlussreich. Miriam Schalamun ist bei dem Start-Up für Forschung und Entwicklung zuständig, sie erklärt: „Für mich ist das genial. Ich lerne, seit ich dabei bin, so viele neue Pilze kennen, wie sie sich verhalten, wer wen auffrisst oder welcher Pilz wofür gut ist.“

Zwei weiße Frauen sammeln Bodenproben auf einem landwirtschaftlichen Feld. Es ist Sommer.
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Forscherin Miriam Schalamun (li.) und Landwirtin Anna Mazura (re.) entnehmen gemeinsam eine Bodenprobe

So würden in einem noch recht unerforschten Gebiet sowohl die Forschenden als auch die Landwirtinnen und Landwirte echte Pionierarbeit leisten. Im besten Fall ist das eine Zweckgemeinschaft, die nicht nur für alle Beteiligten wichtig ist, sondern auch für die Zukunft der Landwirtschaft.