Schleifer bei der Arbeit
Pixabay/Janno Nivergall
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Wirtschaft

Aufträge fehlen: Industrie steckt in der Krise

Die niederösterreichischen Industriebetriebe kämpfen mit einem massiven Auftragsverlust. Jedes dritte Unternehmen sieht sich mittlerweile gezwungen, Personal abzubauen. Die Branche fordert Maßnahmen von der Politik, um Insolvenzen zu verhindern.

Vor einem Jahr ist man im Geberit-Werk im St. Pöltner Stadtteil Pottenbrunn noch Sonderschichten gefahren, die Nachfrage nach Sanitärtechnik war enorm, es wurde produziert, was möglich war. Heute ist die Welt in den riesigen Produktionshallen eine völlig andere. Das Hoch, das man während der Pandemie hatte, ist vorbei, man bewegt sich und arbeitet wieder auf dem Niveau von 2019.

400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden im Werk beschäftigt, das sind 25 weniger als noch vor einem Jahr. Am Fenstertag zwischen Sonntag und Mariä Himmelfahrt werden die Maschinen abgestellt, die Produktion steht still. Sollte einmal eine Schicht ausfallen, sieht man das derzeit ebenso nicht als großes Problem.

Lage dramatischer als während der Finanzkrise

Was ist passiert? Geberit kämpft so wie viele andere Unternehmen in der Industriebranche mit einem massiven Auftragsrückgang. Genaue Zahlen will man nicht nennen, es handle sich aber um einen Rückgang „im zweistelligen Prozentbereich“, sagt Geschäftsführer Helmut Schwarzl gegenüber noe.ORF.at. Weniger Aufträge bedeutet, dass man weniger Personal benötigt.

Geberit zieht bereits erste Konsequenzen: Nicht nur, dass man an Fenstertagen – voraussichtlich auch im Herbst – die Produktion stilllegt, die Mitarbeiter sind ebenso dazu angehalten, Überstunden abzubauen, bis zum Ende des Jahres müssen zudem alle Urlaubstage verbraucht sein.

Schwarzl spricht von einer „veritablen Krise“, in der die Industrie derzeit stecke. Die Lage sei mittlerweile dramatischer als zur Zeit der Finanzkrise 2008 und zur Zeit der Coronaviruspandemie. Das zeigen auch neueste Zahlen aus dem Konjunkturtest des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), der als Stimmungsbarometer für die Industrie gilt.

Immer mehr Betriebe mit schlechter Geschäftslage

Von den fast 1.000 Industrieunternehmen in Niederösterreich beurteilt knapp die Hälfte ihre Geschäftslage als schlecht. Besonders auffällig daran ist, dass das um gleich 19 Prozent mehr als noch vor vier Monaten beim vergangenen Konjunkturtest sind. Nur fünf Prozent der Industriebetriebe im Bundesland würden ihre Geschäftslage als gut beurteilen.

Mehr als ein Drittel der Industriebetriebe verzeichnet weniger Aufträge als beim vergangenen Konjunkturtest im April. Für 43 Prozent sind die Produktionskapazitäten mittlerweile zu groß geworden, im April waren es noch 30 Prozent gewesen. Aufgrund der fehlenden Aufträge sieht sich fast jeder dritte Industriebetrieb in Niederösterreich mittlerweile gezwungen, Personal abzubauen.

Forderung nach neuer Kurzarbeit

Der Geschäftsführer des Geberit-Werks in Pottenbrunn, Helmut Schwarzl, sieht daher höchste Zeit zu handeln. Er ist auch Spartenobmann der Industrie in der niederösterreichischen Wirtschaftskammer und fordert von der Politik neue Maßnahmen, um den Betrieben unter die Arme zu greifen: Ein neues, unbürokratisches Kurzarbeitsmodell nach dem Vorbild des Modells, das während der Coronaviruspandemie in Kraft war, und einen neuen Energiekostenzuschuss, der seit Weihnachten letzten Jahres versprochen, aber bislang nicht umgesetzt wurde.

Jede weitere Verzögerung würde Arbeitsplätze gefährden, so Schwarzl. Ohne Maßnahmen wie die Kurzarbeit würden zahlreiche Unternehmen in die Insolvenz schlittern. „Es geht in die falsche Richtung“, sagt Schwarzl, der gegenüber noe.ORF.at in einigen Branchen selbst große Kündigungswellen nicht mehr ausschließt. Die Krise dürfte nämlich länger dauern. Die Branche rechnet erst für das Jahr 2025 mit einer Besserung.