Kultur

Eine Liaison, aus der ein Wolkenturm wuchs

Was wäre Grafenegg ohne das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich und was wäre das Orchester ohne die Spielstätte Grafenegg? Vor genau 50 Jahren begann die Zusammenarbeit, von der beide Seiten bis heute gleichermaßen profitieren.

Das Foto vom ersten Konzert des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich in Grafenegg (Bezirk Krems) zeigt, wie improvisiert dieses Konzert im Vergleich zur Gegenwart stattgefunden hat. In den Schlosshof wurde eine Bühne gebaut, der Platz war beschränkt, entsprechend groß gestaltete sich das Gedränge auf der Bühne.

Schlossherr Tassilo Metternich-Sandor erinnert sich im Gespräch mit noe.ORF.at: „Das Konzert selbst ist mir ehrlich gesagt nicht in Erinnerung geblieben, aber die Aufregung, die es damals gab. Es war das erste Mal, dass hier ein echtes Symphonieorchester aufgetreten ist.“ Davor gab es zwar schon Lesungen oder Kammerkonzerte, aber ein Konzert dieser Größe war neu für Grafenegg, das sich in den kommenden Jahren zu einer Spielstätte entwickelte.

Historisches Schwarz-weiß-Foto vom ersten Konzert des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich im Schlosshof von Grafenegg am 19.8. 1973
Fotoarchiv Grafenegg
Das erste Konzert des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich fand am 19. August 1973 im Schlosshof von Grafenegg statt

Orchester maßgeblich beteiligt am Erfolg Grafeneggs

Sandor sagt selbst: „Ohne die Tonkünstler wäre Grafenegg nicht das, was es heute ist“, und meint damit die Entwicklung zu einem der zentralen Orte für Kultur in Niederösterreich. Der Wolkenturm wurde ebenso errichtet wie Auditorium und Reithalle sowie Schloss saniert wurden. Im Park laden mittlerweile mehrere Gastrobereiche zum Verweilen und Entspannen ein.

Grafenegg ist heute ein gut organisiertes Ausflugsziel für Kulturbegeisterte, und daran hat das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich großen Anteil, sagt der Schlossbesitzer: „Viele Beziehungen zu Künstlern, die zum Teil heute noch bestehen, sind mit den Künstlern in diesen ersten Jahren entstanden.“ Edita Gruberova und Robert Holl beispielsweise betraten 1975 für eine Aufführung von Haydns „Schöpfung“ die Bühne, beide standen damals erst am Beginn ihrer Karrieren.

Jubiläumskonzert der Tonkünstler im Wolkenturm Grafenegg
Emil Zitarevic/Tonkünstler-Orchester
Mit dabei auf der Bühne inmitten der Tonkünstler war beim Jubiläumskonzert 2023 der Pianist Denis Kozhukhin

Seit 2007 Residenzorchester von Grafenegg

Seit der Eröffnung des Wolkenturms 2007 sind die Tonkünstler auch an dieser Spielstätte Residenzorchester, neben dem Wiener Musikverein und dem Festspielhaus St. Pölten. Das bringe viele Vorteile, so Tonkünstler-Geschäftsführer Frank Druschel: „Wir können als Residenzorchester natürlich ganz anders spielen als Tournee-Orchester. Beim Jubiläumskonzert stehen beispielsweise über 100 Musiker auf der Bühne – das ist bei einem Gastspiel eines Orchesters kaum möglich, weil die Logistik und die Kosten dafür einfach zu groß sind.“

Was Druschel damit meint, wurde am Wochenende auch anhand eines der Highlights des Jubiläumskonzertes deutlich: bei den „Symphonic Dances“ aus „West Side Story“ von Leonard Bernstein. Mit der vollen Wucht eines großen Orchesters und auch in den zarten Tönen gut austariert, zeigte Dirigent Yutaka Sado hier sein tiefes Verständnis von und seine Liebe zu Bernsteins Musik.

Der Chefdirigent der Tonkünstler wiederum ist in Grafenegg vor allem von der Atmosphäre begeistert: „In einer Konzerthalle mit guter Akustik lauscht das Publikum ganz leise. Aber hier im Freien beginnen wir bei Sonnenuntergang, man erlebt den Übergang zur Nacht, hört die Vögel singen und kann die Sterne sehen und alles wird dabei untermalt mit Musik. Das ist völlig anders. Ich kann nicht sagen, was besser ist, aber ich liebe es, auch im Freien Musik zu machen.“