Publikumsgespräch am Herrensee
Karl Satzinger
Karl Satzinger
Kultur

Litschau: Theaterhotspot mit Kultstatus

Beim Waldviertler Theaterfestival „Hin & Weg“ wurde in Litschau mit Theater experimentiert. „Dummheit“ und „Shakespeare“ waren die Themen in rund 100 Veranstaltungen an 18 teils ungewöhnlichen Spielorten. Dabei wird die Gemeinde zum Theaterhotspot mit Kultstatus.

Wochen vorher ist es in Litschau (Bezirk Gmünd) schier unmöglich, noch eine Unterkunft zu ergattern. Die Besucherinnen und Besucher zwängen sich teils in enge Räumlichkeiten mit stickiger Luft, laufen scharenweise in der Hochsommerhitze von einer Station zur nächsten, von szenischen Lesungen zu Hörspielen, von Aufführungen zu Konzerten, vom morgendlichen Yoga am See zum mitternächtlichen Feuergespräch. Etliche Termine sind ausverkauft. „Hin & Weg“ hat offenbar Kultstatus erreicht.

In Litschau ist Sonntagabend die sechste Ausgabe des Theaterfestivals zu Ende gegangen. Nach dem sechsten Jahr darf man mit Respekt konstatieren: Zeno Stanek, Mastermind und künstlerischer Leiter, und seinem Team ist es mit diesen „Tagen für zeitgenössische Theaterunterhaltung“ gelungen, im nördlichen Waldviertel einen Theaterhotspot von internationaler Relevanz zu installieren, der vom Publikum angenommen wird.

Stanek bei seinem Theaterfestival omnipräsent

Stanek selbst ist von früh bis spät präsent, koordiniert, moderiert, bringt Wassergläser für Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer und wirkt noch selbst in der Komödie „Intendantenwechsel“ von Armela Madreiter mit: eine köstliche Parodie männlicher Machtnetzwerke in Bühnenbetrieben. Um eklatanten Machtmissbrauch, korrupte Kommunalpolitik und – mittelfristig gesehen dumme – Bodenversiegelung geht es auch bei den steirischen Rabtaldirndln, die mit „Betonfieber“ (einem „ländlichen Schwank“) durchaus aktuelle Vorkommnisse assoziieren lassen.

Intendant Zeno Stanek
Sabine Hauswirth
Intendant Stanek spielte in einer Produktion auch selbst mit

Zur Sprache kam das Phänomen der Dummheit auch bei den anregenden Frühstücksmatineen mit Bernhard Fellinger (ORF-Radio Ö1), unter dessen Gästen sich u. a. die Rollstuhltennisspielerin Eva-Maria Kern, der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler und die Forensikerin Heidi Kastner, die ein Buch über die Dummheit veröffentlicht hat, zum Gespräch einfanden. Glettler, der sich auch für humanitäre Hilfe für Flüchtlinge engagiert, hat bei diesem Problem zwar keine Lösung anzubieten, aber: „Unmenschlichkeit ist sicher keine.“

Und Kastner mahnt Selbsteinsicht ein: „Sich selbst gegen Dummheit gefeit zu sehen, ist auch eine Form von Dummheit“. Das beste Mittel gegen Dummheit ist jedenfalls nach wie vor Bildung, so „Bildungsaktivist“ Daniel Landau. Quintessenz: Wer immer meint, schon alles zu wissen, befindet sich definitiv am Holzweg.

Eulenspiegel Till Freedom bei Hin und Weg in Litschau 2023
Helena Vogel
Für Theater ohne Grenzen treffen sich jährlich Darstellerinnen und Darsteller sowie Besucherinnen und Besucher – die teilweise in die Stücke eingebunden werden – im nördlichen Waldviertel

Mit Shakespeare lässt sich Grundlegendes ideal erläutern. Das schafft Regisseur Henry Mason mit dem Ensemble Shakespeare gradaus, indem er Einblicke in den Probenkochtopf als Schauküchenformat kredenzt. Eine beeindruckende „Hamlet“-Produktion des Südböhmischen Theaters im „Moment“ zeigt, wie sehr sich ein Blick über die Grenzen lohnt, wie armselig unsere Rezeption ist, wenn sie vor diesen Grenzen Halt macht, und wie verdienstvoll Staneks Initiative ist, im Nachbarland Tschechien fündig zu werden.

Verbesserungsbedarf bei Essen und Trinken

Schließlich bildete die Uraufführung des berührenden Zweipersonenstücks „Eine Nacht mit Lady Macbeth“ von Magdalena Marszalkowska (mit Valentin Schuster und Andrea Nitsche) ein weiteres Highlight des Festivals: eine emotionale Begegnung mit Behinderung, Verzweiflung und Hoffnung.

Apropos Hoffnung: Wenn ein Wunsch offen bliebe, so wäre es jener an die gastronomische Infrastruktur in Litschau. Es muss doch nicht sein, dass ausgerechnet zu Festivalzeiten fast alle Kaffee- und Wirtshäuser im Ort dichtmachen, zumal es deren nur noch wenige gibt.