Drohnenaufnahme von Furth-Palt beim Hochwasser am Sonntag
BFK Krems/Thomas Wechtl
BFK Krems/Thomas Wechtl
Klima & Umwelt

Überflutungen: Der Mensch hat es in der Hand

Überflutungen wie kürzlich im Süden Österreichs lassen Diskussionen über den Umgang mit der Natur wieder hochkochen. Denn manche Überschwemmungen wären verhinderbar. Darin liegt in den Augen einer neuen Expertengruppe auch die Chance für die Zukunft.

Überflutungen sind an sich weder abnormal noch besorgniserregend. In der Natur haben sie sogar eine wichtige Funktion und kommen in Österreich seit jeher vor. Was sich allerdings verändert hat, ist der Umgang des Menschen mit Flüssen, Bodenflächen oder Artenschutz. All diese Parameter führten – vor allem in Summe – zu tragischen Überschwemmungen mit teils massiven Schäden. Dort, wo der Mensch zuletzt mit negativen Folgen mitmischte, liegen aber auch Chancen. Denn durch gewisse Maßnahmen lassen sich manche Überflutungen besser vorbeugen.

Mit diesem Themenfeld beschäftigt sich auch der "National Hub Biodiversität und Wasser, der an der Donau Universität Krems angesiedelt ist und künftig sowohl Forscherinnen und Forscher auf diesem Gebiet vernetzen soll, als auch die Wissenschaft mit der Politik und Gesellschaft. Die Expertinnen und Experten des Hubs sind überzeugt, dass der Mensch einen großen Einfluss auf Überschwemmungen nehmen kann.

Vier Hauptauslöser für ungewollte Überflutungen

In der Analyse der letzten Überschwemmungen macht das Forscherteam vier wesentliche Auslöser verantwortlich, in deren Gestaltung sowohl Gemeinden als auch Länder und Bund nicht unerheblich mitwirken können. Gewässerregulierungen, wie Flussbegradigungen und Dämme, verkürzen natürliche Fließgewässer, reduzieren die Breite von Fluss und Auen sowie deren Verbindung zueinander und „verursachen so besonders rasche und hohe Pegelanstiege in flussabwärts gelegenen Gebieten“.

Die Bebauung überschwemmungsgefährdeter Flächen erhöht das Schadensausmaß zusätzlich, „zudem werden damit auch natürliche Wasserspeicher zerstört“. Durch die damit einhergehende Bodenversiegelung (3) könne Niederschlagswasser zudem nicht mehr ausreichend versickern. Auch großflächige Abholzungen sowie unsachgemäße landwirtschaftliche Bodenbewirtschaftung verringern das natürliche Wasser-Rückhaltevermögen des Bodens. Dadurch fließt Wasser schneller ab und „es kommt zu Überflutungen, Bodenerosion und die Gefahr für Murenabgänge wird erhöht“. Nicht zuletzt würden die Folgen des Klimawandels all diese Faktoren verstärken. „Ausgelöst durch die Klimakrise treten im Alpenraum vermehrt anhaltend starke, flächendeckende oder sehr starke lokale Niederschläge auf“, so die Bilanz.

Die March-Auen mit Seitenarm aus der Vogelperspektive
viadonau
Flüsse brauchen Raum, um sich bei Wasserhochstand natürlich auszubreiten. Die Lösung ist eine Renaturierung wie beispielsweise der Marchauen (Bild)

Klimaschutzmaßnahmen als Überschwemmungsschutz

Jene Maßnahmen, die die Expertinnen und Experten erarbeitet haben, um Überflutungen entgegenzuwirken, wirken dem Team zufolge zugleich auch im Kampf gegen die Erderwärmung. Sie sprechen in diesem Zusammenhang von einem „integrativen Ansatz“, mit dessen Hilfe man „den Herausforderungen auf mehreren Ebenen“ begegnen könne. Extrahiert haben sie zu diesem Zweck vier Möglichkeiten, um den Hochwasserschutz zu verbessern.

Zum einen sprechen sie sich für passiven Hochwasserschutz aus, der auf naturbasierten Lösungen fußt und auch im Sinne des europäischen Renaturierungsgesetzes („Nature Restoration Law“) und der EU-Wasserrahmenrichtlinie erfolgt. Alleine die Beachtung dieses Punktes würde mehrere positive Effekte erzielen: Sobald gesunde Fluss-Ökosysteme samt Flussauen und Feuchtgebieten wiederhergestellt sind bzw. – wo noch vorhanden – streng vor weiterer Verbauung geschützt werden, wirken sich diese natürlichen Gewässer-Ökosysteme mit hoher Biodiversität „positiv auf unser Klima aus, weil sie Kohlenstoff speichern und den Wasserhaushalt regulieren. Naturbasierte Lösungen zum Hochwasserschutz haben oftmals auch einen abschwächenden Effekt auf Dürreereignisse, die das andere Ende hydrologischer Extremereignisse widerspiegeln und, ebenfalls durch den Klimawandel ausgelöst, deutlich öfter auftreten“, heißt es.

Diskussion über Zuständigkeit der Raumplanung gefordert

Zudem brauche es ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen, die „von der Politik einzufordern“ seien, denn „die hinreichend bekannten zielführenden Schritte zur Reduktion der Treibhausgase müssen endlich konsequent umgesetzt werden“. Damit würde auch die Häufigkeit des Auftretens von Extremwetter-Ereignissen reduziert, so der Appell.

Um Menschen und Ortschaften vor Überschwemmungen zu schützen, ist mittel- bis langfristig vor allem die Raumplanung gefragt, die künftig „nachhaltig gedacht“ werden müsse, zudem sprechen sich die Forscherinnen und Forscher dafür aus, die Zuständigkeiten der Raumordnung neu zu evaluieren. In jedem Fall gelte es, „der Bodenversiegelung Einhalt zu gebieten“. Aufgelassene verbaute Flächen müssten entsiegelt, renaturiert und Ökosysteme wiederhergestellt werden.

Rückhaltebecken Zollfeld
ORF
Auch technische Maßnahmen wie Rückhaltebecken können helfen, dass Ortschaften Schaden nehmen

Um die Hochwassergefahr rasch zu minimieren, käme man um lokale zusätzliche Investitionen in technische Hochwasserschutzmaßnahmen nicht herum. Zu diesen zählen Schutzdämme, Deiche oder Rückhaltebecken. Allerdings sollten diese Maßnahmen „auf den Schutz von Siedlungsräumen und wesentlicher Infrastruktur beschränkt bleiben“. Flussauf- bzw. flussabwärts müsse der Fokus auf Renaturierung und die Bereitstellung von Flächen für Wasserrückhalt zum passiven Hochwasserschutz gerichtet sein. Abschließend empfiehlt der Hub Investitionen in fortschrittliche Frühwarnsysteme, die auch neue Modelle der Klimaerhitzung mit einbeziehen und damit rascher und detaillierter über potenzielle Gefahren informieren können.

Politik gefordert, Maßnahmen zu setzen

Die Forscherinnen und Forscher zeigen sich überzeugt, dass Österreichs Hochwasserschutz Potenzial für wesentliche Weiterentwicklungen birgt und dass die Vernetzung von wissenschaftlichen Arbeiten dazu dienen kann, „nachhaltige Lösungen für die Hochwasserproblematik voranzutreiben“. Für langfristig wirksame Verbesserungen sei „ein tiefgreifendes Prozessverständnis“ unerlässlich.

In jedem Fall gelte es, Hochwasser als „natürliche Ereignisse“ zu betrachten, die in intakten Flusssystemen eine wichtige Funktion haben. „Wird Feuchtlebensräumen und Flüssen ausreichend Raum gegeben, bewahren sie das Gleichgewicht, indem sie schwammartig Wasser aufnehmen und abgeben, wenn es nötig ist.“ Dadurch werde es möglich, dass Hochwasserwellen deutlich flacher und vor allem langsamer abfallen. Nimmt man sich diese Dynamik als Grundlage für weitere Schutzmaßnahmen, sei das nicht nur essenziell für den Hochwasserschutz, sondern auch für Funktionalität der Ökosysteme, die Vielfalt der Lebensräume sowie für die Artenvielfalt. Gefordert sei hier aber die Politik, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.