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Politik

Ukraine: Warnung vor „Kriegsmüdigkeit“

Die EU-Erweiterung am West-Balkan und der Ukraine-Krieg waren die zentralen Themen des Treffens von Vertretern Österreichs, Tschechiens, der Slowakei, Kroatiens und Italiens in Grafenegg (Bezirk Krems). Rund um Hilfen für die Ukraine wurde auch vor einer Kriegsmüdigkeit gewarnt.

Je länger der Konflikt dauere, desto größer sei die Gefahr, dass die Bevölkerungen westlicher Staaten eine Unterstützung der Ukraine in Frage stellen könnten, sagten die Parlamentspräsidentin Tschechiens, Marketa Pekarova Adamova, und ihr slowakischer Amtskollege, Boris Kollar, am Freitag bei einem Treffen mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in Grafenegg.

Das könnte zudem russlandfreundliche und populistische Politiker in den jeweiligen Ländern stärken. Um die Avancen von Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu stoppen, müsste aber die militärische Hilfe für die Ukraine weiter verstärkt und neue, wirkungsvolle Technologien an die ukrainischen Streitkräfte geliefert werden, forderten Pekarova Adamova und Kollar unisono bei einem Podiumsgespräch im Slavkov/Austerlitz-Format in Schloss Grafenegg.

„Wir haben es in der Hand zu entscheiden, ob wir hier nächstes Jahr noch immer über den Ukraine-Krieg reden“, so die tschechische Parlamentspräsidentin. Das trilaterale Treffen auf Ebene der Parlamentsoberhäupter der Slowakei, Tschechiens und Österreichs findet seit fünf Jahren regelmäßig Ende August in dem niederösterreichischen Schloss statt.

Erstmals auch Vertreter aus Kroatien und Italien

Die Gefahr, dass der russische Angriffskrieg eskalieren und etwa in einen Konflikt mit NATO-Staaten münden könnte, weil sich Putin in einem Konflikt mit dem Westen und der Nordatlantik-Allianz sehe, ortete Pekarova Adamova nicht. Der Konflikt dauere jetzt schon eineinhalb Jahre, obwohl der russische Präsident gedacht habe, er sei in ein paar Wochen erledigt, argumentierte die tschechische Politikerin. „Russland ist auf den Knien. Wenn wir der Ukraine weiter effizient mit Militärgerät und auch sonst helfen, kann sie den Krieg gewinnen.“

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Tschechiens Parlamentspräsidentin Tschechiens, Marketa Pekarova Adamova, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Slowakeis Parlamentspräsident Boris Kollar

An dem Treffen in Grafenegg nahmen heuer auch Ante Sanader (Vize-Parlamentspräsident Kroatiens) und Giulio Tremonti (Vorsitzender des EU-/Außen-Ausschusses des Parlaments in Italien) teil. Hintergrund ist die von Österreich forcierte EU-Erweiterung am Westbalkan, für die sich diese Länder auch im Rahmen bei einer von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) im Juni beim Wachau Forum präsentierten „Friends of the Western Balkans Initiative“ vorgestellt worden war.

Schallenberg war am Freitag ebenfalls bei den Delegationsgesprächen dabei. Der Außenminister charakterisierte die politische Gegenwart laut Parlamentskorrespondenz „als eine Zeit, in der die alte Ordnung verschwinde, sich eine neue aber noch nicht abzeichnet.“ Angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine habe sich der Westen als stärker, resilienter und flexibler erwiesen als erwartet. Diese Einsicht müsse die EU auch nutzen, um den Westbalkan, der nicht als „Hinterhof Europas“ verstanden werden dürfe, stärker einzubeziehen.

Laut Schallenberg dürfe nicht zugelassen werden, dass die Frustration der Bevölkerung der Region von außereuropäischen Mächten genutzt werde, um Einfluss zu gewinnen. Daher müsse Europa die Gelegenheit nutzen, speziell sein ökonomisches Potenzial in der Region stärker zur Geltung zu bringen und so den „graduellen Integrationsprozess“ der Westbalkanstaaten weiter voranzutreiben.

Mehr Einbindung des Westbalkans gefordert

Schon der Ukraine-Konflikt zeige, wie wichtig eine Einbindung der Länder des Westbalkans in die EU sei, argumentierte Sobotka (ÖVP) bei der Diskussion und sprach auch von „friedenserhaltenden Maßnahmen“. Die Frage der EU-Erweiterung sei für die Sicherheit des gesamten Kontinents entscheidend. Es müsse auch gesichert werden, dass sich diese Länder in Richtung Europa orientierten und nicht in den Einflussbereich Russlands, Chinas oder der Türkei gerieten.

Daher müssten auch Länder wie Frankreich, die weniger an die Notwendigkeit einer Integration von Ländern wie Serbien, Nordmazedonien, Montenegro oder Bosnien-Herzegowinas glaubten, durch gemeinsames Vorgehen davon überzeugt werden. Angesichts des Umstands, dass Länder wie Nordmazedonien schon seit fast 20 Jahren bisher vergeblich auf eine EU-Mitgliedschaft hingearbeitet hätten, seien auch pragmatische politische Lösungen gefragt. „Es darf keine Annäherung mit zwei Geschwindigkeiten geben.“ Und für EU-Länder wie Kroatien, Italien, Österreich, der Slowakei oder Tschechien sei der Westbalkan nicht zuletzt auch aus wirtschaftlicher Hinsicht attraktiv.

Sobotka erklärte, dass das europäische Demokratiemodell „im Dualismus zwischen Freiheit und Sicherheit“ Wohlstand und Stabilität gebracht habe. In Reaktion auf den „Aggressionskrieg“ Russlands brauche es nun eine klare Sprache, um dieses Modell zu bewahren. Die versuchte Einflussnahme außereuropäischer Staaten am Westbalkan dürfe aus vielerlei Gründen nicht hingenommen werden, unterstrich Sobotka. Die EU müsse daher ihrerseits verstärkt auf Sichtbarkeit setzen und insbesondere die parlamentarische Zusammenarbeit noch verstärken.

EU und der Konkurrenzkampf um Einfluss

Die „europäische Perspektive“ der dortigen Bevölkerung müsse erhalten bleiben, betonte auch Marketa Pekarova Adamova. Denn nur diese bürge für langfristige Stabilität und Prosperität. Boris Kollar verwies auf die „starke außereuropäische Konkurrenz“ für die EU, die jede Gelegenheit nutzen würde, um an Einfluss in dieser Region zu gewinnen, etwa Russland, die Türkei oder China.

Daher müsse vor allen die parlamentarische Zusammenarbeit gefördert werden, unterstrich auch Ante Sanader. Er betonte angesichts der politischen Spannungen zwischen den Balkanstaaten auch die Notwendigkeit für die EU, deeskalierend zu wirken. Es bedürfe einer größeren und vor allem sichtbareren europäischen Präsenz in der Region.

Auch Giulio Tremonti attestierte den Westbalkanstaaten eine besondere Bedeutung für Europa. Er sprach von einem schrittweisen Integrationsprozess, der nur gelinge, wenn die EU einen Weg zwischen Dogmatismus und Pragmatismus im Umgang mit der Region finde.