Geistige Gesundheit, emotionaler Stress
Transly Translation Agency/unsplash
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Gesundheit

Erste Hilfe auch bei psychischer Belastung

Psychische Beschwerden ziehen sich durch alle Altersgruppen. Die Krankenstände in diesem Bereich haben sich seit 2009 verdoppelt. Das Rote Kreuz Niederösterreich startet im Herbst einen Kurs für Psychische Erste Hilfe, um verstärkt auf psychische Belastung aufmerksam zu machen und Vorurteile abzubauen.

Psychische Beschwerden sind noch immer ein Tabuthema und gesellschaftlich werden Betroffene in Österreich oft nicht ernst genommen. „Wo sehen wir weg? Wenn jemand psychische Probleme hat“, kritisierte Rot-Kreuz-Niederösterreich-Präsident Josef Schmoll bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. „Es ist oft nicht genug, nur sichtbare Wunden und Verletzungen zu versorgen. Viel schwerer zu sehen, sind psychische Verletzungen.“

Dabei zeigen viele Erhebungen der letzten Jahre, dass die psychische Belastung steigt bzw. stärker wahrgenommen wird: Die psychische Gesundheit von Mädchen und Burschen in Österreich hat sich beispielsweise während der Pandemie verschlechtert, das hat kürzlich eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgefunden. Demnach sinke die Lebenszufriedenheit der Schülerinnen und Schüler. 31 Prozent der Mädchen und 19 Prozent der Burschen waren in der Studie mit ihrem Leben nicht sehr zufrieden.

Psychische Erste Hilfe

  • Aufmerksam sein: Stress- und Krisensituationen erkennen
  • Zuhören: der Person zuhören, Fragen stellen oder Gesagtes wiederholen
  • Vernetzen: Hilfe von Freunden, Familie oder professionelle Unterstützung holen

Zu den Beschwerden zählen Schwierigkeiten beim Einschlafen, Gereiztheit, Nervosität, Zukunftssorgen und Niedergeschlagenheit. Liegt alles an der Pubertät – könnte man jetzt sagen. Aber die Beschwerden von Schülerinnen und Schülern steigen seit 2010 kontinuierlich an.

Erkennen, zuhören, handeln

Das Rote Kreuz Niederösterreich führt seit zwei Jahren in Schulen Kurse für Psychische Erste Hilfe durch. Gelernt wird dort, wie man psychische Probleme bei anderen erkennt, wie man sie ansprechen und Hilfe holen kann. Die Jugendrotkreuz-Landesleiterin Maria Handl-Stelzhammer berichtet von Verunsicherung unter Kindern und Jugendlichen: „Durch den Ukraine-Krieg, durch viele andere persönliche Krisen, durch die Umweltdiskussion (die Klimakrise; Anm.).“

Das führe dazu, dass sich Kinder und Jugendliche verstärkt mit dem Thema Suizid, allgemeinen Ängsten, Sorgen und Zukunftsängsten auseinandersetzen, so Handl-Stelzhammer. Ulrike Hanka leitete Schulkurse für das Jugendrotkreuz in den vergangenen zwei Jahren: „Wichtig ist zu erkennen, es hat sich etwas verändert bei meiner Freundin. Die schaut anders aus, isst nichts, die Kleidung ist nicht gewaschen, sie hat die Hausübungen auf einmal nicht mehr.“

Dass man dann die Person aber auch anspricht, sei für viele Schülerinnen und Schüler eine große Hürde. „Da muss man sich seiner selbst sicher sein und wissen, wie reagiere ich, wenn die Person jetzt wirklich zu weinen beginnt und mir etwas anvertraut“, erklärt Hanka.

Binder-Krieglstein (Rotes Kreuz) über psychische Belastungen

Der Chefpsychologe des Roten Kreuzes, Cornel Binder-Krieglstein, spricht über die geplanten Kurse, die Ergebnisse schon abgehaltener Workshops und über die Langzeitfolgen von psychischen Belastungen.

Psychische Erste Hilfe Kurse ab Oktober für Erwachsene

Etwa 430 Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe zwei (dazu gehört etwa die AHS-Oberstufe) in Niederösterreich absolvierten diesen Kurs im vergangenen Schuljahr. Finanziert wird das von der Arbeiterkammer und dem Roten Kreuz. „Wir haben für nächstes Jahr viele Anfragen von Mittelschulen und AHS-Unterstufen. Da geht es stärker um Resilienz, in der Sekundarstufe zwei geht es viel um Suizidprävention“, so Handl-Stelzhammer.

Hilfe im Krisenfall

Diese Kurse soll es ab Oktober auch für Erwachsene geben. Sie dauern vier bzw. 16 Stunden. Belegt werden können sie von allen, ausgerichtet sind sie aber nicht an Menschen mit akuten psychischen Beschwerden, sondern an Personen in deren Umfeld. Gelernt wird, Anzeichen für psychische Probleme zu erkennen, sich Zeit zu nehmen der Person zuzuhören und zu wissen, wo man Hilfe holen kann bzw. an wen man sich für Unterstützung wenden kann.

Damit soll präventiv die psychische Gesundheit gestärkt werden. Bei Nicht-Behandlung begleiten psychische Probleme Betroffene mitunter ein Leben lang. Krankenstände wegen psychischer Erkrankungen dauern laut Statistik Austria im Schnitt 38,5 Tage, das ist die zweitlängste Dauer unter allen von der Statistik erfassten Diagnosen. Langandauernde psychische Belastung kann auch weitere Erkrankungen zur Folge haben.