Quereinsteigerin Schule
ORF/Tobias Hollerer
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Bildung

Quereinstieg: Von der Gastronomie ins Klassenzimmer

Auch wenn laut Bildungsdirektion für das heurige Schuljahr alle offenen Stellen besetzt werden konnten, wird der Lehrermangel immer wieder zum Thema. Deshalb werden jetzt vermehrt Quereinsteiger an Schulen geholt. noe.ORF.at hat eine von ihnen begleitet.

Das „Klatschsignal“ ertönt in der 2B-Klasse der Europa Sport Mittelschule in Mödling. Die Schülerinnen und Schüler wissen, was sie jetzt zu tun haben: zwei Mal in die Hände klatschen, ruhig sein und zur Lehrerin Sophie Blohberger schauen – dann kann der Unterricht konzentriert weitergehen.

Sophie Blohberger und die Klasse, in der sie Co-Klassenlehrerin ist, scheinen ein eingespieltes Team zu sein. So weit, so gewöhnlich. Nur eines ist wohl anders als in vielen anderen Schulklassen: Sophie Blohberger hat kein Lehramtsstudium absolviert. Eigentlich hat sie Skandinavistik und Globalgeschichte studiert und vor allem in der Gastronomie, etwa als Leiterin einer Konditorei, oder als Vermittlerin in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen gearbeitet. Dann landete sie 2019 über die Initiative Teach for Austria im Klassenzimmer.

„Will mit meiner Arbeit etwas bewirken“

Es sei nie ihr Plan gewesen, Lehrerin zu werden, so Blohberger, vielmehr hätte sie sich vorstellen können, in einem großen internationalen Konzern zu arbeiten oder für eine NGO tätig zu sein. „Aber mir war immer wichtig, dass ich in meiner Arbeit etwas bewirken kann. Dass ich nicht nach Hause gehe und kein Resultat sehe. Und dann hat sich das so ergeben“, sagt sie.

Resultate sieht Blohberger jetzt definitiv, wenn sie mit den Schülerinnen und Schülern arbeitet. Auf ihrem Stundenplan stehen in diesem Schuljahr etwa Mathematik, Bildnerische Erziehung oder Werken. Wie in der Mittelschule üblich, ist bei den Fächern also durchaus Flexibilität gefragt. „Im ersten Moment denkt man sich schon: Puh, werde ich das schaffen? Kann ich den Schülern überhaupt genügen? Aber viel wichtiger als der Inhalt sind im Endeffekt die Methoden, wie steh ich in der Klasse, wie vermittle ich das“, ist Blohberger überzeugt.

Etwa 100 Quereinsteiger an Niederösterreichs Schulen

Direktorin Brigitte Luksch-Hoffelner schwärmt jedenfalls von Blohbergers Unterricht. Generell ist die Quereinsteigerin für die Schule ein Glücksfall, denn für einige Fächer, etwa Mathematik, Lehrerinnen und Lehrer zu finden, wird immer wieder zur Herkulesaufgabe. Luksch-Hoffelner vermutet, dass das damit zusammenhängt, dass viele angehende Lehrerinnen und Lehrer lieber in einem Gymnasium als in einer Mittelschule unterrichten möchten.

Quereinsteigerin Schule
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Sophie Blohberger unterrichtet an einer Mödlinger Mittelschule unter anderem Mathematik

„Ich finde diese Idee sehr gut, bevor wir gar keine Lehrer haben. Und diese Quereinsteiger bringen frischen Wind und können Schüler vielleicht anders motivieren, wenn sie von ihrem Beruf erzählen und wofür man das braucht“, so die Direktorin. Allein an der Europa Sport Mittelschule in Mödling ergänzen nun drei Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger das Team aus ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern. Insgesamt sind es in Niederösterreich etwa 100. Zwei Drittel von ihnen haben zum Beginn des heurigen Schuljahres ihren Job gegen das Klassenzimmer getauscht.

„Einfach so“ kann man nicht unterrichten

Sophie Blohberger drückt übrigens nebenbei selbst die Schulbank, berufsbegleitend gibt es für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger eine Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule. Aber ist man ohne Lehramtsstudium dennoch eine Lehrerin zweiter Klasse? Nein, meint Blohberger. „Ich glaube, in den ersten Jahren ist man ohnehin ein bisschen überfordert, egal welchen Hintergrund man hat. Man muss so viele Entscheidungen treffen und auf so viele Kinder aufpassen. Ich glaube, da geht es jedem gleich.“

Zudem betont Blohberger, dass nicht jeder „einfach so“ Lehrerin oder Lehrer werden kann. Laut Bildungsministerium gibt es klare Regeln: Interessierte, die ins Klassenzimmer wechseln wollen, müssen mindestens ein Bachelorstudium und drei Jahre Berufserfahrung vorweisen können. Zudem müssen sie ein Zulassungsverfahren durchlaufen, in dem die Eignung für den Lehrerjob überprüft wird. An Volks- und Sonderschulen werden übrigens weiterhin nur Lehrerinnen und Lehrer mit Lehramtsstudium eingesetzt.

Gutes Feedback von Kollegen und Schülern

Sie selbst sei von den Kolleginnen und Kollegen und Schülerinnen und Schülern gut aufgenommen worden, sagt Blohberger. „Natürlich gab es von den Kolleginnen zu Beginn vielleicht ein paar kritische Fragen. Aber wenn man offen kommuniziert und alles erklärt, sind sie froh, dass man da ist.“ Und von den Jugendlichen höre sie immer wieder, dass sie stolz seien, von Quereinsteigerinnen unterrichtet zu werden, die sich bewusst für die Schule entschieden haben, anstatt in ihrem alten Job zu bleiben.

Sophie Blohberger kann sich einen Ausstieg nach dem Quereinstieg aus heutiger Sicht nicht vorstellen. Sie will ihren Alltag auch langfristig mit aufgeweckten Jugendlichen und Schulbüchern verbringen.