Historischer Segelflieger
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Chronik

Flugshow erinnert an historischen Segelflug

Vor 100 Jahren war die kleine Gemeinde Leitzersdorf (Bezirk Korneuburg) in aller Munde. Ein Segelflugwettbewerb zwischen Deutschland und Österreich sorgte für großes Aufsehen. Am Wochenende erinnerte ein Fest auf dem Gipfel des Waschberges an dieses Ereignis.

Schon vor 50 Jahren hat die Gemeinde Leitzersdorf einen Gedenkstein auf dem Gipfel des 388 Meter hohen Waschberg errichten lassen – in Erinnerung an die Segelflugwoche 1923. Am Sonntag wurde nun eine neue Tafel enthüllt, gemeinsam mit einer Kleinplastik in Form eines silberfarbenen Segelfliegers, der vom Felsen abzuheben scheint. Das Flugzeug ist der historischen „Wien“ nachempfunden, jenes Segelflugzeug, das damals – aus österreichischer Sicht – am erfolgreichsten war.

Mit einer Flugshow mit zum Teil historischen Segelfliegern gab der Flugsportclub Stockerau (Bezirk Korneuburg) einen Einblick, wie sich die diversen Modelle in der Luft bewegten. „Wir zeigen mit Modellen aus den 1930er-Jahren bis ins Jahr 2010 in groben Zügen die Entwicklung der Segelflugtechnik“, erklärte Wolfgang Gockert vom Segelsportklub Stockerau zum Highlight des Tages. Besonderen Mut konnte da wohl dem Piloten jener SG38 aus den 1930er-Jahren attestieren, der, mehr oder weniger auf einem Holzsitz unter zwei Flügeln und einem filigranen Heck sitzend, es auch noch schaffte, den applaudierenden Zuschauerinnen und Zuschauern, zuzuwinken.

Höher, schneller, weiter – aber nur innerhalb der Mannschaft

Die Flugwoche wurde im Oktober 1923 veranstaltet, nach der Ernte, damit bei den Landungen der Schaden gering gehalten werden konnte. Dieser Termin war aber wettertechnisch ungünstig, sodass nur an vier von zehn Tagen geflogen werden konnte. Wer fliegt am weitesten, wer fliegt am längsten oder am schnellsten: Diese Kategorien standen bei dem Kräftemessen im Fokus. Der Wettstreit zwischen dem deutschen und dem österreichischen Team wurde ad hoc sehr gentleman-like ausgetragen.

Die deutschen und österreichischen Wettkampf-Leistungen wurden nur länderintern bewertet, nachdem das deutsche Team gesehen habe, wie technisch unzureichend der Gegner gewesen sei, schildert Gabriele Redl, die Leiterin des Bezirksmuseums Stockerau. In ihrem Haus gibt es derzeit eine umfangreiche und informative Sonderausstellung zu diesem sportlichen Ereignis zu sehen.

Segelflug als einzige Möglichkeit der Luftfahrt

Warum wurde der Wettkampf 1923 mit Segelfliegern ausgefochten? Es gab bereits ausreichend gute Motorbetriebene Flugzeuge. „Österreich und Deutschland war in jener Zeit, als Verliererländer des ersten Weltkrieges verboten, Motorflugzeuge in Betrieb zu nehmen und damit zu üben“, erzählte Gabriele Redl weiter.

Das Interesse war damals enorm, deswegen sind Film- und Fotoaufnahmen noch erhalten. Auch das Publikum strömte aus dem nahen Wien in großer Zahl nach Leitzersdorf, fünf Kilometer nordöstlich von Stockerau gelegen. 25.000 Kronen kostete der Eintritt, für Bildaufnahmen musste extra noch bezahlt werden.

Segelflieger
österr. Luftfahrtarchiv
Die Konstruktionen, mit denen sich die Männer in die Lüfte erhoben, waren durchaus waghalsig

„Dass sich die Menschen dieses Vergnügen geleistet haben, ist sehr bemerkenswert“, schilderte Gabriele Redl die Situation. „Bei dieser Inflation und den täglichen Sorgen hätte man um dieses Geld sicherlich auch einen oder mehrere Laib Brot kaufen können. Die Faszination für das junge Phänomen Fliegen überwog wohl alle Bedenken.“

Am Sonntag haben sehr viele Schaulustige den 388 Meter hohen Waschberg erstiegen, um am Fest teilzunehmen. Bei Grillhendl, Leberkäs’, Bier, Wein, Wasser und Blasmusik wurde den Ausführungen der Experten gelauscht. Modellflugzeuge vom 1. HMS (1.Hangmodellsegelflugverein) Stetten konnten bei schwierigen Windverhältnissen in der Luft und am Boden bestaunt werden. Kinder testeten mit Styropor-Fliegern das Gleitvermögen in der Luft.

Mutige Männer in fliegenden Kisten

Die Fluggeräte von damals muten auf den Film- und Fotoaufnahmen etwas abenteuerlich an. Und es gehörte wahrlich viel Mut dazu, sich in eine dieser „fliegenden Kisten“ hineinzusetzen und mehrere hundert Meter über dem Boden zu schweben. „Man wusste bereits sehr viel über Aerodynamik, aber die Modelle waren, wegen der geforderten Gewichtsreduktion, aus einer sehr leichten Holzkonstruktion gefertigt“, erklärte Josef Eberhardsteiner, der Vizerektor der Technischen Universität (TU) Wien. Die TU Wien war damals Mitveranstalter der Flugwoche.

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österr. Luftfahrtarchiv
Die Flieger glichen im Prinzip einer offenen Holzkiste

Der Waschberg ist eine singuläre Erhebung inmitten von flachem Ackerland und Natura-2.000-Gebiet. Sitzt man auf dem – zugegeben – breiten Rücken des Waschberges fragt man sich dennoch, wie hier Flugzeuge starten konnten. Gabriele Redl erklärte die spezielle Technik: „Es hat nach dem Katapult- oder Steinschleuder-Prinzip funktioniert: Ein Gummiseil wurde durch einen Haken an der Spitze des Flugzeuges geführt. Dann sind links und rechts des Seglers Männer in Fahrtrichtung gelaufen und haben das Flugzeug über die Bergkante katapultiert.“