Menschen im Blickpunkt Matthias Schorn
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„Menschen im Blickpunkt“

Der Klarinettist und sein intimer Bahnhof

Nur wenige Musikerinnen und Musiker haben das Privileg, von ihrer Kunst leben zu können wie Matthias Schorn. Doch beim Solo-Klarinettisten der Wiener Philharmoniker dominiert die Musik auch bei seinen Hobbys, darunter ein Kulturbahnhof in Altenmarkt an der Triesting.

Matthias Schorns Engagement bei den Wiener Philharmonikern bedingt viele Abende im Staatsopernorchester, ganz abgesehen von den Konzertreihen und -reisen. Daneben unterrichtet er an der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst. Die Zeit, die dazwischen bleibt, verbringt der 41-jährige gebürtige Salzburger in seiner neuen Heimat Altenmarkt an der Triesting (Bezirk Baden).

Vor zehn Jahren kaufte er im Ort den ehemaligen Bahnhof der inzwischen stillgelegten Leobersdorfer Bahn und revitalisierte das Gebäude. Heute ist es ein Kulturbahnhof mit viele Veranstaltungen, die mit hochkarätigen Künstlerinnen und Künstlern besetzt sind. Im kleinen, intimen Rahmen des früheren Warteraums entsteht eine ganz besondere Atmosphäre.

Ein Tag mit scheinbar 36 Stunden

Die schafft er im übrigen selbst: Am Vormittag ist es Matthias Schorn, der für die abendliche Veranstaltung die Technik aufbaut, Kabeln verlegt, Mikrofone montiert. Am nächsten Morgen ist Probe in der Staatsoper, am Nachmittag wird schon wieder für den nächsten Abend hergerichtet. Sein Tag, so scheint es, hat 36 Stunden.

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Der alte Bahnhof samt Waggon sind für Matthias Schorn zu einer Art Spielplatz geworden

Arbeit ist es für ihn aber nur bedingt: „Es macht mir enormen Spaß. Es heißt ja ‚Klarinette spielen‘, mit Betonung auf spielen. Also wie Fußball spielen, Karten spielen, etwas, das man gern tut. Das man als Kind irgendwann begonnen hat. Für mich ist das auch so etwas. Das Kind in mir hat sich hier einen eigenen Spielplatz geschaffen. Das ist nicht Arbeit, es ist mein Spielplatz, auf dem ich Kind sein kann.“

Den Eintritt bestimmt jeder Gast selbst

Ein teurer Spielplatz, denn Schorn hat nicht nur den Bahnhof gekauft, sondern sich auch bei Schneesturm einen Waggon vor dem Gebäude aufstellen lassen, der auf den Resten der Schienen der Leobersdorfer Bahn steht und als Gastro-Bereich dient. Hinter der Theke: Matthias Schorn. „Ich will einfach einen guten Platz schaffen, ob ein Konzert mit schönem Raum und schönem Licht oder in der Pause und danach beim Zusammensitzen. Meine Oma war Wirtin, vielleicht spielt das auch eine Rolle.“

Den Eintrittspreis bestimmt dabei jeder Gast für sich selbst: „Ich haben keine fixen Preise. Jeder oder jede gibt das, was ihm die Veranstaltung wert ist und bekommt einen Kassenbon dafür.“ Mit diesem System sei er bisher „sehr gut gefahren. Mein Vorteil ist, ich muss nichts verdienen, mir genügt, wenn ich mit einer schwarzen Null aussteige.“

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Im Brotberuf bei den Wiener Philharmonikern tritt Schorn aber auch in Tracht und Lederhose beim Woodstock der Blasmusik auf

Der Philharmoniker in Tracht und Lederhose

Und da wäre noch eine Leidenschaft: Der Philharmoniker als Vollblut-Blasmusiker in Tracht und Lederhose, Dirigent des Woodstock-Orchesters beim Woodstock der Blasmusik, wo er von Beginn an dabei war. „Am Ende des Tages spiele ich nur für mich selbst. Und ich habe den Verdacht, wenn ich mich emotional erwische, dann erwische ich die anderen, das Publikum, auch.“ Zudem würden seine Engagements beim Woodstock und in der Staatsoper voneinander profitieren.

Was den Unterschied ausmacht zwischen Klarinettisten und Spitzen-Klarinettisten? „Oft ist es einfach das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Vielleicht gelingt es mir in den wichtigen Momenten, eine Verbindung herzustellen zu den Menschen, die mir zuhören. Das sind Dinge, die ich nach wie vor brauche, dass ich Gänsehaut bekomme. Dinge, die man sich von keiner Online-Plattform herunterladen kann.“ Dinge, die man sich nur erspielen kann.