Kühe fressen im Stall Futter
APA/dpa/Fabian Sommer
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Wissenschaft

Gesundheitsdaten aus dem Kuhstall

Um Notfälle im Kuhstall besser versorgen und vorhersagen zu können, arbeiten Forscher in Niederösterreich an einem Notfallinformationssystem. Über Sensoren und Kameras könnten Informationen direkt an eine Art tierärztliche Leitstelle gemeldet werden, hieß es.

Man arbeite verstärkt daran, die Möglichkeiten der Digitalisierung auch in praktische Anwendungen im veterinärmedizinischen Bereich umzumünzen, erklärte Petra Winter, Rektorin von der Veterinärmedizinischen Universität (Vetmed) Wien, bei einem Pressegespräch.

Schon eine einfache Webkamera sowie ein Temperatur- und Luftfeuchtigkeitssensor könnten interessante Einsichten in die Abläufe liefern. Winter: „Niemand kann 24 Stunden, sieben Tage die Woche im Stall stehen, ein Sensor aber schon.“ Aus direkt am Betrieb erhobenen Daten könnten Viehzüchter technologieunterstützt Hinweise in Form „einfacher Kurven“ erhalten, um welche Tiere es vielleicht nicht gut bestellt ist oder wo sich eine Geburt ankündigt. Für den Einstieg seien die Daten sogar direkt auf dem Smartphone abrufbar.

Verdachtsfälle werden über App an Leitsystem gemeldet

Um die Informationen bei Notfällen auch zur besseren tierärztlichen Behandlung nutzen zu können, arbeiten die Wissenschaftler derzeit im Rahmen der Initiative „eHealth@vetmed“ an einem Notfallvermittlungssystem. Im Forschungsprojekt „Holstein“ wird eine solche Infrastruktur für Niederösterreich entwickelt.

Ziel ist eine Art Leitsystem, wie es die Rettungsdienste im Einsatz haben. Informationen, etwa über Krankheitsverdachtsfälle auf einem Hof, könnten in einen Verbund eingemeldet werden. Dort erfolgt eine Ersteinschätzung durch Experten, und es gehen Informationen an Tierärzte über die Dringlichkeit des Problems.

Laptop im Kuhstall
APA/dpa/Carsten Rehder
Aus den Bewegungsdaten der Tiere werden Informationen für Diagnosen herausgelesen

So will man die in manchen Regionen des Landes begrenzten Zeitressourcen von Tierärzten besser nutzen. Denn vielfach sind es lange Fahrtstrecken, die es den Praktikern erschweren, auch entlegene Höfe optimal zu versorgen. Und auch im tierärztlichen Bereich beobachte man selbstverständlich eine „Urbanisierung“, so Winter. Nur insgesamt rund die Hälfte der in etwa 200 Vetmed-Absolventen jährlich würden sich zurzeit im Nutztierbereich spezialisieren. Die Studienplätze konnte man kürzlich auf 223 erhöhen.

„Durch den Einsatz digitaler Technologien und künstlicher Intelligenz in der Tiermedizin möchten wir die Entwicklung des tierärztlichen Berufsstands vorantreiben“, so Winter. Die neuen Tierärztegenerationen seien zudem „sehr technikaffin“, zeigte sich die Rektorin überzeugt.

Kameras beobachten Bewegungen von Rindern

Was sich aus Bewegungsdaten – zum Beispiel aus der Frequenz des Wiederkäuens bei Rindern – an Informationen für Prävention und Diagnose extrahieren lässt, erforscht unter anderem ein Team um Michael Iwersen von der Universitätsklinik für Wiederkäuer in einem neuen Doktoratskolleg namens „Precision Livestock Farming“. Als Versuchslabor dient hier etwa die „VetFarm“ in Kremesberg (Bezirk Baden), eine Außenstelle der Vetmeduni im Triestingtal.

Dort wird zum Beispiel mit Kamerasystemen beobachtet, wie oft die Tiere sich hinlegen, herumstapfen, den Schwanz heben und sich von der Herde entfernen – letztere Verhaltensweisen seien zum Beispiel Hinweise auf bevorstehende Geburten, hieß es. Wissen Viehzüchter und Tierarzt frühzeitig, wo sich problematische Entbindungen ankündigen, können Mutter- und Jungtiere besser geschützt werden, sagte Iwersen. Dafür entwickeln die Forscher gerade Vorhersagealgorithmen.

Frühere Diagnosen durch Sensoren

Auch an den Ohren von Kühen angebrachte Beschleunigungssensoren, die von dem Team mitentwickelt und eingesetzt werden, können etwa einen „Abfall der Wiederkäuertätigkeit“ anzeigen, der zum Beispiel auf Verdauungserkrankungen bei den Tieren hinweist. Diagnosen könnten so um zwei bis drei Tage früher gestellt werden.

Wie überall, wo Daten erhoben werden, müsse jedoch sichergestellt werden, dass sie nicht missbräuchlich verwendet werden, so die Experten. Die Informationen sollten daher in erster Linie an den Höfen bleiben und nur bei Bedarf geteilt werden.