Hauptplatz oder Hitlerplatz mit Hakenkreuzfahnen
Stadtarchiv Baden
Stadtarchiv Baden
Kultur

NS-Zeit in Baden: Stadt im radikalen Wandel

Der Badener Historiker und Mitarbeiter des Stadtarchivs Dominik Zgierski hat ein fast 1.000 Seiten starkes Buch verfasst mit dem Titel „Baden unter dem Hakenkreuz“. Er hat dafür auf ausgewertetes Archivmaterial zurückgegriffen und beschreibt den radikalen Wandel in dieser Zeit.

Der Stadtgemeinde Baden erging es in der Zeit vor dem Anschluss 1938 nicht besonders rosig. Die Stadt war hoch verschuldet. Dennoch lebte es sich wahrscheinlich nicht schlecht in dieser bekannten Tourismusgemeinde, mit Wein, Thermen, Konzerten und Operettenzauber. Viele wohlhabende Bürger hatten Zweitwohnsitze in der Stadt. Nach Wien und Graz verzeichnete die Stadt die drittgrößte jüdische Gemeinde Österreichs.

Sehr viele Bewohner und Bewohnerinnen Badens hegten zweifellos große Hoffnungen und Erwartungen in die Umwälzungen durch das nationalsozialistische Regime. Die eine oder andere Familie verbesserte sich durch die Arisierung jüdischer Villen und Besitztümer sicher ihre Lebenssituation enorm – als Nutznießer der Vertreibungen. Aber eines ist gewiss: Viele davon konnten nur enttäuscht worden sein.

Casino mit Nazispruch
Stadtarchiv Baden
Das Casino Baden, damals bereits ein Veranstaltungszentrum, mit bekannten nationalsozialistischen Parolen und Fahnen.

Himmelhohe Versprechungen und baldiger Niedergang

1938, nach dem Anschluss an Hitler-Deutschland, gab es keinen gewählten Gemeinderat mehr in Baden. 24 ehemalige illegale, „verdiente“ Nationalsozialisten wurden von der NSDAP als Stadtregierung, als sogenannte Ratsherren, eingesetzt. Große Pläne schwangen sie unter der Herrschaft des NS-Bürgermeisters Franz Schmid.

Sie wollten, dass Baden Großdeutschlands größtes Schwefelbad wird, wie viele andere Bäder dieser Zeit ebenso. Alte Biedermeier-Bäder sollten abgerissen werden und typischer Nazi-Architektur im großen Stil weichen, dazu sollten außerhalb der Altstadt große Gebäude abgerissen werden. Da sollte dann auch ein großer Aufmarschplatz für die Verbände der NSDAP hinzukommen. Ebenso geträumt wurde von einem Stausee im Helenental, nebst einem großen Golfplatz. Umgesetzt wurden diese Pläne nie.

Historisches Foto aus dem Stadtarchiv Baden
ORF/Stadtarchiv Baden
Eine der sogenannten „Reibpartien“, bei der jüdische Mitbürger einen innerstädtischen Platz säubern müssen

Vernichtung drittgrößter jüdischer Gemeinde Österreichs

Was schnell umgesetzt wurde, ist die Vernichtung der jüdischen Gemeinde in Baden, immerhin die drittgrößte Österreichs nach Wien und Graz. Die Synagoge in der Grabengasse sollte laut den NS-Plänen einer großen Markthalle weichen. Eine private Synagoge wurde zerstört, der Tempel in der Grabengasse konnte zum Glück bis heute erhalten bleiben. Er hat allerdings keine Funktion mehr, denn es kann kein Gottesdienst mehr abgehalten werden. Es gibt keine jüdische Gemeinde mehr in Baden, ein Schicksal wie in St. Pölten.

Die Familien jüdischen Glaubens wurden bald nach dem Anschluss 1938 aus der Stadt vertrieben, deren Besitztümer, Häuser und Firmen übernommen. Die neuen Machthaber ließen sich dabei fotografieren, wenn sie die jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen schikanierten, zum Beispiel beim Aufwaschen auf den Pfarrplatz oder beim Schänden der Synagoge.

Schändung der Synagoge in der Wassergasse
Stadtarchiv Baden
Schändung der Synagoge in der Wassergasse: Ein Haus, das nicht mehr existiert.

Eine zweite Terrorwelle ergoss sich über die ehemaligen Vertreter des Ständestaates. Sie traf ebenso besonderer Hass, hatten sie doch die Kameraden in Wöllersdorf (Bezirk Wiener Neustadt) einst interniert. Berichtet wird in Akten von Folter und Gewalt gegen die Vertreter des konservativen Lagers.

Mangel und Hunger wuchsen in der Stadt

Von den hochtrabenden Plänen blieb zwei Jahr nach der Machtübernahme fast nichts mehr über. Die Menschen hungerten. Es gab Mangel an allen Lebensmitteln. „Das ging so weit, dass die Bürger 1945 in Häuser der Stadt einbrachen, sich also gegenseitig beraubten. Sie stahlen Winterkleidung, Essen und sogar Öfen, um irgendwie überleben zu können“, schildert Dominik Zgierski die katastrophale Lage.

Durch die Rüstungsbetriebe, der rudimentär begonnene Bau der Autobahn, der heutigen A21, der Außenring-Autobahn und der notwendigen Erntehelfer beim Wein und Getreide, gab es sehr viele Gefangenlager rund um die Stadt. Es waren, so Zgierski, noch nie so viele Menschen anderer Nationen in der Stadt wie damals.

Historisches Gemälde, ausgestellt im Rolletmuseum in Baden
ORF
Karl Schiestl malt in eindrücklicher Perspektive und drastischen Farben den Kampf um die Stadt 1945

Ein Ölgemälde im Rollettmuseum verdeutlicht den Zusammenbruch 1945: Panzer der Sowjetarmee rollen in die Stadt, im Hintergrund malte Karl Schiestl einen roten Himmel, der das brennende Wien symbolisieren soll. In der prächtigen Weilburg am Rande des Wienerwalds war eine Spionageabteilung untergebracht. Noch schnell wurden brisante Akten verbrannt. Der Brand geriet außer Kontrolle. Das Schloss wurde ein Raub der Flammen. 14 Tage lang soll das Feuer gewütet haben, die Burg brannte völlig nieder. In den 1960er-Jahren wurden die letzten Teile der Ruine abgetragen.