Gedenkstätte für Sternenkinder Parkfriedhof Tulln
ORF/Claudia Schubert
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Chronik

Sternenkinder: „Jedes Schicksal will gehört werden“

Ein Kind zu verlieren, gehört wohl zu den schlimmsten Erfahrungen im Leben. Viele Betroffene von Fehlgeburten oder stillen Geburten fühlen sich mit ihrem Schicksal allein gelassen. Dabei sei die Aufarbeitung immens wichtig, sagt eine Expertin.

„Es war eine sehr schwere Zeit für uns. Es ist ein Gefühl von Trauer, Wut und Schmerz. Man weiß keinen Grund und sucht teilweise die Schuld bei sich,“ sagt Barbara Reichinger, eine Sternenkind-Mutter aus Stockerau (Bezirk Korneuburg). Ihr Sohn Sebastian kam im September 2021 in der 25. Schwangerschaftswoche still auf die Welt. Für das Paar war das überraschend, denn im Laufe der Schwangerschaft gab es keine Anzeichen dafür.

Ähnliches schildert Barbara Orth aus Hausleiten (Bezirk Korneuburg). Sie verlor ihre Tochter Rosalie im achten Schwangerschaftsmonat. „Es war eigentlich eine Bilderbuchschwangerschaft,“ sagt Orth. Die Geburt ihrer Tochter Rosalie fällt mit dem Beginn der Corona-Pandemie zusammen. Frau Orth kämpft, dass ihr Mann trotzdem im Krankenhaus sein kann. Für das Paar beginnt eine Phase der Verabschiedung, die Barbara Orth als „sehr wichtig“ beschreibt.

„Meine Tochter lag im Kühlschrank auf der Geburtshilfe, ich lag auf der Gynäkologie. Meine Hebamme hat das in die Wege geleitet, dass mein Mann sie holen konnte und so konnten wir jeden Tag ein bisschen Zeit mit ihr verbringen und uns verabschieden.“ Bedeutend sei auch die Beerdigung gewesen um offiziell „Auf Wiedersehen“ zu sagen, meint Orth.

Sternenkind-Mütter
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Barbara Orth und Barbara Reichinger sind Sternenkind-Mütter. Der Austausch mit anderen Betroffenen hat ihnen geholfen.

„Verlust gehört aufgearbeitet“

Helene Wimmer, klinische Psychologin im Universitätsklinikum Tulln, streicht die Wichtigkeit einer guten Aufarbeitung und Begleitung heraus. „Der Verlust eines Kindes ist ein heftiger Verlust, der uns massiv in unserer Psyche erschüttert“, erklärt Wimmer. Wenn dieser Verlust nicht aufgearbeitet werde, breche er oft im höheren Alter wieder auf. Diese Erfahrung mache sie im Zuge ihrer Arbeit in der Palliativbegleitung immer wieder, sagt die Psychologin.

„Früher, in der älteren Generation, wurde das oft bagatellisiert. Da kamen weise Sprüche wie ‚Probiert es halt einfach noch einmal, dann klappt das schon‘. Das ist eigentlich ein Schlag ins Gesicht vom sozialen Umfeld“, erklärt Helene Wimmer.

Schweres Schicksal: Sternenkinder

In Österreich kommen pro 1.000 lebend geborene Säuglinge etwa fünf tot zur Welt. Sternenkinder werden sie auch genannt, und für die betroffenen Eltern ist diese Erfahrung traumatisch. Oft werden sie aber mit ihren Gefühlen und Emotionen alleingelassen.

Barbara Reichinger und Barbara Orth trafen in der Selbsthilfegruppe „Windrad“ Menschen, die ein ähnliches Schicksal erlebten. Das Rote Kreuz organisiert Treffen in Tulln. In mehreren Gemeinden gibt es Angebote unter dem Dachverband Hospiz Niederösterreich. Der Austausch mit anderen sei heilsam, findet Barbara Reichinger.

Neue Gedenkstätte in Tulln

Beide Frauen wurden ein zweites Mal schwanger und sind Mütter von gesunden Kindern. Ihre Sternenkinder haben einen fixen Platz in ihrem Leben. Erinnerung als sichtbares Zeichen ist für viele Betroffene wichtig. Am Parkfriedhof in Tulln wurde vor wenigen Wochen eine Gedenkstätte für Sternenkinder eröffnet. Steine mit Namen der Sternenkinder sollen an die Verstorbenen erinnern.

Barbara Orth würde sich für Betroffene wünschen, dass man ihnen zuhört. „Auch wenn man nicht weiß, was man sagen soll. Manchmal reicht es wirklich einfach zuzuhören. Man sollte das auch nicht so abtun. Es passiert leider wirklich viel zu vielen, aber das macht das einzelne Schicksal nicht weniger wertig. Jedes Schicksal will gehört werden und jedes Sternenkind will gesehen und gefühlt werden,“ sagt Orth.