Die Landesgalerie Niederösterreich zeigt ab Samstag die bisher größte Schau zu Herwig Zens (1943–2019) und würdigt ihn als herausragenden Druckgrafiker und Lehrer. Das forum frohner stellt Radierungen zum Thema Tod und Vanitas Werken von Adolf Frohner gegenüber.
„Hin- und hergerissen zwischen der Akademie und dem Atelier hinterließ Zens ein unglaublich umfangreiches Gesamtwerk. Der Titel der Ausstellung – ,Keine Zeit’ – reflektiert diesen permanenten Zeitdruck“, berichtete Nikolaus Kratzer, Kurator der Schau und Leiter der Kunstsammlung des Landes Niederösterreich, bei der Pressepräsentation am Freitag.
Dank großzügiger Schenkungen von Gerda Zens und Johannes Scheer besitzen die Landessammlungen Niederösterreich insgesamt 2.500 Werke, darunter das druckgrafische Gesamtwerk und mehrere Versionen des radierten Tagebuchs, das in einer elf Meter langen Variante auch ein Highlight der Ausstellung bildet und insgesamt mit 40 Metern die längste Radierung der Welt darstellt, sagt Gerda Ridler, die Künstlerische Leiterin der Landesgalerie Niederösterreich.
Zens’ Kampf mit der Kunst
Das einzigartige autobiografische Zeugnis entstand über einen Zeitraum von etwa 40 Jahren und „eröffnet Einblicke in private Erlebnisse, wiederkehrende Zweifel, philosophische Reflexionen und den beständigen Kampf, den Zens mit der Kunst austrug. Er dokumentierte Reisen, ebenso Zahnarztbesuche und Streitereien an der Universität. Die Einträge sind emotional wie auch humorvoll“, so Kurator Kratzer.
Sowohl mit dem Tagebuch als auch mit Francisco de Goya unzertrennlich verbunden ist das Motiv des Todes, das Zens obsessiv durch die Schaffung teils monumentaler Totentänze umsetzte. „Die historischen Darstellungen von Totentänzen veranschaulichen die Macht des Todes über das Leben der Menschen ungeachtet deren gesellschaftlichen Standes“, so Kratzer. In der Ausstellung sind einige Varianten von Zens zu sehen.
Weitere inhaltliche Schwerpunkte der Ausstellung sind Veduten, die Beschäftigung mit Spanien, Musik (u. a. ein bemaltes Konzertpianino und Komponistenporträts) sowie Mythologie. Das Zentrum für Bildwissenschaften, das Zentrum für Kulturen und Technologien des Sammelns am Department für Kunst- und Kulturwissenschaften der Universität für Weiterbildung Krems und die Firma mindfactor entwickelten eine dreidimensionale biografische Datenskulptur, die über einen Screen untersucht werden kann.
Der Pädagoge Herwig Zens
Herwig Zens wurde am 5. Juni 1943 in Himberg (Bezirk Bruck an der Leitha) geboren und begann 1961 ein Doppelstudium an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Ein Jahr später besuchte Zens die renommierte „Schule des Sehens“ bei Oskar Kokoschka in Salzburg. 1966 schloss er die Lehramtsprüfung für Bildnerische Erziehung, Geschichte und Werkerziehung ab und erhielt 1967 das Malereidiplom bei Franz Elsner.
Ausstellungshinweis
„Herwig Zens. Keine Zeit“, bis 14. April 2024, Landesgalerie Niederösterreich in Krems, dienstags bis sonntags 10.00 bis 17.00 Uhr (März und April bis 18.00 Uhr).
„Zens trifft Frohner. Und der Tod lacht mit“, bis 1. April 2024, forum frohner in Krems, dienstags bis sonntags 11.00 bis 17.00 Uhr.
Zu den Ausstellungen ist ein Katalog erschienen (143 Seiten, 29 Euro).
Seine Diplomarbeit in Kunstpädagogik widmete Zens den „Pinturas negras“ von Francisco de Goya, der ihn zeitlebens faszinierte. In den Folgejahren wirkte Zens als engagierter Lehrer an verschiedenen Gymnasien und kehrte 1987 als Universitätsprofessor und später Institutsvorstand für künstlerisches Lehramt an die Akademie der bildenden Künste zurück.
„Mit der Erneuerung des Lehrplans und der Konzeption von Lehrmaterialien setzte Zens neue Maßstäbe und hob das künstlerische Lehramt auf ein nächstes Level“, heißt es seitens der Landesgalerie. 1982 gab er gemeinsam mit Walter Stach das erste Begriffslexikon zur Bildnerischen Erziehung heraus. Bis zu seiner Emeritierung an der Akademie am Schillerplatz im Jahr 2006 verantwortete er die Ausbildung zahlreicher Generationen an Kunstpädagoginnen und Kunstpädagogen.
„Und der Tod lacht mit“ im forum frohner
Am Samstag, dem Tag der Ausstellungseröffnung, wird auf ORF III um 9.00 Uhr der Film „Atemlos: Herwig Zens – Die Kunst, das Leben und der Tod“ von Gustav W. Trampitsch ausgestrahlt. Die Dokumentation ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.
Wenige Gehminuten entfernt stellt das forum frohner Arbeiten von Herwig Zens und Adolf Frohner einander gegenüber. Nikolaus Kratzer und forum-Leiterin Elisabeth Voggeneder stellten die Schau „Zens trifft Frohner: Und der Tod lacht mit“ zusammen. Beide Künstler wirkten zeitgleich als Maler, Zeichner und Druckgrafiker. Sie waren leidenschaftliche Professoren, die Generationen von Studierenden prägten.
„In ihrem ganzen Lebenswerk beschäftigen sich Zens und Frohner mit Fragen der menschlichen Existenz zwischen den Polen von Eros und Thanatos. Die dunklen Seiten des Daseins werden ebenso sichtbar wie das Lustvolle und Vitale“, heißt es zur Ausstellung. Die Schau zeigt einen Dialog dieser beiden Künstler, die zu den Klassikern der Wiener Kunstszene zählen. Höhepunkte aus dem grafischen Schaffen von Herwig Zens werden malerischen Schlüsselwerken von Adolf Frohner gegenübergestellt.
„Herwig Zens wäre in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden. 1977 besuchte er erstmals die Katakomben der Kapuziner in Palermo. Diese einprägsame Begegnung mit den bekleideten, lebendig anmutenden Mumien markiert einen Wendepunkt in seinem Schaffen. Fortan wird die Figur des Todes zum Protagonisten seiner Bildwelten“, erklärt Nikolaus Kratzer.
Wissen um die Vergänglichkeit
„Das Besondere der Ausstellung“, ergänzt Elisabeth Voggeneder, „ist die spannende Gegenüberstellung von kleinformatigen Druckgrafiken und monumentalen Gemälden, die gleichermaßen den recht wienerischen Blick von Zens und Frohner auf die Themen Tod und Lust widerspiegeln.“
Das Werk beider Künstler wurde bestimmt vom Wissen um die Vergänglichkeit. Ein früher Herzinfarkt im Jahr 1977 konfrontierte Herwig Zens schon in jungen Jahren mit dem Tod, der zu seinem ständigen Begleiter wurde. Zens betrachtete ihn auch mit einem Augenzwinkern, wie eine im Katalog nachlesbare Anekdote aus seinem Atelier bezeugt: Er hatte über lange Jahre einen Sarg in seinem Arbeitsraum stehen, an dem er seine Pinsel abwischte. Der Sarg wurde so nach und nach zu einer farbigen Skulptur transformiert, die ein Highlight der Ausstellung ist.