Nitsch-Symphonie
ORF/Reinhard Linke
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Kultur

Postumes Nitsch-Konzert zum 85. Geburtstag

Mit einem Konzert im Wiener Musikverein ist am Dienstag des im Vorjahr verstorbenen Aktionskünstlers Hermann Nitsch gedacht worden. Damit darf Nitsch, der zu seinen Lebzeiten vorwiegend für seine bildende Kunst berühmt war, nun auch in der Musik als etabliert gelten.

Mit der Aufführung einer gekürzten Fassung seiner 9. Symphonie (2009) im Wiener Musikverein wurde eine von Hermann Nitsch’ Kompositionen erstmals auch in einem klassischen „Musiktempel“ gespielt. Das Konzert fand anlässlich des 85. Geburtstags des Aktionskünstlers statt.

Im ersten Teil bemühte es sich um eine Kontextualisierung seines musikalischen Schaffens: Das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter Leitung von Patrick Hahn spielte zunächst Werke von spätromantisch-avantgardistischen Komponisten, die den Aktionisten beeindruckt und beeinflusst hatten. Aufgeführt wurden Sechs Stücke für Orchester op. 6 von Anton Webern, Richard Wagners Vorspiel zu „Tristan und Isolde“ sowie Alexander Skrjabins „Le Poème de l’Extase“.

Nahezu wehmütig erinnerte ORF-Musikjournalist Albert Hosp in Erläuterungen an die turbulenten Umstände der Uraufführung der Webern-Stücke, bei der es 1913 im Musikverein zu Ausschreitungen gekommen war.

Nitsch-Symphonie
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Im Wiener Musikverein wurde des verstorbenen Aktionskünstlers Hermann Nitsch mit einem Konzert gedacht

Orchestrale Klangteppiche und Marschmusik

Im zweiten Teil gab das niederösterreichische Orchester eine von zwei Stunden auf 40 Minuten verkürzte Fassung der 9. Symphonie des Aktionskünstlers, die 2009 im ihm gewidmeten Museum in Mistelbach uraufgeführt worden war. An Proteste à la 1913 war am Dienstag nicht mehr zu denken, obwohl die Symphonie wenig mit klassischen Vorstellungen zu tun hatte und passagenweise eher an avancierte elektronische Experimentalmusik erinnerte.

Denn Nitsch war mehr an Klangeffekten als an Harmonien interessiert, er schuf Klangteppiche, auf die er langsam neue Schichten auftrug. Zum Einsatz kamen aber nicht nur die Mitglieder eines klassischen Orchesters, sondern auch die Musikkapelle Zellerndorf (Bezirk Hollabrunn), die auch mit traditioneller Marschmusik durch den Großen Saal schritt und für etwas Volksfeststimmung sorgte. Für Orchester und Kapelle gab es schließlich anhaltenden und begeisterten Applaus.

Konzert als postumer „Herzenswunsch“

Ganz einfach fiel die Rezeption von Nitsch’ Musik nicht allen. Bei einem Empfang kurz vor dem Konzert hatte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) auf die Frage nach ihrer Einstellung zu seiner Musik diplomatisch geantwortet, dass die Einschätzung „Das ist keine Schrammelmusik“ zutreffend sei. Gleichzeitig betonte sie, dass es Nitsch mit seiner Musik gelungen sei, zu traditionellen Musikkapellen und zur örtlichen Bevölkerung eine Brücke zu bauen.

Keinen Zweifel ließ die in der niederösterreichischen Landesregierung für Kultur zuständig Politikerin dabei an der offiziellen Wertschätzung für Nitsch’ Werk. „Mit dem Erklingen seiner Musik im Musikverein erfüllen wir ihm postum einen Herzenswunsch“, sagte Mikl-Leitner.