AUA-Vorstandsvorsitzende Annette Mann
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Wirtschaft

AUA-Chefin: „Inflation macht uns zu schaffen“

Die Luftfahrt boomt wie kaum zuvor. Auch die AUA flog heuer starke Zuwächse ein. AUA-Chefin Annette Mann rechnet mit einem weiteren Wachstum in der Branche, sieht in Österreich aber auch Baustellen: „Die höhere Inflation macht uns sehr zu schaffen“.

Die Austrian Airlines (AUA) erzielten im dritten Quartal ein deutliches Plus: So stieg der Umsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum um acht Prozent auf 741 Mio. Euro und das Betriebsergebnis (Ebit) um 19 Prozent auf 128 Mio. Euro. Die Fluglinie beförderte mit 4,46 Mio. in etwa so viele Passagiere wie vor der Krise und um elf Prozent mehr als im dritten Quartal 2022.

Die wichtigen Fäden bei der Lufthansa-Tochter werden in Frankfurt gezogen. Um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, müsse man aber am Standort in Wien-Schwechat die Rahmenbedingungen weiterentwickeln, so AUA-Vorstandsvorsitzende Annette Mann. „Österreich hat da schon ein paar Baustellen“, spricht sie u.a. die höhere Inflation in Österreich an, die der AUA „sehr zu schaffen“ mache.

Im Interview mit Thomas Birgfellner ging es zudem um die Auswirkungen der aktuellen Kriege und Krisen auf die Luftfahrt, die Frage, wie klimaneutral das Fliegen sein kann, und warum die AUA in den kommenden Jahren ein weiteres großes Wachstum erwartet.

noe.ORF.at: Klimaschützer sehen in der Fliegerei einen der größten Klimasünder und fordern von der Politik deutlich höhere Kerosinpreise. Wenn das umgesetzt wird, würde das für die Fliegerei in Europa das Ende der großen Airlines bedeuten?

Annette Mann: Das kommt sehr stark darauf an, wie man so etwas umsetzen würde. Wenn die Luftfahrt klimafreundlicher werden möchte, wird das nicht zum Nulltarif gehen. Das wird Geld kosten. Für uns als Airlines ist ganz wichtig, dass – wenn man das umsetzt, egal ob es um nachhaltiges Kerosin oder den Emissionshandel geht – wir das auf eine Art und Weise tun, dass es fair für alle Beteiligten ist.

Das heißt also, nicht nur fair für alle Airlines innerhalb Europas, sondern im internationalen Wettbewerb über Europa hinaus. Insofern sollte es immer Lösungen geben, die auch unsere Wettbewerber jenseits von Europa genauso miteinbeziehen. Falls das nicht so kommt, dann ist es tatsächlich ab einem bestimmten Zeitpunkt existenzgefährdend.

noe.ORF.at: Inwieweit kann die Fliegerei überhaupt grün, klimaneutral oder klimafreundlich sein?

Mann: Es braucht gar keine völlig neuen Lösungen. Es gibt auf der Welt ungefähr 27.000 Flugzeuge und die allermeisten könnte man schon heute mit nachhaltigem Fuel betreiben, das heißt also mit Kraftstoff, der nicht mehr von Rohöl kommt, sondern aus erneuerbaren Energien und CO2 aus der Luft gemacht wird. Das vertragen diese Flugzeuge, das kann man beimischen.

Das Problem heute ist noch, dass es von diesen Kraftstoffen noch viel zu wenig gibt. Das ist genau die Aufgabe für die nächsten Jahre und wahrscheinlich Jahrzehnte, dass man davon weltweit genügend produziert, dass es für die Luftfahrt reicht. Aber es braucht keine großen Träumereien mehr. Rein technisch könnte man es schon heute umsetzen.

noe.ORF.at: Die Luftfahrt ist eine der sensibelsten Branchen überhaupt. Jede Krise, jeder Krieg macht sich sofort im Geschäft bemerkbar. Stichwort Ukraine und Israel – inwieweit schätzen Sie, dass sich das auch noch auf die folgenden Monate beim Geschäft in der Luftfahrt auswirkt?

Mann: Wir sind immer vorne dabei, wenn es um die Krisen und Auswirkungen geht. Wir haben den Ukrainekrieg sehr stark gemerkt. Wir hatten ursprünglich sechs Destinationen in der Ukraine, sind auch Moskau geflogen. Alles, was wir an Kapazität im Markt haben oder hatten, haben wir inzwischen auf andere Destinationen umgestellt. Vieles davon nutzen wir inzwischen als Kapazität, um zum Beispiel mehr an die Mittelmeerdestinationen zu fliegen.

Bei Israel ist es gerade ein bisschen anders gelagert. Wir hoffen, dass sich der Konflikt nicht ganz so lange zieht. Momentan fliegen wir Tel Aviv aus Sicherheitsgründen nicht an. Wir wissen nicht, wann wir das wieder aufnehmen können. Aber wir hoffen, dass wir zumindest diese Destinationen auch in absehbarer Zeit wieder anfliegen können.

Sollte das nicht der Fall sein, dann werden wir uns überlegen müssen, wie wir die Kapazität am Ende umplanen. Wir finden immer irgendwelche Lösungen, aber die Krisenherde der Welt, wo wir nicht mehr hinfliegen können, sind leider in den letzten zwei Jahren immer mehr geworden.

noe.ORF.at: In Corona-Zeiten haben viele gesagt, dass die Luftfahrt nicht mehr so sein wird, wie sie vor Corona war. Irgendwie hat man jetzt den Eindruck, das Gegenteil ist der Fall. Volle Flughäfen, noch vollere Flugzeuge. Wie lange, glauben Sie, hält dieses Wachstum an?

Mann: Wir glauben, dass die Luftfahrt global gesehen noch vor einem sehr großen Wachstum stehen würde. Wenn wir nur Europa hernehmen – selbst da sehen wir noch ein Wachstum, das daraus resultiert, dass viele Menschen, Familien und Freundeskreise heutzutage viel internationaler verteilt sind, als das noch vor ein paar Jahrzehnten der Fall war.

Wir sehen zwar auf der einen Seite eine Abnahme von Geschäftsreisen – das ist nach der Pandemie so nicht wiedergekommen, uns fehlen noch ungefähr 20 Prozent. Aber die Nachfrage nach Privatreisen hat extrem zugenommen. Ich glaube, viele unterschätzen, wie wir auf der Welt immer mehr vernetzt sind. Das wird sicherlich weltweit gesehen noch zunehmen.

Dritte Piste: „Momentan bräuchten wir sie nicht“

noe.ORF.at: Ist Ihrer Meinung nach weiterhin eine dritte Piste in Schwechat notwendig?

Mann: Das ist eine gute Frage, die wir uns immer wieder auch zusammen mit dem Flughafen anschauen. Momentan bräuchten wir sie nicht. Wir haben es jetzt nach Corona tatsächlich geschafft, mit weniger Flugzeugen und weniger Flugbewegungen mehr Passagiere zu transportieren. Da ist immer noch ein bisschen Luft im System. Aber das ist sicherlich eine Frage, die man sich längerfristig anschauen muss und die wahrscheinlich in den nächsten ein, zwei Jahren wieder auf die Agenda kommt.

noe.ORF.at: Die AUA ist eine 100-prozentige Lufthansa-Tochter. Das heißt, die strategischen Fäden werden in Frankfurt gezogen. Inwieweit gibt das dem Standort Wien-Schwechat Sicherheit?

Mann: Als ich nach Wien gegangen bin, wurde mir prophezeit, dass die AUA einen ganz schweren Stand in Frankfurt hat. Das kann ich so überhaupt nicht bestätigen. Die Lufthansa war sofort dabei, als es im letzten Jahr hieß, ob sie die Refinanzierung unterstützt, sodass wir den Staatskredit frühzeitig zurückzahlen konnten. Anfang des Jahres wurde in Milliardeninvestitionen entschieden, um unsere komplette Langstreckenflotte zu erneuern. Es läuft gerade sehr gut. Wir sind momentan die Pünktlichsten und Zuverlässigsten im Konzern, haben die besten Kundenfeedbacks, sehr zufriedene Mitarbeiter. Wenn wir das weiter so gut hinkriegen, unser Kostenmanagement im Griff behalten, weiterhin gute Reviews erzielen, dann haben wir eine gute Zukunft.

Es kommt aber schon ein Stück weit auf uns an. Das heißt, es ist sicherlich eine große Aufgabe für uns, hier am Standort gemeinsam mit allen Stakeholdern die Rahmenbedingungen so weiterzuentwickeln, dass wir hier weiter wirtschaftlich erfolgreich sein können. Österreich hat da schon ein paar Baustellen. Was uns sehr zu schaffen macht, ist die anhaltend höhere Inflation in Österreich. Jeder Prozentpunkt Differenz zur Eurozone macht bei uns schnell 25 Millionen Euro Extrakosten aus. Die muss man erst mal wieder irgendwo reinholen. Das ist nur einer von vielen Faktoren, wo man schon hier am Standort schauen muss, dass wir das Kostenmanagement im Griff behalten und international wettbewerbsfähig bleiben.