Synagoge Gänserndorf, November 2023
ORF/Nina Pöchhacker
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Chronik

Gänserndorf: Zukunft der Synagoge offen

Jahrelang ist die Stadt Gänserndorf gegen den Denkmalschutz der früheren Synagoge und des Rabbinerhauses im Ort gerichtlich vorgegangen. Der Schutzstatus wurde nun letztinstanzlich bestätigt, aber was mit den Gebäuden geschieht, ist weiterhin unklar.

Viel sieht man nicht von der früheren Synagoge. Ein Verschlag aus Holz versperrt die Sicht – um die Synagoge aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verdrängen, sagen Kritiker, um das Gebäude vor Vandalismus und Müll zu schützen, sagt der Bürgermeister. Die Diskussion um den Denkmalschutz beginnt 2018, als der Abriss für Synagoge und Rabbinerhaus im Terminkalender steht.

Geplant war, auf dem Grundstück zur Hälfte einen Parkplatz zu errichten, die andere Hälfte hätte ein Gedenkort werden sollen, sagt Bürgermeister Rene Lobner (ÖVP) heute. Das Bundesdenkmalamt schützte die Gebäude damals und es folgte eine fünf Jahre lange Auseinandersetzung vor Gericht. Die Gemeinde beeinspruchte als Eigentümerin den Schutzstatus mehrmals.

Nun sind alle Instanzen ausgeschöpft – der Verwaltungsgerichtshof hat den Denkmalstatus im August letztinstanzlich bestätigt. Dass auch der letzte Weg bis zum Verwaltungsgerichtshof gegangen wird, dafür stimmten in der Gemeinderatssitzung im Juni alle Parteien außer den Grünen.

Die letzten jüdischen Relikte

„Es ist oft so bei diesen Gebäuden, dass da viel mehr vorhanden ist, als man mit freiem Auge sieht“, sagt Kunsthistoriker Paul Mahringer vom Bundesdenkmalamt. Er begutachtete die Synagoge mehrmals. Die Kombination aus Synagoge mit Rabbinerhaus sei eine der letzten in Österreich. „Die Besonderheit besteht darin, dass Synagogen ursprünglich in Hinterhöfen waren, die hier steht prominent an der Vorderseite, das Rabbinerhaus an der Rückseite, es ist genau umgekehrt“, führt Mahringer aus.

Synagoge Gänserndorf, November 2023
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Direkt an der Straße, hinter einer Wand aus Spanplatten, steht die Synagoge. Hier wurde im November auch der Opfer der Pogrome 1938 gedacht.

Erhalten ist auch noch die Toranische, wo Torarollen aufbewahrt wurden. „Da ist auch noch die Originalfarbe, das könnte rekonstruiert werden“, so der Experte. Wegen der Einsprüche und Stellungnahmen bezeichnet man den Fall um die Synagoge Gänserndorf im Bundesdenkmalamt als außergewöhnlich lang, im Durchschnitt würden ähnliche Verfahren etwa ein Jahr dauern.

Rituale und religiöse Feste im Freien gefeiert

Wegen der Länge habe man aber regelmäßig Gutachten angefertigt und sei so draufgekommen, dass auch der Boden zwischen den Gebäuden schutzwürdig ist: „Die Freifläche ist vermutlich für religiöse Zwecke genützt worden. Es ist auch davon auszugehen, dass bei den Novemberpogromen 1938 die Inneneinrichtung im Innenhof verbrannt oder vergraben wurde. Da können sich noch Reste unterhalb des Schutts befinden.“

Zusammenfassend handelt es sich also um „ein Denkmal, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutes bedeuten würde“ – so steht es im Gutachten. All das, was Gutachter Mahringer hinter der in die Jahre gekommenen, langsam von Efeu überwucherten Fassade sieht, ist in Gänserndorf aber wenig bekannt.

„Wenig Wahrnehmung“ als ehemalige Synagoge

Die frühere Israelitische Kultusgemeinde Gänserndorf mit etwa 300 Mitgliedern gab es nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust nicht mehr. Die Stadt besitzt die Gebäude seit den 1950ern. Genützt wurden sie schon als Musikschule, als Kindergarten und Jugendzentrum. Wegen der Lage an einer der wichtigsten Durchzugsstraßen, kam schon unter Vorgängern von Bürgermeister Lobner die Idee für den Parkplatz auf.

Wieso hat er im Namen der Gemeinde den Schutzstatus so oft beeinsprucht? „Die wenigsten haben dieses Gebäude in der Vergangenheit als ehemalige Synagoge wahrgenommen. Es ist ja auch in keinster Weise mehr das Objekt wie es einmal war. Aber wir stehen zum Gedenken, wir wollen auch in keinster Weise die jüdische Geschichte ausradieren“, so Lobner, der auch den jüdischen Friedhof erwähnt, um den sich die Stadt kümmere.

Historiker vermisst Geschichtsbewusstsein

„Wenn ich diese Geschichte auf Tagungen, auch auf internationalen Tagungen erzähle, da fallen mir die Leute aus den Sesseln“, sagt Christoph Lind, Historiker am Institut für jüdische Geschichte in St. Pölten, der die Diskussion um die Synagoge mitverfolgte. „Es ist traurig, dass es die Instanzen und das Bundesdenkmalamt dazu gebraucht hat, obwohl es eigentlich grundsätzlich eine politische Entscheidung vor Ort sein sollte, über die es nicht nötig ist, nachzudenken“, so Lind gegenüber noe.ORF.at.

Lind verweist in diesem Zusammenhang auf das Arbeitsübereinkommen der ÖVP-FPÖ-Koalition in Niederösterreich. Dort ist von der „Stärkung des jüdischen Gemeinde- und Kulturlebens“ die Rede, ebenso von der „Erhaltung und Erneuerung der Synagogen“. Lind dazu: „Auch vor diesem Hintergrund scheint mir diese Diskussion absurd zu sein.“

Fotostrecke mit 2 Bildern

Synagoge Gänserndorf, Vogelperspektive, denkmalgeschützte Freifläche
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Hinterseite der Synagoge und die Freifläche, die ebenfalls geschützt ist
Rabbinerhaus Gänserndorf, Vogelperspektive
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Das Rabbinerhaus mit einem Zubau aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der nicht unter den Denkmalschutz fällt

Noch keine Pläne für Nutzung

Geschützt sind die Gebäude nun – aber passiert jetzt etwas? Die Entscheidung des Gerichts werde man „selbstverständlich akzeptieren“, sagt Bürgermeister Lobner, aber „die Unterschutzstellung heißt ja nur, dass es nicht abgerissen werden darf oder kann.“ Es werde bald an einem Konzept gearbeitet, „das muss nicht von heute auf morgen sein, wir werden hier mit Bundesdenkmalamt, Bund und Land eine gute Lösung finden“, verspricht der Landtagsabgeordnete, der im Zeitraum der Beschwerden gegen den Denkmalschutz auch Obmann des Kulturausschusses im Landtag war.

Von einer Sanierung will er explizit noch nicht sprechen, das sei auch für das nächste Jahr nicht budgetiert worden. Die Israelitische Kultusgemeinde Wien spricht sich jedenfalls für eine kulturelle Verwendung oder für Bildungszwecke aus und der früheren jüdischen Gemeinde müsse gedacht werden. Die Grünen brachten im letzten Gemeinderat Ende Juni einen Antrag auf Sanierung ein und wollten auch einen Arbeitskreis, der über die Nutzung der Gebäude beraten soll. Beide Anträge wurden von allen anderen Parteien abgelehnt.