Mädchen schaut auf Handy
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Gesundheit

Bildschirme: Wann es für Kinder schädlich wird

Der Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen sorgt in vielen Familien für regelmäßige und teils heftige Diskussionen. Studien zeigen, dass ein Großteil länger vor Bildschirmen sitzt, als von Experten empfohlen. Dadurch erhöht sich das Risiko einer verzögerten Entwicklung.

Sich in der Natur bewegen, im Schnee herumtoben oder drinnen etwas basteln oder bauen – all das sollte fixer Bestandteil im Leben eines Kindes sein. Doch auch elektronische Geräte lassen sich nicht völlig aus dem Alltag verbannen. Für digitale Medien darf deshalb auch Platz sein, sagen Experten. Die Frage sei vielmehr, wie viel Zeit Kinder vor dem Bildschirm verbringen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat klare Empfehlungen zur Freizeitgestaltung von Kindern: Bis zum Alter von einem Jahr sollten Babys auf Bildschirmzeit ganz verzichten. Dafür wird empfohlen, die Kinder mehrmals täglich auf dem Boden spielen zu lassen. Kinder von ein bis vier Jahren sollten maximal eine Stunde vor dem Bildschirm verbringen und sich mindestens drei Stunden aktiv bewegen.

Empfehlung Bildschirmzeit Kinder GRAFIK
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Bis zu einem Jahr sollten Kinder laut WHO-Empfehlung überhaupt nicht vor einem Bildschirm sitzen

Viele Kinder sitzen zu oft vor Bildschirmen

Aktuelle Studien zeigen hingegen, dass ein Großteil länger vor Bildschirmen sitzt, als von Experten empfohlen wird. Wissenschafter befragten dafür etwa 7.000 Mütter zum Medienverhalten ihrer einjährigen Kinder sowie zu ihrer Entwicklung mit zwei Jahren. Demnach verbringt nur knapp die Hälfte der Einjährigen weniger als eine Stunde vor dem Bildschirm.

Ein knappes Drittel nutzt elektronische Medien laut der Studie ein bis zwei Stunden pro Tag, bei etwa einem Fünftel sind es bis zu vier Stunden, bei vier Prozent sogar mehr als vier Stunden pro Tag. Das erhöht laut Experten das Risiko einer verzögerten Entwicklung und zwar sowohl bei der Kommunikation und Feinmotorik, als auch bei der Fähigkeit Probleme zu lösen und soziale Kompetenzen zu entwickeln.

Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter räumen jedoch ein, dass es auch auf die Art der Bildschirmzeit ankommt. Kinder die beispielsweise Lernspiele über das Tablett konsumieren, verbessern dadurch ihre Sprachfähigkeit. Worauf man bei den Inhalten konkret achten sollte, dazu war Angela Riegler-Mandic von der niederösterreichischen Fachstelle für Suchtprävention zu Gast in „Niederösterreich heute“.

Veronika Berger Angela Riegler-Mandic niederösterreichische Fachstelle für Suchtprävention
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Angela Riegler-Mandic von der niederösterreichischen Fachstelle für Suchtprävention (re.) im Gespräch mit Veronika Berger

noe.ORF.at: Wir wissen, dass Handyspiele und ähnliches gewisse Areale im Gehirn ansprechen. Das ist sehr ähnlich wie bei einer Sucht. Heißt das jetzt, wenn Kinder zu früh und zu viel Medien konsumieren, dass diese Areale beansprucht werden?

Angela Riegler-Mandic: Ja, diese Areale werden beansprucht und werden beschäftigt. Man spricht von einem Suchtgedächtnis, das sich aufbauen kann. Und je früher man damit beginnt, umso stärkere Ausprägung kann das natürlich annehmen.

noe.ORF.at: Wenn ich das als Elternteil weiß, ist es dann sinnvoll, Kinder mit dem Handyspielen zu belohnen?

Riegler-Mandic: Also weder Belohnungen noch Bestrafungen erachte ich als sinnvoll, weil es dann einen besonders hohen Stellenwert im Alltag des Kindes bekommt.

noe.ORF.at: Das heißt, Sie sind auch dagegen, dass ich zum Beispiel meinem Kind oder meiner Jugendlichen das Handy wegnehme?

Riegler-Mandic: Es sollte nicht als Druckmittel verwendet werden.

noe.ORF.at: Ist nicht ganz vieles von dem obsolet, wenn ich als Mutter selbst sehr viel Zeit am Handy verbringe?

Riegler-Mandic: Vorbilder wirken. Das heißt, die Kinder schauen sich ganz viel ab von den Eltern. Und je jünger sie sind, umso mehr. Das heißt, man sollte auch als Elternteil sich an gewisse Regeln halten, wie zum Beispiel medienfreie Orte oder medienfreie Zeiten.

noe.ORF.at: Wenn ich jetzt das Gefühl habe, mein Kind hat einen zu hohen Medienkonsum, woran erkenne ich die Grenze, ob es jetzt einfach nur ausartet oder wirklich schon schädlich wird?

Riegler-Mandic: Man muss das Kind ganz gut beobachten und wenn man feststellt, dass das Kind längere Zeit aufgedreht ist oder angespannt ist, dann kann das ein Hinweis darauf sein, dass die Inhalte nicht passend waren für das Alter oder dass die Mediennutzung zu lange gedauert hat.

noe.ORF.at: Jetzt wissen wir aber, dass das eine Entwicklung ist, die nicht mehr aufzuhalten ist. Manche Eltern wollen ihre Kinder dennoch sehr lange davon fernhalten. Ist das überhaupt sinnvoll?

Riegler-Mandic: Ich erachte es als sinnvoll, dass man Kinder begleitet, die jünger sind. Umso mehr Aufmerksamkeit brauchen sie und Orientierung brauchen sie in der Mediennutzung. Sie haben ja noch keine Lebenserfahrung damit. Und da ist es wichtig, dass Eltern unterstützen und sich gemeinsam mit ihnen zum Beispiel Medien anschauen, dass sie die Medien gemeinsam entdecken. Da können Eltern zum Beispiel Fernsehsendungen oder Videoclips aussuchen, sich gemeinsam ansehen und dann über das Gesehene sprechen. Und so kann man sie langsam heranführen an die richtige Nutzung von digitalen Medien.

noe.ORF.at: Sind da nicht auch vielleicht Schulen gefragt, in der Medienbildung mehr zu machen?

Riegler-Mandic: Ja, auch dort haben digitale Medien natürlich einen hohen Stellenwert und auch dort ist es sinnvoll, entsprechend Workshops oder Unterstützung anzubieten.

noe.ORF.at: Jetzt kann es ja passieren, dass Kinder und Jugendliche mit Inhalten in Berührung kommen, die gefährlich sind – von Gewalt bis Pornografie. Wie reagiere ich denn, wenn ich merke, dass es passiert?

Riegler-Mandic: Man kann das einmal als Anlass nehmen, um mit einem Kind über diese Medien zu sprechen, über die Inhalte zu sprechen und eventuell Regeln festzulegen. Mit einem Medienverbot zu drohen ist da irgendwie kontraproduktiv, weil man möchte auch, dass die Kinder später bei unangenehmen Situationen nach wie vor zu den Erwachsenen, zu den Eltern kommen und um Hilfe bitten und Unterstützung bitten.

noe.ORF.at: Weihnachten steht vor der Tür. Kann ich trotzdem ohne schlechtes Gewissen zum Beispiel eine Konsole oder Videospiele schenken?

Riegler-Mandic: Ja, das kann man. Das Wichtige daran ist, dass das Kind nach wie vor die Möglichkeit hat, sich im realen Leben auszuprobieren. Dass es die Möglichkeit hat, seine Lebenskompetenzen wie zum Beispiel Konfliktlösungen oder Kommunikationsfähigkeit auch im realen Leben zu erproben und somit dann auch digitale Inhalte einzuordnen.