Schlafplatz für Jugendliche in Krisensituationen
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CHRONIK

Auffangnetz für Jugendliche in Not

Die meisten jungen Menschen verbringen die Feiertage wohl mit Familie und Freunden. Jugendliche in Krisensituationen dagegen haben diese Möglichkeit oft nicht. Eine Anlaufstelle für Betroffene in Niederösterreich ist die Emmaus-Notschlafstelle COMePASS in St. Pölten.

Die Aufnahme ist unkompliziert, auf Wunsch bleibt der Gast zu Beginn auch anonym. Doch leicht fällt der Weg in die Notschlafstelle keinem, sagt der Geschäftsführer der Emmausgemeinschaft St. Pölten, Karl Langer. „Es ist für die Menschen selbst, besonders für junge Menschen, eine Hürde, sich einzugestehen, dass die Lebenssituation so ist, dass man nicht einmal einen Ort der Ruhe, einen Ort der Sicherheit hat und auf einen solchen Platz angewiesen ist“, sagt er.

Die meisten Jugendlichen sind nicht obdachlos, sondern werden zuhause hinausgeschmissen oder haben in der Einrichtung, in der sie sind, ein Hausverbot, erklärt der Leiter der Emmaus-Jugendnotschlafstelle COMePASS, Bernhard Klemt. „Was alle so ein bisschen gemeinsam haben, ist, dass sie kein tragfähiges Netz an Beziehungen haben. Da gibt es keine Verwandten, Bekannten oder vielleicht Großeltern, wo sie eine allfällige Krise überbrücken könnten und da müssen wir als Netz eingreifen.“

„Nehmen jeden, wie er kommt“

Die Emmaus-Notschlafstelle COMePASS versteht sich als niederschwellige Einrichtung. Das heißt, der Zugang ist einfach: Jugendliche können täglich zwischen 19.00 Uhr und 9.00 Uhr kommen, ohne sich vorher anzumelden. In der Notschlafstelle bekommen sie ein warmes Bett und etwas zu essen, können duschen und ihr Gewand waschen.

Bis zu einem Aufenthalt von drei Wochen genügt es, sich an die Hausordnung zu halten, danach gibt es ein sogenanntes „Clearinggespräch“. Dabei werden die möglichen Perspektiven und Ziele insbesondere im Hinblick auf die Wohnsituation erarbeitet. Bleiben kann man bis zu drei Monate lang, manchmal auch länger.

Schlafplatz für Jugendliche in Krisensituationen
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In der Notschlafstelle wird den Jugendlichen ein warmes Bett zur Verfügung gestellt

Klemt erzählt von einer Minderjährigen, die 2022 für ein halbes Jahr in der Jugendnotschlafstelle untergebracht war, weil es keine andere Lösung gab. Ihr Schicksal steht exemplarisch für viele andere. „Sie war von Anfang an ein ungewolltes Kind und man hat ihr das auch vermittelt. Sie war immer wieder zuhause bei der Mutter und hat dort in einer Abstellkammer geschlafen. Die Beziehung war einfach sehr belastet“, so Klemt.

Das Mädchen habe sich in den Einrichtungen, in denen es später untergebracht wurde, gemobbt gefühlt, habe aber auch selbst gerne „ausgeteilt“. Schließlich sei es gelungen, die junge Frau in die begleitete Verselbstständigung zu vermitteln – ein Projekt, bei dem Jugendliche eine eigene Wohnung bekommen und dort betreut werden. „Wir begleiten so gut wir können und nehmen jeden so, wie er kommt.“

Zahl vernachlässigter Kinder nimmt nicht ab

Die Emmausgemeinschaft ist in Niederösterreich die einzige Institution, die Notschlafstellen für Erwachsene und Jugendliche betreibt. Für St. Pölten reiche das Angebot derzeit, heißt es, aber man blicke manchmal auch in andere Regionen Niederösterreichs. Da könne es stellenweise schon noch Bedarf geben, meint Geschäftsführer Langer.

Denn die Zahl jener Fälle, bei denen sich Eltern nicht ausreichend um ihre Kinder kümmern, nehme nicht ab. „Im Bezug auf Vernachlässigung ist es oft so, dass junge Erwachsene oder auch Minderjährige zu uns kommen, die einfach niemandem abgehen, die jedem egal sind“, erzählt COMePASS Leiter Klemt.

Die Jugendnotschlafstelle gibt zumindest kurzfristig den notwendigen Halt. Aktuell sind hier pro Nacht durchschnittlich fünf Jugendliche untergebracht. Sie kommen aus allen Teilen Niederösterreichs. Insgesamt zwölf Schlafplätze stehen zur Verfügung. Doch selbst wenn alle Betten voll sind: abgewiesen wird hier niemand, ganz egal, welches Schicksal er mitbringt.