Trickbetrüger am Telefon
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Chronik

Falsche Polizisten schlagen oft zu Weihnachten zu

Betrugsdelikte mit falschen Polizisten nehmen seit zwei Jahren in Österreich stark zu. Die Kriminellen nutzen gerne die Weihnachtsfeiertage. „Die Polizei holt niemals Vermögenswerte zur Sicherung ab“, sagt LKA-Chefermittler Johannes Zöchbauer im Interview.

2022 und 2023 registrierten die Behörden österreichweit 1.572 Versuche, dass falsche Polizisten ihren Opfern Geld oder Wertgegenstände abnehmen wollten. In 290 Fällen gelang den Tätern dies auch. Der Schaden beläuft sich pro Delikt durchschnittlich auf rund 25.000 Euro. Eine Frau übergab Schmuck im Wert von zwei Millionen Euro in einem Koffer. Für 2022 gab das Ministerium eine Gesamtschadenssumme von 15 Millionen Euro an, 2023 werden es vorläufig 19,4 Millionen sein.

Die Täter setzen die Opfer bei ihrem Vorgehen unter enormen psychischen Druck. So geben sie sich am Telefon entweder als Richter, Staatsanwalt oder Polizist aus und behaupten, dass ein naher Verwandter im Ausland einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht habe und nun rasch eine größere Geldsumme für eine Kaution aufzubringen sei oder dass Geld- und Wertgegenstände auf der Bank nicht mehr sicher seien. Diese würden dann zeitnah von einem Polizisten abgeholt werden.

Chefermittler: „Sofort auflegen und 133 wählen“

Im Interview mit Werner Fetz erklärt der Leiter des Ermittlungsbereiches Betrug im Landeskriminalamt Niederösterreich, Johannes Zöchbauer, wie man derartige Betrüger erkennen kann, wie die Banden ihre Opfer aussuchen und welche präventiven Maßnahmen sich die Kriminalisten wünschen.

noe.ORF.at: Herr Zöchbauer, die Zahlen klingen erschreckend, auch die Dunkelziffer, die man vermutet. Wie reagiert man richtig? Sofort auflegen?

Johannes Zöchbauer: Grundsätzlich ist es nie verkehrt, wenn man sich unsicher fühlt, wenn man gleich auflegt und entweder einen Verwandten anruft, zum Nachbarn geht oder den Notruf 133 wählt. Sollte die Polizei wirklich in der Leitung gewesen sein, wird sie sich wieder melden oder eine Streife vorbeischicken. Man kann nichts falsch machen, wenn man sich unsicher fühlt und auflegt.

Die Vorgangsweisen klingen sehr professionell. Wer steckt dahinter? Ist es für einen Laien überhaupt möglich, die Absicht oder die Betrügereien zu erkennen?

Zöchbauer: Dahinter stehen ausgeklügelte, organisierte Kriminelle. Teilweise agieren sie aus der Türkei oder aus Polen. Es ist sehr schwierig, zu erkennen, aber man kann sich sicher sein, dass die Polizei keine Vermögenswerte per Telefon abfragt und auch keine Vermögenswerte jemals zur Sicherung abholt.

Eine Masche soll auch sein, dass die Anrufer sagen, dass man auf keinen Fall auflegen soll. Das heißt: Trotzdem auflegen und die Polizei anrufen?

Zöchbauer: Es ist natürlich eine Taktik der Täter, dass sie schauen, dass die Opfer am Telefon bleiben und nicht nachdenken oder reagieren können. Sie wollen die Opfer in der Leitung halten. Aber wie gesagt: Wenn man unsicher ist, ist es besser, man legt einmal öfter auf als zu wenig.

Johannes Zöchbauer, Leiter des Ermittlungsbereiches Betrug im Landeskriminalamt Niederösterreich
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„Besser man legt einmal zu viel auf als zu wenig“, so Johannes Zöchbauer vom Landeskriminalamt im „NÖ heute“-Interview

Was kann man im Vorfeld präventiv tun? Wie suchen die Täter ihre potenziellen Opfer aus? Hilft es, wenn man sich eine neue Telefonnummer nimmt oder eine Geheimnummer, die nicht im Telefonbuch steht?

Zöchbauer: Die Täterschaften suchen sich älter klingende Vornamen aus dem Online-Telefonbuch heraus und grenzen diese in einen Bereich – einen Bezirk oder eine Stadt – ein und wählen die Festnetznummer. Wenn man eine Geheimnummer hat, ist man auf der sicheren Seite. Ganz gut wäre – jetzt, wo das Weihnachtsfest ansteht – dass in der Familie mit den älteren Familienmitgliedern geredet wird und man sie darauf hinweist, dass sie, sollten sie angerufen werden, auflegen sollen und selbst den Sohn, die Tochter oder den Polizeinotruf anrufen sollen.

Was machen diese Deliktformen mit den Opfern? Wie verunsichert bleiben sie zurück?

Zöchbauer: Viele Opfer haben ein großes Schamgefühl. Sie sind traurig, verunsichert gegenüber der Polizei. Sie wissen nicht, warum sie auf so eine Masche reingefallen sind, können das selbst nicht verstehen und schämen sich auch vor den Familienmitgliedern. Ich kann dazu aber nur sagen: Es braucht sich niemand zu schämen. Die Täter wirken sehr professionell und agieren leider Gottes richtig gut.

Ist diese Betrugsform ein österreichisches Phänomen oder passiert das aktuell in ganz Europa?

Zöchbauer: Dieses Phänomen kommt vorwiegend im deutschsprachigen Raum vor, also in Österreich, Deutschland und in der Schweiz. Hier gibt es die größten Fallzahlen, soweit uns das bekannt ist.