Interview Abt Georg Wilfinger
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„Interview am Samstag“

Abt Wilfinger: „Kirche sollte mehr Schritte tun“

Seit über zwei Jahrzehnten ist Georg Wilfinger Abt des Stiftes Melk. In der Sendereihe „Interview am Samstag“ war er zu Gast bei ORF-NÖ-Chefredakteur Benedikt Fuchs. Dabei sprach er über die Kirche, die sich mehr öffnen sollte, und über seine Weihnachtsbotschaft.

Es sei eine tolle Sache, dass in der katholischen Kirche „ein bisschen was weitergeht“, sagt Abt Georg Wilfinger hinsichtlich der Tatsache, dass Papst Franziskus Anfang der Woche den Weg für die Segnung homosexueller Paare in der katholischen Kirche unter bestimmten Bedingungen ebnete. Dennoch könnte die Kirche noch mehr Schritte tun, so der Abt. Zudem erzählt er im Interview, wie sein persönliches Weihnachten aussieht und welche Botschaft er an alle aussenden will.

noe.ORF.at: Abt Georg Wilfinger, Papst Franziskus hat Anfang dieser Woche den Weg für die Segnung homosexueller Paare geebnet – unter bestimmten Voraussetzungen, wurde in der katholischen Kirche erklärt. Vor einigen Jahren wäre das noch undenkbar gewesen, Reformern geht es aber trotzdem nicht weit genug. Wie sehen Sie das denn?

Abt Georg Wilfinger: Einerseits war es überraschend, dass es gekommen ist. Es wird ja schon immer wieder praktiziert, dass Paare gesegnet werden. Das ist jetzt offiziell gemacht worden und ich freue mich darüber, dass das so geworden ist. Man wird sehen, wie die Details ausschauen und ob es nicht wieder zu viele Gegner gibt. Aber das ist eine ganz tolle Sache, dass ein bisschen was weitergeht.

noe.ORF.at: Bräuchte es nicht noch mehr in der gesellschaftlichen Öffnung, wenn man sich zum Beispiel die Kirchenaustrittszahlen ansieht, die Jahr für Jahr steigen? Sollte die Kirche da nicht noch mehr Schritte tun?

Wilfinger: Auf jeden Fall sollte die Kirche in vielen Bereichen noch mehr Schritte tun und auch mehr Bezug zu den einzelnen Menschen schaffen – vor allem zu jenen, denen es nicht so gut geht. Wenn man die Leute kennt, dann schaut alles ganz anders aus. Krisen gibt es ja genug, auch in der Kirche. Deshalb gibt es die Kirchenaustritte und daher müssen wir alle zusammen positiv auf die Leute einwirken.

Interview Abt Georg Wilfinger
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Abt Georg Wilfinger im „Interview am Samstag“

„Es gibt immer einen Neubeginn“

noe.ORF.at: Das Stift Melk ist nicht nur ein geistliches-geistiges Zentrum, sondern auch ein UNESCO-Weltkulturerbe – ein touristischer Magnet in ganz Österreich, der hier in Niederösterreich ist. Wie geht es diesem im Jahr 2023? Hat man sich nach den Pandemiejahren wieder erholt?

Wilfinger: Nicht ganz erholt, aber wir sind auf einem guten Weg. Wir hatten vor der Pandemie 530.000 Besucher im Jahr. Jetzt liegen wir heuer bei 430.000 – also 100.000 werden noch fehlen. Aber die Jahre dazwischen waren ein Wahnsinn. Auf null herunter und dann 90.000, 120.000. Das ist unser Standbein – auch, dass wir etwas bieten und für die Leute da sein können.

noe.ORF.at: Es ist ein schwieriges Jahr für viele, das sich jetzt dem Ende zuneigt: Wir haben Kriege ringsherum, die viele Menschen emotional belasten. Die Teuerung spüren viele Menschen im Alltag. Was sagen Sie denn den Menschen, die krisenbehaftet sind? Woraus soll man Kraft schöpfen?

Wilfinger: Das liegt bei jedem ganz woanders. Persönlich muss man auf jeden einzeln eingehen. Man kann selber viele Dinge finden, wo man Kraft schöpfen kann, dass man nicht aufgibt, auch wenn es noch so schwierig ist. Es gibt immer einen Neubeginn. Auch Zeiten der Ruhe, der Besinnung sind wichtig. Und wenn es nur einige Minuten sind, sollte man den Augenblick nutzen.

Es kommt immer wieder eine Kraft in einem hoch, die einem dann weiterhilft. Als gläubige Menschen kann das auch im Gebet oder in der Natur draußen oder bei einer freundlichen Begegnung mit lieben Menschen sein. Das kann bereichernd sein, wenn man jemandem hilft bzw. für jemanden da ist. Auch das hilft, dass man wieder neue Kraft bekommt. Das wünsche ich allen.

Interview Abt Georg Wilfinger
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ORF-NÖ-Chefredakteur Benedikt Fuchs im Gespräch mit Abt Georg Wilfinger in seinen persönlichen Räumlichkeiten im Stift Melk

Weihnachtsbotschaft: „Mit Freude durch das Leben“

noe.ORF.at: Was im Herbst auch aufgeflammt ist, ist Antisemitismus rund um den Gaza-Krieg. Wie sehen Sie das? Was kann man da vielleicht auch religionsübergreifend unternehmen?

Wilfinger: Das ist ganz schwierig und ist auch eine Gefahr, kann man sagen, wenn sich mehrere Gruppen zusammentun. Es hilft. mit ihnen zu reden oder auch selber Vorbild zu sein, von anderen Religionen zu lernen, wie man miteinander redet, auch wie man über die anderen redet, dass jeder einen Wert hat, dass man den anderen achtet. Die Wertschätzung des anderen kann dabei viel helfen und so hoffe ich nur, dass das alles gut geht.

noe.ORF.at: Das Weihnachtsfest steht bevor. Was ist Ihre Weihnachtsbotschaft 2023?

Wilfinger: Wie alle Botschaften zu Weihnachten, lautet meine, dass man wirklich mit Freude und Begeisterung wieder neu von Weihnachten her durch das Leben geht. Dass man da auch in sich ein Licht spürt und auch weitergibt – und als Lichtbringer mit sehr viel Liebe und auch Gesundheit natürlich Gottes Segen dazu.

noe.ORF.at: Sie selbst sind vielbeschäftigt, nehme ich an, an den Feiertagen. Wann ist dann Ihr ganz persönlicher Weihnachtsmoment?

Wilfinger: Ich fahre nach Weihnachten wieder zu unserem Sozialprojekt nach Saniob (Rumänien) und das ist mein Herzensanliegen. Es ist wie ein Weihnachtsgeschenk, mit den Kindern zu sein, die doch sehr fröhlich und bereichernd sind.

noe.ORF.at: Vielen Dank für das Gespräch und frohe Weihnachten.

Wilfinger: Ebenfalls frohe Weihnachten. Alles Liebe und Gute.