Coronavirus in Computerdarstellung
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Gesundheit

Leben mit Long Covid als „neue Realität“

Das Coronavirus ist zwar nicht mehr meldepflichtig, verschwunden ist es aber nicht, wie die vergangenen Wochen gezeigt haben. Für viele bedeutet eine Infektion ein oder zwei Wochen Krankenstand. Für Long Covid-Betroffene ändert sich jedoch oft das ganze Leben.

Brigitte Etzelsdorfer bereitet sich in ihrem Haus in Bisamberg (Bezirk Korneuburg) Frühstück zu. Für andere ist das nichts Außergewöhnliches, für Etzelsdorfer dagegen war das monatelang nicht möglich. Denn nach einer CoV-Infektion Ende 2020 erkrankte die damals 60-Jährige an Long Covid.

„Ich hatte vierzehn Tage lang hohes Fieber, einen Tag war ich im Krankenhaus. Gott sei Dank war es noch nicht so schlimm und ich konnte wieder entlassen werden. Ich war aber danach extrem schwach und jeder Handgriff ist mir schwer gefallen“, erzählt sie im Gespräch mit noe.ORF.at. Ihr Ehemann war in dieser Zeit ihre größte Stütze.

Brigitte Etzelsdorfer
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Brigitte Etzelsdorfer und ihr Ehemann

In den folgenden Monaten begleiteten sie Schmerzen im ganzen Körper und extreme Erschöpfung, arbeiten konnte sie nicht mehr. Doch für Etzelsdorfer war klar: „So will ich nicht leben.“ Es dauerte eine Weile, bis sie Ärztinnen und Ärzte fand, die ihr helfen konnten. Immer wieder kam es außerdem zu Rückschritten.

Mittlerweile geht es ihr aber wieder viel besser. Nur ihre Hände bereiten ihr nach wie vor große Probleme. Ihrer großen Leidenschaft, dem Malen, kann sie deswegen kaum mehr nachgehen. Zwei Operationen hat Etzelsdorfer bereits hinter sich, eine dritte folgt bald.

Langer Weg zur Besserung

Auch Gabi Edelmann aus Maria Gugging (Bezirk Tulln) lebt mit Long Covid. Sie infizierte sich im November 2021 mit dem Coronavirus. Ein halbes Jahr später setzten die Long Covid-Symptome ein. „Es hat mit einer Gesichtsnervenentzündung begonnen“, schildert sie. Außerdem litt auch sie an extremer Erschöpfung.

„Ich hatte ein bisschen Glück im Unglück, weil ich die Gesichtsnervenentzündung vom Neurologen diagnostiziert bekommen und ihm die ganzen Symptome beschrieben habe. Er hat zum Glück ohne Umschweife Post Covid diagnostiziert.“ Doch auch Edelmann fand nur langsam Hilfe. „Es sind wirklich viele Ärzte, zu denen man da rennt. Und es gab auch Ärzte, die das nicht erst genommen haben oder selbst überfordert waren und sich nicht ausgekannt haben.“

Gabi Edelmann
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Gabi Edelmann hat gelernt, ihre „neue Realität“ zu akzeptieren

Wie Brigitte Etzelsdorfer hat auch Gabi Edelmann viel Unterstützung in Internetgruppen von Betroffenen für Betroffene erhalten. Und sie hat akzeptiert, mit Long Covid zu leben: „Das ist halt die neue Realität. Es gehen viele Dinge nicht mehr. Man lernt, sein Leben einfach auf komplett andere Beine zu stellen.“

Epidemiologe warnt vor lockerem Umgang

Laut dem Epidemiologen Hans-Peter Hutter sei Long Covid generell nicht so einfach zu diagnostizieren, „weil besonders bei so langen, chronischen Verläufen die Beschwerden so vielfältig sind.“ Manche Expertinnen und Experten würden sogar von bis zu 200 unterschiedlichen Symptomen sprechen, „da finden sich fast alle Menschen darunter“, sagt Hutter im „NÖ heute“-Gespräch.

Mit jeder Infektion, die man durchmacht, steigt aber das Risiko für Long Covid. Dabei würde es zwar Unterschiede je nach Krankheitsverlauf geben, Hutter warnt im Interview jedoch vor einem lockeren Umgang mit der Krankheit. „Denn auch die Personen – egal wie symptomatisch sie waren – auch sie haben natürlich eine höhere Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Beeinträchtigung“, so Hutter. Viele würden dieses Risiko unbedarft eingehen.

Epidemiologe zu Long Covid

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Nach wie vor würde die Coronavirus-Impfung das Risiko für langfristige Verläufe senken, so Hutter. Doch er appelliert auch insbesondere an einen vorsichtigen Umgang miteinander – zum eigenen Schutz, aber auch zum Schutz anderer – um eine Infektion gänzlich zu vermeiden. „Ich denke, die Beeinträchtigung der Lebensqualität wird nach wie vor unterschätzt“, sagt Hutter.

Wunsch nach mehr Unterstützung

Eine Erfahrung, die auch Lali Dawitaschwili aus Marbach an der Donau (Bezirk Melk) machen musste. Lange dachte sie, es würde alles wieder normal werden. Heute denkt sie darüber nach, den Behindertenstatus zu beantragen. Dawitaschwili erkrankte im November 2020 am CoV-Virus. Zwei Wochen lang hatte sie Fieber, litt unter anderem an Durchfall, Erbrechen, extremer Erschöpfung und Krämpfen bei Herz und Lunge. Sie konnte kaum gehen und sprechen.

Es folgte ein Ärztemarathon. „Viele haben mich nicht ernst genommen“, schildert sie. Manche Ärztinnen und Ärzte wollten ihr Psychopharmaka verschreiben, bis ein Neurologe schließlich die Diagnose Long Covid stellte. Bis heute ist die 55-Jährige nicht vollständig genesen. Ihren Job in einer Apotheke musste sie aufgeben.

Mittlerweile kann Dawitaschwili wieder reden und gehen. „Ich kämpfe“, sagt sie im Gespräch mit noe.ORF.at. Sie nimmt Medikamente gegen Parkinson und geht zur Krankengymnastik. „Es gibt Tage, an denen es besser ist. Aber ich brauche für alles viel Erholung“, berichtet sie.

Aufgeben ist für keine der drei Frauen eine Option, betonen sie. Und auch in einem weiteren Punkt sind sie sich einig: Sie hätten sich von Anfang an mehr Hilfe und eine Anlaufstelle für Betroffene gewünscht.