„Tschick“
Luiza Puiu
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Kultur

„Tschick“: Ein Roadtrip ins Erwachsensein

Wolfgang Herrndorfs Roman „Tschick“ gehört mittlerweile zu den Klassikern der Jugendliteratur. Die Bühnenversion des Bestsellers feierte am Donnerstagabend Premiere in St. Pölten. Bis Ende April stehen zwölf weitere Vorstellungen am Programm.

Auch in der Bühnenfassung stehen die beiden Außenseiter „Maik“ und „Tschick“ im Zentrum, die in den Sommerferien mit einem gestohlenen Lada (Markenname für Autos des russischen Herstellers AwtoWAS, Anm.) in Richtung „Walachei“ aufbrechen – ohne App und Karte. Dabei treffen sie allerlei skurrile Gestalten wie die junge Isa, die auf einer Müllhalde lebt und die beiden Burschen ein Stück begleitet.

Es ist eine Geschichte vom Abschied von der Kindheit und eine Erzählung über Freundschaft über vermeintliche Grenzen hinweg. Es geht um das Einswerden und das Zusammensein. „Eigentlich liegt der Stoff jetzt schon eine Weile und es ist eine neue Generation von Teenagern herangewachsen, die das noch nicht auf der Bühne gesehen haben. Deswegen war es für uns eine kleine Renaissance von einem Stoff, den wir noch immer aktuell finden“, sagt die aufstrebende Regisseurin Mira Stadler, die zuletzt unter anderem am Wiener Burgtheater arbeitete. Sie bringt die große Reise der beiden auf die Bühne in St. Pölten, die Produktion des Landestheaters Niederösterreich ist dabei zu Gast in der Bühne im Hof.

Regisseurin Mira Stadler
Matthias Horn
Regisseurin Mira Stadler

Stadler, 2022 mit dem Kinder- und Jugendtheaterpreis Stella ausgezeichnet, will auf der Bühne einen „unrealistischen Raum“ schaffen, wie sie sagt: „Wo auch Fantasiebilder entstehen können, weil der Roman ist ja eine Nacherzählung von diesem Roadtrip. Und auf dem kann ruhig etwas passieren, was noch fantasievoller oder karikaturhafter ist als in Realität.“

„Sehnt sich in diese Zeit zurück“

Gespielt werden die beiden Hauptdarsteller von Tobias Artner („Maik“) und Lennart Preining („Tschick“), beide Ensemblemitglieder des Landestheaters Niederösterreich. „Ich glaube, keine Zeit ist so aufregend wie die Jahre von, sagen wir mal zwölf bis 18. Also da passiert irgendwie am meisten auch emotional. Und irgendwie sehnt man sich ja oft in diese Zeit zurück. Und allein, dass das in dieser Zeitspanne stattfindet, macht diese Geschichte einfach so wahnsinnig, belebend, aufregend“, so Preining gegenüber noe.ORF.at.

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Auch in der Bühnenfassung stehen die beiden Außenseiter „Tschick“ (Mitte) und „Maik“ (rechts) im Zentrum
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Lennart Preining, Ensemblemitglied vom Landestheater Niederösterreich, spielt „Tschick“
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Die beiden Teenager treffen auf ihrer Reise allerlei skurrile Gestalten, wie die junge Isa (gespielt von Laura Laufenberg)
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Es ist eine Geschichte vom Abschied von der Kindheit

„Und dann setzt Herrndorf die beiden einfach in das Auto rein. Sie lernen auf ihrem Roadtrip Leute kennen. Die machen Erfahrungen und finden Lösungen für Sachen. Sie sind plötzlich extrem autark in ihrem Handeln, was sie die ganze Zeit davor nicht sind, weil sie permanent fremdbestimmt sind und eingeengt werden. Und auf einmal können sie so entdecken, wie sie selbst entscheiden, wie sie selbst leben wollen“, ergänzt Artner. Bis Ende April stehen noch zwölf weitere Vorstellungen am Programm, vorwiegend vormittags für Schulklassen.

„Tschick“ mehrfach ausgezeichnet

Am 17. September 2010 war „Tschick“ erschienen. Wolfgang Herrndorfs Roman über zwei junge Außenseiter und Ausreißer hat inzwischen einen festen Platz im Literaturkanon. Millionen haben den Jugendroman gelesen und waren gerührt von der abenteuerlichen Autofahrt der beiden Schulfreunde „Maik“ und „Tschick“ quer durch Ostdeutschland.

Die Kritiker von „F.A.Z.“ bis Deutschlandradio überschlugen sich 2010 vor Lob. Gustav Seibt schrieb in der „Süddeutschen“: „Ein Buch wie ein Roadmovie – nur besser.“ „Tschick“ stand monatelang auf den Bestsellerlisten und erhielt den Deutschen Jugendliteraturpreis 2011 sowie den Clemens-Brentano-Preis und 2012 den Hans-Fallada-Preis. Das in über 25 Ländern erschienene Buch hatte sich bis September 2016 allein in Deutschland über zwei Millionen Mal verkauft und wurde in 36 Sprachen übersetzt.

Road-Novel als Schullektüre

Heute ist die Road-Novel Schullektüre, wurde vom deutschen Filmregisseur Fatih Akin verfilmt und ist seit Jahren ein Theater-Hit. Zudem war das Stück an der Wiener Staatsoper zu sehen. Es ist eine Hymne auf das Unterwegssein, auf außergewöhnliche Freundschaften, die Offenheit gegenüber Fremden und das Gefühl, das Hier und Jetzt zu lieben. Autor Herrndorf hat seinen großen Erfolg nur anfangs erlebt. Der gebürtige Hamburger starb 2013 in Berlin.