Wissenschaft

Warum Saharasand bis nach Europa reist

Elektrostatische Anziehungskräfte sind die Grundlage vieler alltäglicher, physikalischer Phänomene: Vom ungewollten Stromschlag des Fleecepullis bis zum Saharasand in Österreich. Dieses Phänomen wird aktuell am ISTA in Klosterneuburg umfassend erforscht.

Schon Platon hat elektrostatische Anziehungskräfte beschrieben, doch das Geheimnis dahinter ist auch 2.300 Jahre später noch nicht entschlüsselt, sagt Scott Waitukaitis. Der amerikanische Physiker leitet am Institute of Science and Technology (ISTA) in Klosterneuburg (Bezirk Tulln) eine Grundlagenforschungsgruppe zu elektrostatischer Anziehung.

In der herkömmlichen Schulmeinung geht man zwar davon aus, dass elektrostatische Ladungen durch den Austausch von negativ geladenen Elektronen entstehen, doch bewiesen sei das nicht, meint Waitukaitis: „Wir wissen nicht, was eigentlich ausgetauscht wird zwischen den beiden Materialien. Es könnten Elektronen sein, es könnten aber auch Protonen sein. Wir wissen nicht, was ausgetauscht wird, ganz davon zu schweigen warum.“,

Gummiproben Elektrostatik
ORF
Mal ist Platte A, ein anderes Mal Platte B negativ geladen. Elektrostatik ist noch weitgehend unerforscht.

Die Forschungsfrage ist entsprechend umfangreich, viel Arbeit für den Grundlagenphysiker und sein Team in Klosterneuburg. In Experimenten messen sie, wie sich eine Gummiplatte nach einer Berührung auflädt. Die Wissenschafter benutzen stets identische Materialien, doch selbst dann verhalten sich die Proben nicht immer gleich: Mal lädt sich die eine Gummifläche negativ auf, mal die andere.

Saharasand: Ladung hält Körner länger in der Luft

Die Erkenntnis, wie genau elektrostatische Anziehung funktioniert, könnte dabei helfen, zahlreiche alltägliche physikalische Phänomene besser zu verstehen. Wenn sich Sand aus der Sahara bei uns ablagert, dann seien mit hoher Wahrscheinlichkeit elektrostatische Anziehungskräfte dafür verantwortlich, sagt Waitukaitis: „Wir vermuten, dass die Ladung den Körnern hilft in der Luft zu bleiben, so dass sie solche weiten Distanzen von der Sahara bis nach Europa überwinden können.“

In der Sahara laden sich die Sandkörner durch Stürme elektrostatisch auf, das Erdmagnetfeld hilft den richtig geladenen Körnern in der Atmosphäre weite Strecken zurück zulegen. Eine einzige Berührung reicht bereits aus, um ein Staub- oder Sandkorn elektrostatisch aufzuladen. Gefährlich kann das in Silos werden. Reiben einzelne Staubpartikel aneinander, können sie sich unter bestimmten Umständen entzünden.

schwebendes Sandkorn
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Eine einzelne Berührung genügt, dass sich ein Sandkorn elektrostatisch auflädt

Elektrostatische Anziehung als Grundlage für Planeten

Die ISTA-Physikerinnen und Physiker glauben auch, dass elektrostatische Anziehungskräfte für die Entstehung von Planeten verantwortlich sein könnten. In einem typischen Staub-Gas-Gemisch um einen Stern, würden die einzelnen Staubkörner aneinander reiben, erklärt Waitukaitis. Dadurch entsteht elektrostatische Ladung, die die Staubkörner aneinander bindet. „Wie ein Schneeball wächst das Gemisch an, bis ein Planet wie die Erde entsteht“, so der Physiker.

Der Grund, warum der Wissenschafter sich dabei so sicher ist, ist folgender: Elektrostatische Anziehung ist stärker als Gravitation. Sie ermöglicht einem Planeten also schneller zu wachsen, als dies ohne elektrostatische Anziehung möglich wäre. Für Waitukaitis ein wichtiger Teil der Erklärung, warum wir Boden unter den Füßen haben.