Landestheater Der Prozess
Franzi Kreis
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Kultur

Start ins Kafka-Jahr mit „Der Prozess“

Mit seiner ersten Neuproduktion 2024 steigt das Landestheater Niederösterreich ins Kafka-Jahr ein: Jonathan Heidorn hat aus dem Roman „Der Prozess“ eine „Versuchsanordnung destilliert“, heißt es im Programm. Das Destillat wurde vom Premierenpublikum goutiert.

Angesichts der zahlreichen Bearbeitungen von Franz Kafkas Kult-Roman (von Gottfried von Einems Oper über die Verfilmung durch Orson Welles bis zu den Dramatisierungen von Peter Weiss und Andreas Kriegenburg) erscheint es durchaus mutig, eine weitere Sichtweise sozusagen im Kleinformat hinzuzufügen, schreibt APA-Redakteur Ewald Baringer in seiner Kritik.

Wobei sich Heidorn, Jahrgang 1994, in seiner Inszenierung, die am Samstagabend Premiere feierte, offenbar am Befund des prominenten Kafka-Forschers Rainer Stach orientiert: „Finsternis, wohin man blickt.“ Lichtquellen wie Leuchtstoffröhren oder Lampen erhellen die Düsternis nur spärlich, das durchaus geschickt arrangierte Bühnenbild (Thorben Schumüller) erzeugt glaubhaft klaustrophobische Atmosphäre.

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Kafkas „Der Prozess“ feierte am Samstag Premiere, Julian Tzschentke spielt die Hauptrolle
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Die spärliche Beleuchtung erzeugt auf der Bühne eine klaustrophobische Atmosphäre
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Drei der vier Mitwirkenden schlüpfen in mehrere Rollen: Michael Scherff (l.) in sechs, Lukas Walcher (r.) in sieben
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Caroline Baas spielt sogar acht Charaktere

Mit vier Mitwirkenden findet Heidorn das Auslangen. Den Protagonisten Josef K., an dessen Geburtstag drei seltsame Gestalten auftreten und zunächst „Happy Birthday“ pfeifen, um ihn sodann ohne ersichtlichen Grund zu verhaften, verkörpert Julian Tzschentke. Michael Scherff, verlässlicher Doyen des Ensembles, gibt sechs Personen, Caroline Baas bringt es auf acht, Lukas Walcher immerhin auf sieben.

Das mag manchmal verwirren. Zwischendurch wird auch noch umgegendert: Baas spielt u.a. den Advokaten, Walcher treibt es als Leni in die Arme von Josef K. – ein Gag, nicht viel mehr.

Ausverkaufte Vorstellungen

Heidorn hält sich an die Hauptkapitel des Romans, steuert ein dezent-stimmiges Sounddesign bei und erhöht im Verlauf der eineinhalbstündigen Aufführung spürbar das Tempo, was sich hin und wieder auf die Sprechdeutlichkeit auswirkt. Tzschentke ist ein junger, unprätentiöser Josef K., Baas konterkariert mit freundlichem Charme die bedrohliche Situation, Walcher verleiht dem Abend mit beachtlichem pantomimischem Können tatsächlich groteske Facetten und kafkaeske Züge.

Das Interesse ist offenbar groß: Sämtliche Vorstellungen sind bereits ausverkauft. Kafka sells, wie es scheint, nach wie vor. Vielleicht kein Wunder angesichts eines durch aktuelle Krisen und Kriege immer mehr zu Ausweglosigkeit und Ohnmacht tendierenden Lebensgefühls.