CHRONIK

Jack Unterweger: Letzte Geliebte schildert Verhaftung

Wegen Mordes an neun Prostituierten wurde Jack Unterweger 1994 schuldig gesprochen. Seine letzte Geliebte und Fluchtgefährtin Bianca Mrak lebt heute im Waldviertel. Mit ihr und mit dem damaligen Leiter der Sonderkommission Ernst Geiger hat noe.ORF.at gesprochen.

Es war einer der größten Fälle der österreichischen Kriminalgeschichte: Jack Unterweger avancierte Anfang der 1990er Jahre zum gefeierten Theaterregisseur und Liebling der Wiener Gesellschaft. Er gab Interviews, wurde auf Partys gefeiert, landete sogar im ORF-„Club Zwei“ als prominenter Gast. Dass er für einen Mädchenmord gerade 15 Jahre in Stein (Bezirk Krems) abgesessen hatte, schien damals niemanden zu interessieren.

„Mordsmann“
von Ernst Geiger, erschienen im Verlag „Edition a“,
464 Seiten

Der ehemalige Chefermittler Ernst Geiger und Leiter der damaligen Sonderkommission verfasste nun einen Roman über Unterwegers Geschichte. In „Mordsmann“ beschreibt er, wie Unterweger alle täuschte. „Er konnte blenden, konnte manipulieren, auch Behörden, Institutionen die Kulturszene, aber vor allem Frauen“, sagte Geiger gegenüber noe.ORF.at

Bianca Mrak: „Ich hatte nie Angst vor ihm“

Eine dieser Frauen war Bianca Mrak. Sie lebt heute im Waldviertel. Als sie Unterweger damals im Wiener Club „Take Five“ kennenlernte, war sie noch keine 18 Jahre alt. „Er hat mich ständig beobachtet über die Bar hinweg, hat mir zugeprostet, er hatte ein junges Gesicht, aber graue Haare. Er war ja über 40 und ich noch keine 18. Ich habe mir gedacht, was will der alte Sack von mir?“

Bianca Mrak
ORF/Andi Kotzmann
Mrak gab noe.ORF.at das erste Medieninterview seit vielen Jahren

Sie ließ sich damals auf Jack Unterweger ein. „Er hat eine Ausstrahlung gehabt, das muss ich zugeben. Er konnte zuhören. Im Nachhinein weiß ich, dass das Zuhören eine Masche der Manipulation war, weil, wenn ich wem ganz genau zuhöre, dann finde ich auch schnell heraus, wo derjenige verletzbar ist.“

Unterweger erzählte Bianca gleich am ersten Abend, dass er schon für einen Mord im Gefängnis war. „Ich hatte nie Angst vor ihm. Es ist eigenartig, aber ich hab mich nie bedroht gefühlt“, erinnert sich Mrak.

Auch zwei Morde in Niederösterreich

Im Frühsommer 1991 kam es in Wien zu einer Häufung von abgängigen Prostituierten, die ersten Leichen wurden gefunden. „Wir tappten damals noch völlig im Dunklen und Jack Unterweger ist als Reporter des ORF in das Sicherheitsbüro gekommen zu meinem damaligen Chef Hofrat Edelbacher und hat ihn mit dem Mikrofon des ORF gefragt, welche Ermittlungsergebnisse es gibt, ob die Polizei Spuren zum Prostituiertenmörder hat“, erinnert sich Geiger, wie Unterweger die Ermittler narrte.

Ernst Geiger
ORF/Andreas Kotzmann
Ernst Geiger

Zwei Leichen wurden auch in Niederösterreich entdeckt und dabei fiel den niederösterreichischen Ermittlern etwas auf. „Sie haben festgestellt, dass bei einer Leiche die Hände am Rücken in einer eigenartigen Stellung waren“, so Geiger. Die Ermittler gingen also davon aus, dass der Täter die Prostituierten mit Handschellen fesselte, um sie wehrlos zu machen.

Er lockte sie mit viel Geld, damit sie mit ihm weit hinaus aus der Stadt fuhren, dort erzählte er ihnen von seiner Vorliebe für Fesselungspraktiken und legte ihnen Handschellen an. Schließlich strangulierte er die Prostituierten mit deren Unterwäsche. Unterweger habe viele Freundinnen gehabt, sagt Geiger und trotzdem sei er zu Prostituierten gegangen, denn die wahre Befriedigung habe er nur erlangen können, indem er eine Frau in seine Gewalt brachte, sie quälte, erniedrigte und letztendlich tötete, so der frühere Sonderkommissionsleiter.

Mrak sollte Geld für Unterweger abholen

Jack Unterweger geriet immer mehr ins Visier der Ermittler. Ein Haftbefehl sickerte durch. Unterweger flüchtete zu seiner Freundin Bianca, die gerade in der Schweiz war. „Er hatte eine Pistole dabei, wollte sich eigentlich umbringen und ich habe gesagt, wir müssen zurück, du musst dich stellen. Er sagte, er gehe auf keinen Fall zurück, er gehe nicht mehr ins Gefängnis, denn er wüsste, er käme nie wieder heraus“, erzählt Mrak.

Letzte Geliebte von Jack Unterweger erzählt im „NÖ heute“-Exklusivinterview wie sie die Zeit mit dem Mörder erlebt hat

„Dann habe ich gesagt: Allein traue ich mich auch nicht, wer weiß, was da auf mich wartet. Wenn, dann gehen wir zu zweit zurück oder zu zweit weg. Das ist also irgendwie auf meinem Mist gewachsen“, erinnert sich die ehemalige Fluchtgefährtin.

Für die Ermittler war es eine Katastrophe, dass ihnen Unterweger in letzter Minute gewissermaßen durch die Lappen ging. Schließlich sickerte Unterwegers Aufenthaltsort in Miami durch, die Polizei stellte ihm eine Falle, erzählt Geiger. „Wir hatten den Plan gefasst eine Geldanweisung zu fingieren, dass er einen Honorarvorschuss bekommt für ein Interview.“

Unterweger schickte Bianca, um das Geld zu holen, doch dort wartete schon die Polizei. „Ich bin in dieses Büro hinein gekommen und dort hat man mir gesagt, es gebe kein Geld, also bin ich wieder hinaus aus diesem Geschäftslokal und auf einmal hat sich die ganze Terrasse bewegt. Alle, die dort gesessen sind, sind auf einmal gleichzeitig aufgestanden und dann habe ich gewusst, jetzt ist es vorbei“, erzählt Bianca Mrak die letzten Momente der Flucht.

Auch Morde in den USA

Unterweger wurde 1992 in Miami verhaftet. Die Ermittler stellten einen Zusammenhang mit drei Prostituiertenmorden in Los Angeles her. Geiger reiste mit seiner Sonderkommission nach Los Angeles, traf sich mit den örtlichen Ermittlern und begutachtete die Fundorte der Leichen. Es stellte sich heraus, dass Unterweger zum Zeitpunkt der Taten immer in der Nähe gewesen war.

Ernst Geiger in LA
ORF/Archiv
Geiger 1992 in LA

Bianca Mrak wurde zurück nach Wien geschickt. Sie war plötzlich auf allen Titelseiten – als Unterwegers letzte Geliebte. „Ich habe den Rummel trotz aller Schwierigkeiten irgendwo genossen als junges Mädchen und habe mein Leben gelebt. Ich habe nicht eingesehen, warum ich mich jetzt einsperren soll zu Hause. Ich hatte viel Geld durch diese Interviews und habe mit dem Geld herum geschmissen, der ganze erste Bezirk war auf einmal mein bester Freund“, erinnert sich Mrak heute im Interview mit noe.ORF.at.

Sie blieb auch, als Unterweger schon in Österreich im Gefängnis war, in Kontakt mit ihm. Erst als sie merkte, dass er sie ausnutzte, dass er Briefe auch an andere Frauen schickte, brach sie den Kontakt ab.

Bianca Mrak auf damaligen Titelseiten
ORF
Mrak war damals in fast allen Medien

Erstmals DNA-Beweis vor Gericht

Im Frühjahr 1994 kam es zum Prozess in Graz. Der Medienansturm war groß. Zum ersten Mal wurde in Österreich ein DNA-Beweis zugelassen. Elf Prostituierte in Österreich, Prag und Los Angeles soll Unterweger getötet haben. Er bestritt die Taten bis zuletzt, lieferte emotionale Schlussworte bei der Verhandlung.

Doch die Geschworenen sprachen ihn in neun von elf Fällen schuldig. „Diese Niederlage hat er nicht verkraftet“, sagt Ernst Geiger. Rechtskräftig wurde das Urteil nicht. Unterweger erhängte sich in seiner Zelle – mit einem ähnlichen Knoten, der bei den Prostituierten-Morden angewendet worden war.

Für Bianca Mrak ist der Fall schon lange abgeschlossen. „Ich bin mittlerweile glücklich verheiratet, habe Haustiere, um die ich mich kümmern möchte und ich habe mit der Vergangenheit abgeschlossen." Für Ernst Geiger ist der Fall Unterweger bis heute prägend. „Ich habe vieles erlebt in meinem langen Berufsleben und da haben sich viele Dinge tief eingegraben, aber der Fall Unterweger hat sich wahrscheinlich am tiefsten eingegraben.“