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Wirtschaft

Kritik an Herkunftstricks bei Lebensmitteln

Werbung und Wirklichkeit passen bei Lebensmitteln oft nicht zusammen. Handelsketten und Produzenten werben gerne mit Österreichbezug, doch rot-weiß-rot auf der Verpackung sagt nicht immer etwas über den Ur­sprung aus. Gesetze werden oft bewusst ausgereizt.

Forellenfilet geräuchert, „hergestellt in Österreich“ steht auf der Verpackung der REWE-Eigenmarke „Billa Bio“. Abgebildet sind darauf außerdem die Alpen und ein Wildwasserbach. Auf den ersten Blick wird suggeriert, „dass die Forellen in einem Gebirgsfluss in Österreich gefangen wurden“, so Birgit Beck vom Verein für Konsumenteninformation (VKI).

Tatsächlich stammt der Fisch aber aus einer Aquakultur in Italien. Diese Information findet sich zwar auch auf der Verpackung, „aber im Kleingedruckten“, ärgert sich Beck. „Da komme ich frühestens zu Hause drauf, wenn die Kaufentscheidung schon gefallen ist.“ Bezeichnungen wie „abgefüllt in Österreich“, „hergestellt in Österreich“ oder „Qualität aus Österreich“ seien generell beliebt, weiß sie.

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Quellwasser aus Griechenland

Getäuscht fühlen sich laut VKI-Rückmeldungen viele auch beim „Klosterquell Quellwasser“, das zusätzlich mit einer Kinderserie wirbt und im Sortiment von Spar geführt wird. Tatsächlich kommt die Flasche bzw. das Wasser aus Griechenland.

Auf der Vorderseite ist zwar auch „nera kritis“ angeführt, der Name des Abfüllers, „hängen bleibt aber Klosterquell, auch weil es größer geschrieben ist und weil es mir vertraut ist. Damit gehe ich automatisch davon aus, dass es aus Österreich kommt“, analysiert die Konsumentenschutzexpertin – auch, wenn der griechische Abfüller auf der Flasche ordnungsgemäß gekennzeichnet ist. Das Produkt wurde deshalb im Vorjahr auch mit der „Konsum-Ente“, dem Negativpreis des VKI, ausgezeichnet.

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Hallstättersee-Salz aus Pakistan

Ein Extrembeispiel ist laut VKI das „Hallstättersee Bergkernsalz“, das mit einem Bild des Hallstättersees beworben wird. Auf der Rückseite findet sich im Kleingedruckten der Hinweis: „Herkunft: Pakistan“. Laut Beck ist das „eindeutig irreführend“, weil man „glaubt, das kommt direkt aus dem Berg, aus dem Hallstättersee. Dieses Produkt wurde deshalb auch der Behörde gemeldet.“

Über ähnliche Erfahrungen berichtet die Initiative „oekoreich“ aus dem Waldviertel. Vorstand Sebastian Bohrn Mena verweist auf Haferschokokekse, erneut von der Eigenmarke „Billa Bio“. Auf der Rückseite der Verpackung findet sich der Hinweis „sorgfältig vertrieben durch Feinbäckerei Ogoralek“, eine Bäckerei aus Falkenstein (Bezirk Mistelbach).

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Wenn man aber genauer recherchiert, erfährt man, dass die Kekse aus einer Fabrik 1.000 Kilometer entfernt aus Lettland kommen. „Auch, wenn das legal ist, ist es aus unserer Sicht doch unlauter“, sagt Bohrn Mena, „weil zwar die gesetzlichen Rahmen eingehalten werden, aber die Konsumentinnen und Konsumenten – selbst die, die sich informieren wollen – überhaupt keine Chance haben, zu erfahren, woher die Rohstoffe und die Produkte letztlich kommen.“ Kunden würden durch diese mangelnde Transparenz „hinters Licht geführt“.

„Tricks“ für den Kaufimpuls

All das sei kein Zufall, sondern Absicht, sagt Beck, da Lebensmittel, die – wenn auch nur scheinbar – aus Österreich kommen, eine besonders hohe Qualität zugeschrieben wird: „Marketing ist immer ein Ausreizen von dem, was rechtlich möglich ist und manchmal geht man auch einen kleinen Schritt darüber hinaus.“ Produzenten und Händler wollen „von Konsumenten natürlich eine Kaufentscheidung und tricksen mit dem, das dem Verbraucher wichtig ist“.

Dabei würden Lebensmittel oder einzelne Zutaten mittlerweile oft aus der ganzen Welt kommen, sagt Beck. „Hier braucht es noch mehr Aufklärung wie international die Herstellung bzw. Zutaten mittlerweile sind.“ Das gilt auch für Bio-Produkte: „‚Bio Austria‘ hat ganz andere Standards als zum Beispiel das europäische Biosiegel oder Bio aus China, Marokko oder Südamerika“, ergänzt Bohrn Mena.

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Die Zutaten für Lebensmittel sind mittlerweile international, betonen Konsumentenschutzexperten

Der VKI konfrontiere in allen aufgezeigten Fällen die Hersteller bzw. Händler mit der Kritik. Etwa ein Sechstel würde die Verpackung danach ändern, der Rest sieht sich aber im Recht und ändert nichts, weiß Beck aus Erfahrung: „Die Produkte sind rechtlich korrekt gekennzeichnet oder in einer Grauzone.“ Dennoch würden sich Konsumenten oft getäuscht fühlen.

Legale Kennzeichnung

Billa-Mutterkonzern Rewe mit Sitz in Wiener Neudorf (Bezirk Mödling) verweist in einer Stellungnahme auf die gesetzlichen Vorgaben, die überall eingehalten würden. Das Forellenfilet etwa komme zwar aus Italien, werde aber in Oberösterreich geräuchert und abgepackt. Außerdem sei auf der Vorderseite der Verpackung „gut ersichtlich ‚aufgewachsen in frischem Quellwasser der Karnischen Alpen‘ angegeben, also einer Grenzregion zu Österreich“.

Zum Quellwasser sagt Spar auf Anfrage, es sei „natürlich nicht ideal“, dass die Flasche in Griechenland erzeugt werde bzw. das Wasser von dort stamme. „Ein österreichisches Produkt wäre uns auch lieber, aber das gibt es in der Form leider nicht.“ Und weiter: „Nicht wir verwenden hier irgendwelche Bezeichnungen, sondern das tut der Hersteller des Produktes. Wir führen den Markenartikel nur im Sortiment.“

Mitverantwortung für Sortiment

Bohrn Mena sieht durchaus eine Mitverantwortung der Händler, gerade in Ländern wie Österreich, wo die Marktkonzentration zwischen wenigen Firmen sehr groß sei. Denn: „Was nicht im Regal liegt, kann auch nicht verkauft werden.“ Neben Wasser aus Griechenland gelte das auch für Nudeln, die aus Käfigeiern hergestellt würden oder Schokolade aus Kinderarbeit.

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Je einfacher die Produkte zusammengesetzt sind, desto schwieriger wird eine Täuschung, sagen die Experten

Zugleich sei auch der Gesetzgeber gefordert, eine Lösung zu finden, wie man „all die schwammigen Formulierungen, all die ausweichenden Schachtelkonstruktionen und Umgehungsversuche so einschränken“ könne, „dass ich als Konsument im Supermarkt auf einen Blick erkennen kann, woher die Lebensmittel kommen und wie sie erzeugt wurden“. Erst dann sei ein bewusster Konsum möglich, „den wir aber brauchen“.

Erste Verbesserungen

In den vergangenen Jahren gab es laut VKI durch eine EU-Verordnung zumindest Verbesserungen. Durch diese muss auf mit Österreich beworbenen Produkten, deren Hauptzutat nicht aus Österreich kommt, das tatsächliche Ursprungsland gut sichtbar angeführt werden. Damit ist „relativ viel Täuschung gestoppt worden“, weiß Beck, auch wenn es weiterhin viele Schlupflöcher gebe.

In Österreich würden immer mehr Menschen bewusst einkaufen wollen. Ihnen rät Expertin Beck: „Je einfacher die Produkte zusammengesetzt sind, desto schwieriger wird eine Täuschung, weil ich dann nicht einzelne Zutaten irgendwie hervorheben bzw. tricksen kann.“ Also Fleisch statt Wurst, dunkle Schokolade statt Kekse und Gemüse statt verarbeitete Produkte. Bohrn Mena ergänzt, man solle auf Gütesiegel wie etwa „Bio Austria“ oder „AMA“ achten.