Einem Sportschützenverein beitreten – das sei einer der am öftesten genannten Gründe beim verpflichtenden psychologischen Gespräch für die Waffenbesitzkarte. Rainer Kastner, Waffenpsychologe beim Kuratorium für Verkehrssicherheit in St. Pölten, führt solche Gespräche seit 20 Jahren durch: „Ein Großteil sagt, sie wollen Sportschütze werden, da müssten die Sportschützenvereine eigentlich übergehen an Mitgliedern.“
Waffenführerschein
Nachweis des sachgemäßen Umgangs mit Schusswaffen, beispielsweise die Ergebnisliste eines Schießsportbewerbs
Tun sie aber nicht. In St. Andrä-Wördern (Bezirk Tulln) bei den Hagenthaler Schützen beispielsweise ist die Mitgliedszahl gleichbleibend. Dort kann man den Waffenführerschein machen, das ist ein Nachweis für den sicheren Umgang mit einer Schusswaffe. Diesen Nachweis braucht man wiederum für die Waffenbesitzkarte, erklärt Oberschützenmeisterin Lucia Schreiner: „So zehn Personen im Monat machen im Moment den Waffenführerschein bei uns, im Moment. Manchmal machen wir nichts, manchmal sind’s zwei Runden pro Monat.“
Selbstverteidigung unrealistisch
Aktive Vereinsmitglieder würden diese Personen allerdings eher selten werden. „Die Intention ist meistens Selbstschutz oder Selbstverteidigung, aber viele nennen eben den Sportschützen“, schildert Waffenpsychologe Kastner seine Erfahrungen. Viele würden versuchen mit einer Waffe, ihr eigenes Sicherheitsgefühl zu Hause zu erhöhen.
Sicherer sei man durch eine Schusswaffe zu Hause nicht, sagt Kastner: „Es ist unrealistisch, die Waffe etwa bei einem Einbruch zu gebrauchen, weil dann wird sie in einem Tresor versperrt sein oder in einem anderen Stockwerk. Und man weiß nie, wer einem gegenübersteht. Die Person kann noch mehr Angst haben oder ein Vollprofi sein. Im Gespräch kommen wir dann darauf, dass von der Schusswaffe Gebrauch zu machen, nur der Plan B sein kann.“ Plan A sei defensives Verhalten, also Flucht oder Versteck.
Waffenbesitzkarte
- erlaubt Erwerb und Besitz einer Schusswaffe der Kategorie B (Revolver, Pistole,…)
- Bedingungen: Bürger des europäischen Wirtschaftsraums, 21 Jahre alt, Waffenführerschein und psychologisches Gutachten
Land der Schusswaffen
Konkret besitzen derzeit 94.023 Menschen in Niederösterreich eine oder mehrere Schusswaffen. 2018 waren es 78.405, das entspricht einem Anstieg von etwa einem Fünftel. Anfang dieses Jahres registrierte das Innenministerium 380.000 Schusswaffen in Privatbesitz in Niederösterreich, in ganz Österreich ca. 1.332.000.
Der Vergleich der privaten Schusswaffen über die Jahre ist wenig aussagekräftig, denn mit 2022 mussten viele ältere Waffen registriert werden, die bislang nicht meldepflichtig waren und auch zwei Waffenkategorien wurden in der Statistik zusammengefasst. Bis 2023 wurden auch registriertes Zubehör und große Magazine als Schusswaffe in der Statistik gezählt. Eine separate Auswertung im Innenministerium gibt es erst seit heuer. Man könnte also sagen, Österreich war schon immer ein Land mit vielen Waffen im eigenen Heim, nur schlägt sich das erst jetzt in den offiziellen Erhebungen nieder.
Geprägt von Weltkriegen und Krisen
Ein kleiner Teil des Anstiegs ist auch durch den Generationenwechsel bedingt. Vor allem das Thema vererbte Schusswaffe, etwa aus den zwei Weltkriegen, werde immer häufiger, sagt Psychologe Kastner. „Die sagen, sie wollen einfach diese Waffe legal zu Hause haben, die haben meist auch keine Munition dafür. Die haben das etwa vom Großvater geerbt und heben das als Erinnerungsstück auf.“
Kastner nennt auch die Krisen der vergangenen Jahre als Gründe für das wachsende Unsicherheitsgefühl, das man mit einer Waffe glaubt, beruhigen zu können. Die Zahl der Antragsteller für die Waffenbesitzkarte würde allerdings schon länger steigen.