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Soziales

Werkstätten wollen „Lohn statt Taschengeld“

Mehr als 5.000 Menschen mit Behinderung arbeiten in Niederösterreich in Werkstätten. Statt eines Gehalts bekommen sie Taschengeld. Das will die Bundesregierung ändern. Unklar ist, wie das finanziert werden soll. Die Gespräche mit den Ländern würden laufen, heißt es.

Die 35 Klientinnen und Klienten in der Recycling Vitis (Bezirk Waidhofen an der Thaya) recyclen jeden Tag Kunststoffe und verarbeiten Garne und Gewebe. Am Ende des Monats erhalten sie dafür 92 Euro. Ein Betrag, der vom Land vorgegeben und bezahlt wird. Das ist den meisten aber zu wenig.

„Den Großteil zahlen wir noch bar aus und da erlebe ich immer wieder, dass die Klienten sagen, dass sie sich mehr wünschen würden“, sagt Günther Hammerl, der Leiter der Caritas-Einrichtung. Mehrere Klientinnen und Klienten bestätigen den Wunsch nach mehr Einkommen. „Wäre super, ja“, sagt etwa Patrick Dorr aus Waidhofen an der Thaya. Auch Felix Haindl aus Schwarzenau (Bezirk Zwettl) hätte gerne ein Gehalt, denn er wohnt seit Kurzem mit seiner Freundin zusammen, wie er erzählt. Die Caritas selbst würde ein Gehalt für die Klienten ebenfalls begrüßen, betont Günther Hammerl.

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Für Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten beschäftigt sind, könnte es bald ein Gehalt geben

Man warte schon seit 2008 darauf, erzählt er. Damals verpflichtete sich Österreich, die UN-Konvention über Menschen mit Behinderung in nationales Recht umzusetzen. Das Vorhaben „Lohn statt Taschengeld“ ist außerdem im Programm der aktuellen Bundesregierung verankert. Mit der Umsetzung des Vorhabens würde man einer seit Jahren bestehenden Forderung von Selbstvertreterinnen und -vertretern sowie Behindertenorganisationen nachkommen.

Einbußen für Bundesländer

Eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien im Auftrag des Sozialministeriums zeigt: Würden die Betroffenen über einen Zeitraum von 55 Jahren statt Taschengeld 14 Mal im Jahr 1.180 Euro brutto verdienen, würden die meisten Player wie Sozialversicherung und Bund positiv oder neutral aussteigen – mehr dazu in Lohn statt Taschengeld für Menschen mit Behinderung (volksgruppen.ORF.at; 12.12.2023).

Verluste würden der Studie zufolge aber die Länder verzeichnen. Und auch einige wenige Betroffene sind besorgt, denn mit einem Gehalt wären sie zwar – anders als jetzt – sozialversichert und hätten Anspruch auf eine Alterspension, allerdings könnten dann mehrere Förderungen für sie wegfallen.

Gespräche zur Finanzierung laufen

Seit vergangenem Herbst läuft in Kärnten nun ein erstes Pilotprojekt. 20 Menschen mit Behinderung sammeln dort im Rahmen des Projekts „Reallabor 27 – Lohn statt Taschengeld“ Erfahrungen am ersten Arbeitsmarkt – mehr dazu in Pilotprojekt „Lohn statt Taschengeld“ (kärnten.ORF.at; 19.10.2023). Die zuständige Landesrätin in Niederösterreich, Susanne Rosenkranz (FPÖ), beobachte dieses mit Interesse und erwarte mit Spannung erste Ergebnisse, wie sie gegenüber noe.ORF.at in einem schriftlichen Statement mitteilt.

Sie begrüße „ausdrücklich Maßnahmen, die Menschen mit Behinderung in eine ordentliche Beschäftigung bringen – auch, damit sich Eltern darauf verlassen können, dass ihre Kinder mit Behinderung im Alter über eine Pension gut abgesichert sind“. Ohne konkrete Finanzierungspläne seitens des Bundes sei das Modell aber nicht umsetzbar, denn: „Das Land Niederösterreich kann die Mehrkosten von mindestens 55 Millionen pro Jahr sicher nicht alleine stemmen.“

Rund um die Finanzierung würden bereits Gespräche mit den Bundesländern laufen, heißt es dazu aus dem Sozialministerium. Die Umsetzung des Vorhabens „Lohn statt Taschengeld“ solle jedenfalls noch in dieser Regierungsperiode stattfinden.