WEB Windkraft im Wald
Benjamin Wald
Benjamin Wald
Umwelt & Klima

Waidhofener Orte vor der Windrad-Wahl

Mehr als 10.000 Bürgerinnen und Bürger stimmen am 10. März über die Zukunft der Windkraft im Bezirk Waidhofen an der Thaya ab. 18 Windräder sollen in fünf Gemeinden gebaut werden. Wegen massiven Protests lassen die Ortschefs nun die Bevölkerung abstimmen.

Jeweils drei Windräder sollen in Waidhofen an der Thaya und Groß-Siegharts entstehen, vier Anlagen in Waidhofen an der Thaya-Land, fünf in der Marktgemeinde Thaya und drei in Karlstein (alle Bezirk Waidhofen an der Thaya). Gegliedert in drei Windparks sollen erstmals in Österreich Windräder mit einer Gesamthöhe von 260 Metern gebaut werden.

Zwei der drei Windparks entspringen einer Kooperation des lokalen Energieerzeugers WEB Windenergie AG mit Sitz in Pfaffenschlag (Bezirk Waidhofen an der Thaya) mit der EVN. Den dritten Windpark möchte die WEB im Alleingang umsetzen. Die Planungen seien weit vorangeschritten, sagt WEB-Sprecherin Beate Zöchmeister zu noe.ORF.at. Mit den Grundeigentümern habe man bereits Vereinbarungen getroffen, heißt es. Was noch fehlt, sind die Flächenwidmungen für die 18 Anlagen: Zuständig dafür sind die Gemeinderäte.

Überregionaler Widerstand

Doch es regt sich Widerstand gegen die Pläne der Gemeinden und Energieversorger. 46.000 Unterschriften sammelte die parteiübergreifende Bürgerinitiative IG Waldviertel, die sich für Natur und Landschaftsschutz einsetzt, im Vorjahr. Allerdings kam die Unterschriftenaktion vor allem außerhalb des Bezirks gut an. 59 Prozent der abgegebenen Unterschriften stammten von Menschen, die nicht im Bezirk Waidhofen an der Thaya leben, räumte die Initiative ein. Die 23 Ordner voller Unterschriften setzten die Lokalpolitik dennoch unter Druck. „Ich will mir nicht nachsagen lassen, dass ich da drüber gefahren bin“, sagt etwa Christian Drucker (ÖVP), Bürgermeister von Waidhofen an der Thaya-Land.

†ber 46.000 NEIN-Stimmen gegen 5 Windparks im Bez. Waidhofen/Thaya
IGWaldviertel
„Druck aufgebaut“ – laut IG Waldviertel haben die zahlreichen Protest-Unterschriften die Volksabstimmungen möglich gemacht

Aus diesem Grund initiierte Drucker gemeinsam mit seinen vier Bürgermeisterkollegen eine Volksbefragung. „Schauen wir, dass wir eine Meinungsfindung zusammen bekommen“, ruft Drucker auf. Ein Erfolg, den sich die IG Waldviertel auf die Fahne heftet: „Wir haben lange gekämpft, dass die Volksbefragung stattfindet“, freut sich IG-Waldviertel-Sprecher Michael Moser. Am 10. März stehen nun alle wahlberechtigten Bürgerinnen und -bürger vor der Wahl, zur Abstimmung steht jeweils der Windpark der eigenen Heimatgemeinde. Bedingung ist ein Hauptwohnsitz in der jeweiligen Gemeinde.

Bedingung: Wahlbeteiligung bei mindestens 50 Prozent

Volksbefragungen sind in Österreich, im Gegensatz zu Volksabstimmungen, grundsätzlich nicht bindend. Die Bürgermeister haben jedoch angekündigt das Ergebnis ab einer Wahlbeteiligung von 50 Prozent als bindend zu betrachten, wie ein Rundruf von noe.ORF.at ergab. Sollte die Wahlbeteiligung darunter liegen, wandert die Entscheidungskompetenz zurück zum Gemeinderat. Denn dann sei die demokratische Aussage begrenzt, erklärt Groß-Siegharts Ortschef Ulrich Achleitner (ÖVP).

Einzig die Stadtgemeinde Waidhofen an der Thaya will das Ergebnis in jedem Fall, unabhängig von der Wahlbeteiligung, anerkennen. „Ich sehe eine Hürde als nicht notwendig“, erklärt Bürgermeister Josef Ramharter (ÖVP). Ramharter glaubt, dass die Beteiligung sowieso darüber liegen werde, denn das Thema polarisiere.

Sollte sich ein Ort gegen die Windkraftanlagen aussprechen, so sei das Projekt in der jeweiligen Gemeinde vom Tisch, heißt es. Die anderen Projekte bleiben davon aber unbeeinflusst. Eine Anomalie gibt es lediglich in jener Windzone, die Waidhofen an der Thaya und Groß-Siegharts gemeinsam bewirtschaften möchten. Pro Gemeinde sind dort jeweils drei Windräder vorgesehen. Sollte eine Gemeinde mit ‚ja‘, die andere aber mit ‚nein‘ stimmen, könnten auch fünf bzw. sechs Windräder in nur einer Gemeinde entstehen.

Windräder könnten Drittel des Energiebedarfs decken

Waidhofens Bürgermeister Ramharter ist jedenfalls überzeugt, dass der Ausbau von Windkraft im Waldviertel ohne Alternative sei. „Wenn wir uns aus fossiler Energie verabschieden, auf Wärmepumpe und Elektromobilität setzen, dann brauchen wir mehr Strom.“ Gegenüber noe.ORF.at rechnet Ramharter vor, dass ein Drittel des Gesamtenergiebedarfs des Bezirks durch die 18 Windkraftanlagen gedeckt werden könnte.

WEB Windkraft im Wald
Benjamin Wald
Windräder im Wald? Viele Bürgerinnen und Bürger sehen das skeptisch

Ähnlich sehen das die Bürgermeister der anderen Gemeinden. Klimaschutz hieße auch Handeln vor der eigenen Haustür, meint Ortschef Drucker. Es sei „fadenscheinig“ für Windkraft einzutreten, sie jedoch in der eigenen Region zu bekämpfen, meint er. Ulrich Achleitner, Ortschef von Groß-Siegharts, pflichtet bei: „Wir können nicht nur reden, wir müssen die Alternative auch nutzen.“

Angst vor Landschaftsverschandelung

Ganz anderer Ansicht ist Michael Moser, Sprecher der IG Waldviertel. „Die Marke heißt Waldviertel“, meint Moser: „Der Wald ist unser größtes Potential. Wir würden das Produktversprechen nicht mehr einhalten können.“ Moser fürchtet, dass Windräder im Wald den Waldviertel-Tourismus und die Natur nachhaltig schädigen könnten. „Es ist ein ‚Nogo‘ für uns in ein unberührtes Ökosystem zu gehen, und dort einen Wald zu industrialisieren“, sagt Moser. Lebens- und Bruträume für Wild und Vögel würden zerstört werden.

Die Ortschefs sehen den Natur- und Landschaftsschutz bei dem Vorhaben dagegen nicht gefährdet. „Der Flächenverbrauch für ein Windrad ist minimal, wir reden da von 4.000 bis 5.000 Quadratmeter pro Windrad“, entgegnet der Bürgermeister von Karlstein, Siegfried Walch (ÖVP): „Da rafft der Borkenkäfer den Wald viel stärker dahin.“ Die gerodeten Flächen würden zudem wieder aufgeforstet. „Natürlich sieht man die Windräder“, meint Drucker, „aber für kommende Generationen wird das alltäglich sein.“

Windkraft soll leere Gemeindekassen füllen

Die Waldviertler Gemeinden drängen allerdings auch aus finanziellen Gründen auf den Bau der Windparks. Pro Windrad erhält neben dem Grundstückseigentümer auch die Gemeinde eine jährliche Pauschale vom Betreiber. Laut Eduard Köck (ÖVP), Bürgermeister der Markgemeinde Thaya, betrage diese pro Windrad mindestens 30.000 Euro jährlich. Der Betrag sei nach unten gedeckelt, nach oben jedoch nicht. Bei steigenden Strompreisen würde auch die Pauschale für die Gemeinde angehoben.

„Finanziell wird es immer enger“, sagt Köck, dessen Gemeinde kaum Kommunalsteuer einnehme. Die Kosten dagegen seien extrem gestiegen. „Ohne diese Gelder wird es schwierig“, mahnt der Bürgermeister. Bei fünf geplanten Windrädern in der Marktgemeinde entgingen der Gemeindekassa bei einer negativen Abstimmung immerhin mindestens 150.000 Euro pro Jahr.

Strom soll billiger werden

Ein finanzieller Vorteil wird auch den Bürgerinnen und Bürgern vom Betreiber WEB versprochen. Kundinnen und Kunden würde ein Preis von 14,28 ct/kWh bis 2033 ohne Vertragsbindung garantiert. Zum Vergleich: 2022 lag der Strompreis im österreichischen Durchschnitt bei 23,6 ct/kWh. Darüber hinaus sei geplant, dass sechs Prozent des erzeugten Stroms der lokalen Energiegemeinschaft zu einem günstigen Preis zur Verfügung gestellt würden, heißt es von WEB.

Das Gesamtinvestitionsbudget für die 18 Windräder zu beziffern, sei aufgrund schwankender Materialpreise noch schwierig, sagt WEB-Sprecherin Beate Zöchmeister auf Anfrage. Man rechne jedoch mit sieben bis 10,5 Millionen Euro pro Windkraftanlage, in Summe geht WEB also von Gesamtkosten in Höhe von 126 bis 189 Millionen Euro für die 18 Windräder in drei Windparks aus.