Kultur

Weinheber-Ehrung „nicht mehr zeitgerecht“

Historikerinnen und Historiker kritisieren den Umgang der Gemeinde Kirchstetten (Bezirk St. Pölten) mit ihrer Vergangenheit. Denn bis heute erinnert dort einiges an den Dichter und überzeugten Nationalsozialisten Josef Weinheber, der zeitweise in der Gemeinde wohnte.

Kirchstetten gilt als Heimat zweier großer Dichter: des anglo-amerikanischen Lyrikers Wystan Hugh Auden und des österreichischen Dichters Josef Weinheber. Letzterer galt vor allem zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges als ein angesehener Schriftsteller. Sein Geschriebenes wird jedoch schon seit Längerem als problematisch eingestuft. „Josef Weinheber war Antisemit, frauenfeindlich, faschistisch“, erklärt Historiker Oliver Kühschelm vom Institut für Geschichte des ländlichen Raumes in St. Pölten.

„Wenn jemand derartige Oden an Adolf Hitler und die NSDAP geschrieben hat, ist es nicht mehr zeitgerecht, ihn dennoch für seine Texte zu ehren“, heißt es von Seiten des Vereins „Was bisher geschah“, welcher die Debatte zuletzt in einem Artikel anriss. Trotz der Kritik, dass die Gemeinde die nationalsozialistische Vergangenheit nicht kontextualisiere, gebe es auch heute noch Orte in der Gemeinde, die nach Weinheber benannt sind, zum Beispiel einen Kindergarten.

Broschüre sollte Vergangenheit aufarbeiten

Schon 2015 erntete die Gemeinde heftige Kritik, als eine Gedenkinstallation zum Schicksal der Roma und Sinti im Ort vom damaligen Bürgermeister Paul Horsak (ÖVP) abgelehnt wurde. „Man soll die Vergangenheit ruhen lassen“, äußerte sich Horsak damals gegenüber dem ORF.

Der Verein ZEITzeigen, der unter anderem von der Gemeinde finanziert wird, weist darauf hin, dass im Zuge der damaligen Kritik eine Broschüre publiziert wurde, die die Vergangenheit der Gemeinde aufgearbeitet habe. In der Broschüre wird etwa erwähnt, dass 1941 in Kirchstetten unter Herrschaft der NSDAP die Verschleppung von 81 dort ansässigen Roma und Sinti getätigt wurde.

Fotostrecke mit 2 Bildern

Weinheber NSDAP
ORF Archiv
Josef Weinheber trat erstmals 1931 der NSDAP bei
Grabstein Weinheber
ORF Archiv
Der Lyriker starb in der Gemeinde Kirchstetten, wo er auch begraben wurde

Umbenennungen heute kein Thema in Kirchstetten

Seitens der SPÖ sehe man den Umgang mit der Installation damals wie heute kritisch, wie Robert Winter (SPÖ) aus dem Gemeinderat auf Anfrage von noe.ORF.at erklärt. In der Bevölkerung sei die Umbenennung der nach Weinheber benannten Orte kaum ein Thema, meint Bürgermeister Josef Friedl (ÖVP). Viel mehr priorisiere man den Ausbau der Gemeinde mit einem Feuerwehrhaus. Was die Aufarbeitung der Geschichte betrifft, sei man aber aufgeschlossener als noch vor zehn Jahren. Sowohl ÖVP als auch SPÖ der Gemeinde sehen auf Anfrage einer Kontextualisierung der Geschichte positiv entgegen.

„Speziell heute kann man die damalige Zeit nicht ruhen lassen“, so Friedl. Der Verein ZEITzeigen bringe hier immer gute Vorschläge. Dieser spricht etwa von der Idee einer Gedenktafel, die am Bahnhof aufgestellt werden könnte – von dort aus wurden damals Roma und Sinti ins KZ deportiert. Das örtliche Grab einer Romni wird außerdem als Ehrengrab von der Gemeinde finanziert.

Weinheber-Gedenkorte auch anderswo

Dass Orte nach Weinheber benannt wurden, sei „keineswegs ein Problem, dass nur Kirchstetten betrifft“, betont Historiker Kühschelm. In Niederösterreich gebe es auch andere Weinheber-Straßen. Außerdem erfolgte in Wien 1958 die Benennung des Josef-Weinheber-Platzes und 1969 des Josef-Weinheber-Hofes in Wien-Ottakring. 1975 wurde zudem am Schillerplatz eine Büste Weinhebers aufgestellt.

Die Weinheber-Büste wurde – ebenfalls nach jahrelanger Kritik – im Jahre 2019 mit einer Erläuterungstafel versehen, die auf die NS-Tätigkeiten hinweist, genauso in Ottakring am Josef-Weinheber-Platz – mehr dazu in Umstrittenes Weinheber-Denkmal freigelegt (wien.ORF.at; 7.6.2019).