Silbernes Ehrenzeichen
Politik

Ehrenzeichen: Land prüft posthume Aberkennung

Das Land prüft eine Reform zur Aberkennung von Ehrenzeichen. Im Bund können Ehrenzeichen der Republik seit heuer wieder aberkannt werden, auch wenn Geehrte, etwa NS-Mitglieder, schon verstorben sind. Überprüfenswert sind laut Experten auch einige Niederösterreicher.

Otto Tschadek, ehemaliger Justizminister und Landeshauptmann-Stellvertreter von Niederösterreich: Für seine Arbeit erhielt der SPÖ-Politiker das Große Goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich. Dass er als Marinerichter im Zweiten Weltkrieg Menschen hinrichten ließ, war lange Zeit nicht bekannt.

In seinen Memoiren habe er diese Zeit „bagatellisiert“, sagt Thomas Geldmacher-Musiol, Politologe und Obmann des Personenkomitees „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“. „Wir wissen heute, dass Otto Tschadek zumindest vier Todesurteile ausgesprochen hat, von denen zumindest eines auch vollstreckt wurde, eines wurde in eine Zuchthausstrafe umgewandelt.“ Die anderen beiden seien unbekannt.

Herr über Leben und Tod

Die vier Betroffenen waren laut Geldmacher-Musiol ein Deserteur, ein Plünderer, ein „Volksschädling“ und ein „Wehrkraftzersetzer“. Richter wie Tschadek seien damals Herr über Leben und Tod gewesen, auch weil die Betroffenen dagegen nicht berufen konnten: „Die Richter wussten genau, was sie taten, wenn sie ein Todesurteil verhängt haben, die Militärjustiz war eindeutig eine politische Justiz.“ Deshalb soll das Ehrenzeichen für Tschadek überprüft werden.

Auch die Rolle des ehemaligen Bundespräsidenten Kurt Waldheim aus St. Andrä-Wördern (Bezirk Tulln) in der NS-Zeit sollte man sich genauer ansehen, findet der Politologe. Die Mitgliedschaft im NS-Studentenbund und in der „SA-Reiterstandarte 5/90“ waren auf seiner Wehrstammkarte verzeichnet. Waldheim bestritt 1986, diese selbst beantragt zu haben.

Kurt Waldheim 2004, im Alter von 84 Jahren
APA
Waldheim 2004 im Alter von 85 Jahren, er verstarb 2007

„Kurt Waldheim war – oder vielleicht auch nur sein Pferd – Mitglied der SA, Offizier in Griechenland und noch immer nicht ganz klar, wie viel er von den Judendeportationen wusste bzw. wissen musste.“ Hinsichtlich dieser Mitgliedschaften in NS-Verbänden bzw. Waldheims Funktionen in der Deutschen Wehrmacht sieht Geldmacher-Musiol die Kriterien des neuen Ehrenzeichengesetzes erfüllt, „dass man sich das anschaut.“

„Überzeugte Nationalsozialisten“

Auch die Rolle von Nationalrat Karl Bandion (ÖVP) aus St. Bernhard-Frauenhofen (Bezirk Horn), der schon 1933 und damit sehr früh der NSDAP beitrat – „damals ist man nicht zufällig beigetreten, das waren überzeugte Nationalsozialisten“ – und von Innenminister und Landesrat Otto Rösch (SPÖ), Mitglied des NS-Soldatenrings und Lehrer einer Nazi-Eliteschmiede in Traiskirchen (Bezirk Baden), sollten überprüft werden.

Prüfen muss solche Fälle ein Beirat aus sieben Expertinnen und Experten, der im Bundeskanzleramt angesiedelt ist und Empfehlungen abgibt. Die formelle Aberkennung übernimmt der Bundespräsident. Das neue Gesetz wurde vergangenen Herbst im Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS beschlossen. Laut Experten seien in Österreich jahrzehntelang Ehrenzeichen verliehen worden, ohne groß über die Rolle der Geehrten in der NS-Zeit nachzudenken.

Klare Kriterien für Aberkennung

Das neue Gesetz regelt nun genau, unter welchen Voraussetzungen eine Auszeichnung aberkannt werden kann. Dazu gehören etwa Verurteilungen wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben oder die sexuelle Integrität, vorsätzlich begangene Straftaten gegen verfassungsmäßige Einrichtungen Österreichs, Verstöße gegen das Verbotsgesetz oder eine seinerzeit führende Rolle in einer nationalsozialistischen Organisation.

Diese Überprüfung würde aus Sicht des Personenkomitees nun etwas Gerechtigkeit schaffen und die Legende von der sauberen Wehrmacht bzw. Militärjustiz, die oft als Ort des Widerstands gegen das Regime bezeichnet wurde, widerlegen. „Neuere Forschungen zeigen, dass das nicht stimmt“, sagt der Politologe. Zugleich setze man damit ein Zeichen: „Wir breiten eben nicht mehr den Mantel darüber und sagen, das waren halt die Zeiten damals.“

In Niederösterreich ist die Aberkennung von Ehrenzeichen des Landes laut Gesetz möglich, aber nur „bei wiederholter Verurteilung wegen eines Vergehens“ oder wenn „durch die wiederholten Straftaten das Ansehen des Bundeslandes geschädigt wird.“ Von der Landesregierung hieß es dazu auf Anfrage: Die Reform des Ehrenzeichengesetzes im Bund „wird von uns zum Anlass genommen, eine Änderung der entsprechenden landesrechtlichen Rechtsvorschriften zu prüfen.“

Landtagsparteien sind uneins

Beschließen müsste so eine Änderung der Landtag. „Eine allfällige Änderung wird geprüft“, heißt es dazu aus dem ÖVP-Landtagsklub. Auch die SPÖ will sich noch nicht festlegen. „Der scharfe Blick auf unsere Geschichte bringt immer neue Erkenntnisse“, schreibt Landesgeschäftsführer Wolfgang Zwander. Aktuell werde geprüft, „welche Ableitungen sich für Niederösterreich aus der Novellierung des Bundes-Ehrenzeichengesetzes ergeben.“

Laut den Grünen sollten Ehrenzeichen bundesweit gleich geregelt sein, die neue Bundesregelung soll deshalb auch in Niederösterreich zur Anwendung kommen, findet Klubobfrau Helga Krismer: „Der verstorbenen Person wird es egal sein, aber dem Land kann es nicht egal sein.“

Das fordert auch NEOS. Die Partei machte im Bund über Jahre Druck, um die Möglichkeit zu schaffen, Ehrenzeichen abzuerkennen. „Das muss selbstverständlich auch in Niederösterreich möglich sein – posthum, aber auch zu Lebzeiten.“ NEOS würde solche Verleihungen aber generell hinterfragen, „vor allem dann, wenn die Politik die Politik auszeichnet“.

Tschadek auch Ehrenträger in NÖ

Ablehnung kommt von den Freiheitlichen. „Aus unserer Sicht braucht es diese Möglichkeit nicht. Es würde sich um reine Symbolpolitik handeln“, heißt es in einer Stellungnahme der Landespartei. Die FPÖ sei „gegen die ständige Demontage der Geschichte. Das gilt auch für die Umbenennung von Straßen und den Abriss von Denkmälern.“

Der ehemalige Landeshauptmann-Stellvertreter Otto Tschadek wurde 1960 auch mit dem Goldenen Komturkreuz mit dem Stern des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich ausgezeichnet.