Nachtlokal
ORF/Hollerer
ORF/Hollerer
Chronik

Junge fehlen: Nachtgastronomie im Umbruch

Die Nachtgastronomie hat sich in den letzten Jahren nachhaltig verändert. Aufgrund der Pandemie sind Jugendliche auf Alternativen ausgewichen und dann teilweise nicht wiedergekommen. Verstärkt wird dieser Trend durch einen Wertewandel bei der Jugend.

Gute Musik, gute Freunde, das eine oder andere Getränk – alles, was man für die perfekte Partynacht braucht. Genau so ist das Wochenende im Nachtclub von Christoph Horeischy in Wiener Neustadt verlaufen. Die Tanzfläche war gut gefüllt – und dennoch: Den Vor-Pandemie-Umsatz konnte man bisher noch nicht wieder erreichen.

Diese Tatsache deckt sich auch mit dem Eindruck mehrerer Nachtschwärmerinnen und Nachtschwärmer. „Vor Corona war hier in der Herrengasse definitiv mehr los“, meint etwa Vanessa aus Lanzenkirchen (Bezirk Wiener Neustadt). Und Laura aus Wiener Neustadt ergänzt: „Ich glaube, dass einige Leute nicht mehr fortgehen, weil alles so teuer ist. Daheim feiern ist natürlich billiger.“

Spezielle Events: „Man muss den Leuten etwas bieten“

„So wie vor zwanzig Jahren, dass man einfach aufsperrt und die Leute kommen halt, so ist es nicht mehr“, erklärt Clubbetreiber Horeischy. Man müsse den Gästen immer etwas bieten. „Wir machen jetzt Veranstaltungsserien, mit gewissen Musikgenres und passender Deko.“ Dieses neue Konzept war auch am Wochenende bemerkbar.

Jeden ersten Freitag im Monat steht jetzt in Horeischys Lokal ein Abend bzw. eine Nacht ganz im Zeichen der Hits von den 90er Jahren bis heute, inklusive Discofeeling mit jeder Menge Discokugeln und anderen Dekoelementen, etwa einem eigenen Portal am Eingang. „Die Jungen wollen immer ein bisschen Show, weil sie dann ja auch in den sozialen Medien Videos posten wollen“, sagt Horeischy gegenüber noe.ORF.at.

Nachtlokal
ORF/Hollerer
Nach wie vor hat man etwa in diesem Nachtlokal den Vor-Coronavirus-Umsatz nicht wieder erreichen können

Umfrage: Party hat keinen hohen Stellwert für Junge

Dass man die Jungen für das Fortgehen regelrecht anwerben muss, ist beim Ergebnis einer Umfrage des Instituts für Jugendkulturforschung nicht verwunderlich: 1.000 junge Menschen wurden gefragt, was ihnen im Leben besonders wichtig ist, Mehrfachnennungen waren möglich. Auf Platz eins landete dabei das Thema Gesundheit. Die Kategorie „am Wochenende richtig Party machen“ hingegen belegte mit neun Prozent den letzten Platz.

Beate Großegger, die wissenschaftliche Leiterin am Institut für Jugendkulturforschung in Wien, spricht von einem Trend hin zum Cocooning. „Man trifft sich mit den Leuten, die man am allerliebsten hat, in einer kleinen Gruppe, und zwar auch zu Hause. Man muss nicht mehr unbedingt fortgehen. Man geht vielleicht auch mal auf eine Almhütte und kocht gemeinsam“, so die Wissenschaftlerin.

Fortgehen nicht „gelernt“: Pandemie verstärkte Cocooning

Und geschlossene Nachtclubs, Lockdowns und Co. dürften diesen Trend verstärkt haben, meint Großegger. „Die jungen Menschen waren zuerst ein bisschen skeptisch, ob das cool ist, was sie gezwungenerweise machen mussten, weil alles geschlossen war. Aber manches war dann doch ganz lustig, und das haben sie beibehalten.“ Der 21-jährige Raffael aus Oberpullendorf im Burgenland, der dieses Wochenende in der Wiener Neustädter Clubszene unterwegs war, ergänzt, seine Generation sei aus dem Feiern „ein bisschen draußen“. „Die, die damals 16 geworden sind, konnten dann wegen Corona bis 18 nicht beginnen fortzugehen.“

Auch weil viele Junge das Fortgehen gar nicht „gelernt“ hätten, würden Nachtlokale jetzt oft auf die „Älteren“ setzen, meint Kurt Reischer, Funktionär in der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer Niederösterreich und selbst Nachtlokalbetreiber in Gars am Kamp (Bezirk Horn). „Wenn man sich so umschaut, auch bei Kollegen in anderen Lokalen, machen jetzt viele Ü30-Partys. Oder man macht 80er und 90er Partys. Das ist die Generation, die noch fortgegangen ist.“

Nachtlokal
ORF/Hollerer
Kurt Reischer setzt in seinem Nachtlokal in Gars am Kamp auf die „Älteren“

Konkurrenz durch immer professionellere Dorffeste

Auch wenn seit 2019 in 18 von den damals 270 Nachtlokalen in Niederösterreich das Licht ausgegangen ist – ein großes Clubsterben scheint es nicht zu geben. Der klassische Nachtlokalbetrieb immer freitags und samstags hat aber immer öfter ausgedient. „Am Land ist es mittlerweile so, dass manche Diskotheken sagen, sie haben diese und diese Woche gar nicht offen, weil es ein Vereinsfest oder eine Veranstaltung von der Landjugend gibt, dann zahlt es sich ohnehin nicht aus“, berichtet Reischer.

Horeischy bestätigt diesen Eindruck. „Dorffestln“ – vor allem während der Frühlings- und Sommermonate – würden sich bei der Gästefrequenz bemerkbar machen. „Und die werden auch immer professioneller. Früher sind ein paar Heurigenbänke dagestanden, jetzt haben sie einen eigenen DJ, Barequipment und so weiter.“

Teuerung: „Gäste kommen einmal weniger“

Da die Wiener Neustädter Lokale ein großes Einzugsgebiet bis ins Burgenland haben, sei es nicht verwunderlich, dass dann das Event in Mattersburg besucht wird, anstatt nach Wiener Neustadt zu kommen. Jugendliche würden jetzt außerdem gezielter fortgehen und nur bestimmte Events besuchen. „Jeden Freitag und Samstag um 22.00 Uhr fortgehen, das ist nicht mehr selbstverständlich“, sagt Reischer. Diesen Trend sieht auch die Jugendforscherin. „Man setzt Highlights und geht auf ein spezielles Event, und dann spart man wieder ein bisschen“, so Großegger.

Und auch die Teuerung geht an der Branche nicht spurlos vorbei. Die Gäste, die kommen, seien bei den Konsumationen in der Regel nicht zurückhaltender als früher, meint Horeischy, „aber wenn sie früher zum Beispiel dreimal im Monat gekommen sind, dann bleiben sie jetzt einmal davon daheim“. Und wer früher vielleicht noch spontan in die Stadt gefahren sei, werde jetzt oft von hohen Taxikosten abgeschreckt.

Nachtgastronomie: Branche verändert sich

Die Nachtgastronomie ist wegen der Coronavirus-Maßnahmen zwei Jahre lang fast gänzlich zum Erliegen gekommen. Die Nachwehen spüren viele Nachtlokalbetreiber immer noch. Viele Jugendliche sind auf Alternativen ausgewichen und haben das teilweise auch so beibehalten. Hinzukommt ein genereller Wertewandel bei der Jugend.

„Party bis zum Umfallen passt nicht mehr in die 2020er“

Jugendliche hätten heutzutage außerdem auch jede Menge andere Ausgaben, und das oft bei knappen Budgets. „Der Handyanbieter, Netflix, Amazon und Co. sind schneller als wir, die buchen einfach ab. Und da ist ein Teil des Gehalts oder des Taschengelds gleich mal am Monatsanfang weg“, so Reischer. Diese Ausgaben habe es früher nicht gegeben, deshalb hätten Jugendliche mehr Geld für die Nachtgastronomie zur Verfügung gehabt.

Und auch auf Fitness und genügend Schlaf lege die Jugend großen Wert, sagt die Jugendforscherin. Großegger fasst die aktuelle Situation so zusammen: „Party bis zum Umfallen, das passt nicht mehr in die 2020er Jahre.“