Chronik

„Brauchen Weltfrauentag noch länger“

Der heutige Weltfrauentag macht auf die fehlende Gleichstellung aufmerksam – und wir werden ihn noch länger brauchen, sagen zwei Frauen im Gespräch mit noe.ORF.at: Justizanstaltsleiterin Stefanie Schmölzer und Barbara Bühler, Leiterin des Armutsnetzswerks.

Stefanie Schmölzer ist als Leiterin der Justizanstalt Wr. Neustadt seit Juli für mehrere hundert Häftlinge verantwortlich. Eine besondere Herausforderung seien die ständigen Schwankungen, was die Belagszahlen angeht. „Wir sind ein gerichtliches Gefangenenhaus“, erklärt Schmölzer, „das heißt, wir sind auch zuständig für die Durchführung der Untersuchungshaft.“ Es können also rund um die Uhr Personen, die angehalten werden, dazukommen – darauf gilt es rasch und flexibel zu reagieren.

Schmölzer und die Justizwachebeamten und -beamtinnen haben es mit der vollen Breite des Strafgesetzbuches zu tun, „vom Suchtgifthandel über Vermögensdelikte bis hin zu versuchtem Mord oder Mord.“ Dennoch sei es nicht ihre Aufgabe, zu verurteilen. „Das ist nicht unser gesetzlicher Auftrag. Die Personen sind da. Wir haben ein ganz klares Regelwerk. Und wir begegnen den Menschen hier im Alltag, im Haftalltag.“ Dafür brauche es Einfühlungsvermögen, sagt Schmölzer: „Das genaue Hinschauen, warum hat die Person jetzt so einen Gesichtsausdruck – wenn man da eine sensible Wahrnehmung hat, dann hilft das.“

Stefanie Schmölzer
ORF/Birgit Zrost
Stefanie Schmölzer muss in ihrem Job rasch, flexibel und mit der nötigen Empathie reagieren

Frauen in Führungspositionen

In den Top 200 Unternehmen Österreichs liegt der Frauenanteil in der Geschäftsführung laut dem AK Frauen.Management.Report bei 12 Prozent, in den Aufsichtsräten sind es knapp 27 Prozent.

Deutlich besser sieht es derzeit im Strafvollzug aus: Hier sind 11 der 26 aktuell besetzten Stellen mit Leitungsfunktion mit Frauen besetzt, heißt es im Justizministerium auf Nachfrage.

Gespräche mit den Insassen und Insassinen stehen für sie regelmäßig am Plan. „Man muss zu den Leuten ehrlich und direkt sein. Die Wahrheit ist nicht immer das Angenehmste, das ist mir klar. Aber es steht jedem zu, auch ein Feedback zu seiner Entwicklung hier im Strafvollzug zu bekommen.“

Dabei sei sie „aufgrund der verschiedenen nicht österreichischen Nationen“ auch immer wieder mit einem Frauenbild konfrontiert, „das im absolut grenzwertigen Bereich ist“. Dass sie in ihrer Position deshalb nicht ernst genommen wird, sei der Juristin aber noch nicht passiert – weder im Kontakt mit den Häftlingen noch mit dem Personal.

„Offenbar braucht es Frauenförderung“

Als Frau in Führungsposition gehört sie noch immer zu einer Minderheit. „Ich glaube, dass Frauen marketingmäßig das eine oder andere Mal mehr für sich tun könnten“, meint Schmölzer dazu im Gespräch mit noe.ORF.at, „und offensichtlich braucht es Frauen-Förderungsmechanismen in der Privatwirtschaft. Weil eines ist klar: Es gibt definitiv sowohl im männlichen als auch im weiblichen Mitarbeiterbereich Qualität und Kompetenz. Und das ist ja das, was gewünscht ist.“

Den Weltfrauentag brauchen wir laut Schmölzer noch länger, „um wieder einmal darauf hinzuweisen, dass wir zwar rechtlich gesehen die Gleichstellung haben, faktisch gesehen aber noch in einem Prozess sind, wo wir weiter daran arbeiten müssen.“

Barbara Bühler
ORF/Birgit Zrost
Barbara Bühler setzt sich als Koordinatorin des Armutsnetzwerks für soziale Sicherheit ein

„Soziale Sicherheit sollte gesellschaftlicher Konsens sein“

Barbara Bühler kennt die andere Seite: Als Sozialarbeiterin war und ist sie ganz nah an den Problemen von Menschen, die von Armut betroffen sind. Daraus entstand der Wunsch, mehr zu tun, um deren Situation zu verbessern.

„Letzten Endes kann das jeden von uns betreffen“, meint Bühler, „ich wünsche mir einfach in einer Gesellschaft, einem Land, einem Bundesland zu leben, wo es ein gelebter Konsens ist, zu sagen: Soziale Sicherheit ist wichtig.“ Mittlerweile ist Bühler Koordinatorin des Armutsnetzwerks Niederösterreich, ein Zusammenschluss aus 31 Organisationen, die auf sozialpolitische Schieflagen aufmerksam machen wollen.

Unbezahlte Arbeit

4:19 Stunden wenden erwachsene Frauen unter 65 Jahren pro Tag für unbezahlte Arbeit auf, bei Männern sind es laut der Zeitverwendungserhebung der Statistik Austria 2:29 Stunden.

Selbst in einer Partnerschaft, in der beide in gleichem Ausmaß berufstätig sind, übernimmt die Frau im Schnitt 64 Prozent der Hausarbeit.

Österreich ist ein „Sozialversicherungsstaat“

„Wenn man sich den Sozialstaat in Österreich anschaut, dann ist das im ganz Wesentlichen ein Sozialversicherungsstaat“, so Bühler, „das heißt, ganz viele unserer Leistungen bauen darauf auf, dass man im Idealfall Vollzeit ohne Unterbrechungen möglichst bis zur Pension erwerbstätig ist.“

Frauen sind durch längere Karenzzeiten oder Teilzeitbeschäftigung benachteiligt und dadurch häufiger von Armut betroffen. „Wenn ich arbeitslos werde, dann falle ich auf 55 Prozent des letzten Nettolohns zurück. Wenn ich vorher schon teilzeitbeschäftigt war, dann war es vielleicht vorher schon prekär, aber spätestens dann wird es wirklich schwierig.“

Ein Grund für die höhere Teilzeitquote ist, dass die unbezahlte Arbeit noch immer nicht fair verteilt ist. Auch Alleinerzieherinnen würden vom System benachteiligt, sagt Bühler. „Ich denke, solange das so ist, dass die soziale Sicherheit so unterschiedlich gestaltet ist, so lange brauchen wir den Weltfrauentag.“