zerstörter Zug
Pressestelle BFK Mödling / Michael Buhn
Pressestelle BFK Mödling/Lukas Derkits
Chronik

Tödlicher Zugunfall: Neuer Prozess ohne Urteil

Nach dem tödlichen Zugunfall 2022 bei Münchendorf hat sich der Triebwagenführer am Donnerstag erneut vor Gericht verantworten müssen. Das Oberlandesgericht hatte das erste Urteil wegen Mängel aufgehoben. Der Angeklagte bekennt sich weiterhin nicht schuldig.

Gut ein Jahr nach dem ersten Urteil und einer erfolgreichen Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) musste der 55-jährige Triebwagenführer erneut im Landesgericht Wiener Neustadt Platz nehmen. Der Verteidiger des ungarischen Staatsbürgers, Andrej Mlecka, hatte gegen das Urteil – sechs Monate bedinge Haft – berufen. Laut dem OLG war die Beweiswürdigung mangelhaft, die Schuldfrage ist nun neu zu klären.

Laut Anklage soll der Triebwagenführer den Zug vor dem Unfall im Mai 2022 auf 145 km/h statt der erlaubten 60 km/h beschleunigt haben. Als der Zug mit diesem Tempo außerhalb von Münchendorf (Bezirk Mödling) über eine Weiche fuhr, entgleiste er. Ein Passagier wurde dabei getötet, der Angeklagte und ein Insasse wurden schwer verletzt.

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Zugsunglück
Monatsrevue.at
Der Unfall ereignete sich gegen 18.00 Uhr bei Münchendorf
Zugsunglück Münchendorf
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Es handelte sich um einen Zug der Raaberbahn
Luftansicht des Zugunglücks bei Münchendorf
APA/ÖAMTC
Das Rote Kreuz berichtete von einem Toten und zwei Schwerverletzten
Zugsunglück
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Ein Großaufgebot an Rettungskräften war im Einsatz
Zug entgleist
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Die Unfallursache war vorerst nicht bekannt
Zugsunglück Münchendorf
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Zugsunglück
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Zugsunglück
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Zugsunglück Münchendorf
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Sicherheitsvorschrift verletzt

Bei der Prozesswiederholung gab der Angeklagte neuerlich an, dass er vor dem Unfall über die Tempobeschränkung vom Fahrdienstleiter nicht per Funk informiert worden sei, wie es eigentlich im Regelwerk vorgesehen sei. Laut Anwalt Mlecka ein schwerer Fehler: „Das ist ja eine Sicherheitsvorschrift, hätte der Fahrdienstleiter das gemacht, hätte der Triebwagenführer rechtzeitig reagieren können.“

Zudem beteuerte der Ungar immer wieder, dass er vor dem Unfall ein falsches Signal angezeigt bekommen habe – nämlich freie Fahrt. Laut seinem Anwalt sei die Strecke technisch generell fehleranfällig, auch im Zusammenhang mit dem Signalaufbau. „Uns ist bekannt, dass es hier doch öfters zu Störungen kommt.“ Im Raum steht, dass eine Lampe auf der Signalanlage verzögert sichtbar wurde.

Zu viele Annahmen

Auf diesen Punkt bezog sich auch das OLG bei der Aufhebung des Schuldspruchs wegen Mängel im Beweisverfahren des Erstgerichts. Die Signalanlage wurde etwa nach dem Unfall vom Sachverständigen weder auf Funktionsfähigkeit überprüft, noch standen Untersuchungsberichte der ÖBB als Infrastrukturbetreiber oder der Raaberbahn als Verkehrsunternehmen zur Verfügung. Der Gutachter stützte sich laut OLG auf zu viele Annahmen und zu wenig Beweise.

Die für Bau und Betrieb des ÖBB-Streckennetzes zuständige ÖBB-Infrastruktur gab außerdem an, dass die Signalanlage von 19. Februar bis 1. März 2022, und somit drei Monate vor dem Zugunglück, überprüft wurde und dabei „keine sicherungstechnischen Mängel“ festgestellt wurden. Einen Prüfbericht gebe es dazu allerdings ebenso wenig wie eine Auswertung des Stellwerks zum Zeitpunkt des Vorfalls.

Beschuldigter
ORF/Stefan Schwarzwald-Sailer
Der Angeklagte am ersten Tag der Prozesswiederholung

Prüfberichte sollen Aufschluss bringen

Am Donnerstag wurden deshalb mehrere ÖBB-Mitarbeiter als Zeugen geladen, die in diesem Zeitraum damals die routinemäßigen Kontrollen durchführten. Unter Wahrheitspflicht bestätigten alle, dass es keine sicherungsrelevanten Mängel gegeben habe, gaben jedoch an, dass es dazu durchaus Prüfberichte gebe. Diese will das Gericht nun nochmals anfordern, um Aufschluss geben zu können, ob die Signalanlage tatsächlich einwandfrei funktioniert hat.

Am frühen Nachmittag wurde die Verhandlung vertagt, der Prozess soll im Juni fortgesetzt werden. Dabei soll auch ein Mitarbeiter von Siemens vorgeladen werden. Das Unternehmen hatte die Signalanlagen errichtet. Offen ist nach wie vor, ob die Auswertung der Anlage nachträglich manipuliert worden sein könnte. Dem Angeklagten drohen bei einer Verurteilung bis zu drei Jahre Haft.