Michaela Gindl
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Chronik

Expertin: „Viel mehr Väter müssen in Karenz“

Bei der Gleichstellung ist in vielen Bereichen noch viel zu tun. Im Interview mit noe.ORF.at spricht Gleichstellungsexpertin Michaela Gindl von der Donau-Universität Krems über Probleme und Lösungen. Es sei notwendig, dass „viel, viel mehr Väter in Karenz gehen“.

Frauen bekommen um 41 Prozent weniger Pension als Männer. Sie sind häufiger in Teilzeit-Jobs, weil sie einen Großteil der Betreuungsarbeit leisten müssen. Ihre Armutsgefährdungsquote ist im höheren Alter um 50 Prozent höher als bei Männern – das sind nur einige Fakten, die klar machen, dass bei der Gleichstellung von Männern und Frauen nach wie vor einiges zu tun ist.

Insbesondere am Weltfrauentag am 8. März wird auf die Missstände hingewiesen. Über das, was noch passieren muss und die Gründe für die Ungleichstellung sprach „NÖ-heute“-Moderatorin Veronika Berger mit Gleichstellungsexpertin Michaela Gindl von der Universität für Weiterbildung in Krems.

noe.ORF.at: Zuletzt gab es Diskussionen rund um eine verpflichtende Väterkarenz. Wie stehen Sie dazu?

Michaela Gindl: Es ist eine gute Idee, weil es wichtig ist. Es ist absolut notwendig, dass viel, viel mehr Väter in Karenz gehen. Zum einen, weil wir sehen, dass Frauen überdurchschnittlich viel an unbezahlter Tätigkeit machen zu Hause. Das ist vor allem Kinderbetreuung, aber auch andere Tätigkeiten.

Bei den Verpflichtungen muss man immer auch ein Stück weit vorsichtig sein. Wir wissen, dass Verpflichtungen nur dann wirklich auch Aussicht haben, erfolgreich implementiert zu werden und nachhaltig implementiert zu sein, wenn sie gut eingebettet sind in passende Rahmenbedingungen.

Das heißt, wenn sich tatsächlich auch die Unternehmen dahingehend verändern, Väterkarenz auch wirklich möglich zu machen. Und natürlich auch, wenn die Einkommen der Frauen entsprechend nachziehen. Weil das ist ja ganz oft ein Grund, warum Mütter auch in Karenz gehen, weil das Einkommen der Frau meistens niedriger ist und die Person, die das höhere Einkommen hat, bleibt in der Erwerbstätigkeit.

noe.ORF.at: Dazu kommt, dass Frauen nach wie vor eine sehr hohe Teilzeitquote haben. Das hat Auswirkungen auf Gehalt, Pensionen, Versicherungen, Altersarmut. Warum tut sich da nicht mehr?

Gindl: Ja, die Teilzeitquote in Österreich ist tatsächlich sehr, sehr hoch. Also fast 50 Prozent, fast die Hälfte der Frauen sind in Teilzeit. Warum tut sich da nicht mehr? Das hat tatsächlich ganz viel mit Kinderbetreuung zu tun. Das ist ja im Moment in aller Munde. Der Ausbau der Kinderbetreuung ist sicher ein wesentlicher Aspekt, um tatsächlich die Teilzeitquote von Frauen zu senken und mehr Frauen in eine Vollzeit-Erwerbstätigkeit zu bringen.

Ich glaube, was auch notwendig ist oder was Sinn machen würde: Ein Stück weit mehr über alternative Arbeitszeitmodelle für junge Familien nachzudenken, die es möglich machen, Familie und Beruf gut miteinander zu vereinbaren, auch jenseits von zwei mal Vollzeittätigkeit und Kinder in einer Vollzeitbetreuung.

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Michaela Gindl von der Donau-Universität Krems im Gespräch mit „NÖ-heute“-Moderatorin Veronika Berger

noe.ORF.at: Sie haben vorher schon gesagt, bei der Väterkarenz etwas vorzuschreiben, ist oft schwierig. Sehen Sie das bei der Quotenregelung ähnlich?

Gindl: Bei Quotenregelungen etwas vorzuschreiben ist dann schwierig, wenn es nicht gut eingebettet ist. Ich bin eine große Verfechterin der Quote. Ich halte die Quote absolut für sinnvoll. Wir sehen zum Beispiel, dass die 30-prozentige Frauenquote in börsennotierten Unternehmen in den Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen sehr viel gebracht hat.

Das hat sich verändert von 20 Prozent auf 36 Prozent innerhalb von fünf oder sechs Jahren. Das bringt schon was. Die Quote ist zu Unrecht ein bisschen in Misskredit, weil manchmal bei der Kommunikation der Quote nicht mittransportiert wird, dass es sich immer um gleiche Qualifikation handeln muss, also eine Bevorzugung von Frauen bis zur Erreichung einer gewissen, eines gewissen Anteils bei gleicher Qualifikation.

Aber auch hier, wie gesagt, wirklich wieder gut eingebettet in Strukturen. Und man darf ja nie vergessen, schlussendlich, wenn es um Gleichstellung geht, müssen Menschen auch bereit sein, ihr Verhalten, ihre Einstellungen, ihr Bewusstsein zu verändern. Und man muss bei allen Gleichstellungsmaßnahmen immer auch gut darauf achten, alle Menschen mit ins Boot zu holen.