The Tiger Lillies verbinden Punk-Rock, Kunstmusik im Brecht-Weill-Stil sowie Zirkusklänge mit britischem Humor, Varieté und Kabarett. Die Struwwelpeter-Episoden werden grell überzeichnet. Entsprechend zu dieser Melange führt auch eine Art Zirkusdirektor (in Mödling treffend verkörpert von Georg Kusztrich) durch die Szenenabfolge dieses Pandämoniums der skurrilen Erwachsenen- und Kinderfiguren.
Mit Frack, Zylinder und tief geschwärzten Augen tritt er zu Beginn von „Shockheaded Peter“ vor den roten Vorhang und warnt das Publikum im Saal: „Die mit schwachen Nerven mögen den Saal verlassen. Echt! Diese Dinge sind nicht für Leute, die die Flüssigkeit nicht halten können!“ Das Sammelsurium an verhaltensauffälligen Figuren, vom daumenlutschenden Konrad bis hin zum pyromanischen Paulinchen, die das elterliche Haus Haus und sich selbst abfackelt, ist wahrlich nichts für biedere Geister, wohl aber für Liebhaber des abgründigen britischen Humors.
Fotostrecke mit 8 Bildern
Viel künstlerische Freiheiten, viel Geglücktes in Mödling
Die Tiger Lillies, die „Shockheaded Peter“ gemeinsam mit den Autoren Julian Crouch und Phelim McDermott als trashiges Musiktheater geschaffen haben, lassen den Inszenierenden viel Freiraum. „Es ist eine gruselige Aufgabe, den Struwwelpeter zu inszenieren, weil es tausende Möglichkeiten gibt und man sich entscheiden muss, wohin man sich bewegen will“, räumte Regisseur und Bühnenbildner Marcus Ganser verschmitzt vor der Premiere ein.
Immer wieder blitzen amüsante Regie-Einfälle auf: Der Hanns-Guck-in-die Luft irrt, gebannt aufs Handy starrend, durch die Gassen. Alle pädagogischen Versuche der Eltern, die bekanntlich arg aus dem Ruder laufen, enden tödlich und die Kinderleichen werden wenig dezent unter die große rote Kleinbürger-Couch geschoben. „Es ist ein tolles Stück, in dem man sich kreativ voll austoben kann“, freute sich die Kostümdesignerin Anna-Sophie Lienbacher. Beide, der Bühnenbildner und die Kostümgestalterin, haben zur Freude des Publikums aus dem Vollen geschöpft.
Mödling nimmt mehr die Eltern ins Visier
„Das Buch unterscheidet sich schon vom Stück. Es zielt auf eine Ermahnung der Kinder ab, dass sie sich benehmen sollen. Bei uns ist es eher eine Mahnung an die Eltern: Schau, dass du lieb bist zu deinen Kindern, schau, dass du sie respektvoll behandelst und übertreib deine Erziehungsarbeit nicht, sonst passieren furchtbare Sachen“, meint Anna-Sophie Lienbacher.
Die Szenen werden von einer Live-Band, die aus fünf Musikern besteht, musikalisch kommentiert. Béla Fischer hat die Kompositionen von Martyn Jacques für sein Ensemble, das links und rechts auf der Bühne spielt, sehr stimmig und szenen-unterstützend eingerichtet. „Shockheaded Peter“ in Mödling ist eine vergnüglich hintersinnige und abgründige Geisterbahnfahrt, auch zurück in die eigenen Kindheitserinnerungen und Fantasien rund um den Struwwelpeter.