In den frühen Morgenstunden des 13. Februar 1960 schiebt sich eine schwarze Dienstlimousine mit dem Kennzeichen „W 25“ langsam über den Grenzübergang Spielfeld. In dem Wagen sitzt der Wiener Erzbischof Franz König. Als erster westlicher Kardinal gelingt es König den Eisernen Vorhang zu überwinden und nach Jugoslawien einzureisen. König möchte am Begräbnis des verstorbenen Zagreber Erzbischofs Alojzije Stepinac teilnehmen. Die Angelegenheit ist heikel und erfordert absolute Diskretion, denn die Kirche wird in den sozialistischen Ländern mit allen Mitteln bekämpft.
König wird Zagreb nie erreichen, doch die Reise wird für den Erzbischof dennoch prägend. Bei Varaždin, 80 km von Zagreb entfernt, verliert der Wagen bei Blitzeis die Spur, schlingert, gerät auf die Gegenfahrbahn und kracht frontal in einen entgegenkommenden Lkw. Der Fahrer ist sofort tot, schwerverletzt werden König und ein weiterer Begleiter ins Spital eingeliefert.
Kardinal Franz König
1905 in Rabenstein an der Pielach (Bezirk St. Pölten) geboren, steigt Franz König rasch zum wichtigen Kirchenmann auf. 1952 wird König Bischof von St. Pölten, 1956 Erzbischof von Wien, zwei Jahre später folgt die Ernennung zum Kardinal. 1985 legt König das Amt des Erzbischofs zurück, 2004 stirbt König im 99. Lebensjahr in Wien.
Einzige Informationsquelle für den Vatikan
Während in Österreich die ersten Falschmeldungen über Königs Tod kursieren, liegt dieser gut umsorgt in einem jugoslawischen Spitalszimmer und blickt auf ein Portrait Titos an der Wand: „Während ich so tagelang das Bild von Tito anschaue“, erinnert sich König später in einem ORF-Interview, „kommt mir der Gedanke: der Erzbischof von Wien müsste sich auch um die Christen jenseits des Eisernen Vorhangs kümmern“.
Es folgen zahlreiche Reisen zu den verfolgten Kirchen in Osteuropa, insbesondere nach Polen und Ungarn. Mit geschicktem Vorgehen erhält König die nötigen Visa. Er trifft in den Ländern diskret die isolierten Kirchenoberhäupter, für die der Wiener Erzbischof der einzige Kontakt zum Vatikan ist. Umgekehrt sind Königs Berichte über den Zustand der Kirchen im Osten für die Päpste die einzige Informationsquelle darüber, wie es den Gläubigen hinter dem Eisernen Vorhang geht.
Kundschafter undercover: Wegbereiter für Ostpolitik
Offizieller Diplomat des Vatikans war König in all den Jahre nicht. „Er hat immer gesagt: ‚Ich bin ein Wegbereiter, ich kundschafte aus, ich komme aber nicht im offiziellen Auftrag. Ich komme privat, als Nachbar‘“, erklärt die Historikerin Annemarie Fenzl, die von 1985 bis zu dessen Tod Königs persönliche Assistentin war, im Interview mit noe.ORF.at. Den Gläubigen hinter dem Vorhang gaben Königs Besuche Hoffnung. Tausende pilgerten zu Messen an denen König im Ausland teilnahm. Königs Besuche versicherten ihnen, dass Rom die Kirchen im Osten nicht vergessen habe.
Die rege inoffizielle Kontaktpflege des Wiener Erzbischofs ermöglichte es dem Vatikan, seine Ostpolitik neu auszurichten. Die Kontakte Königs waren Vorboten für spätere offizielle diplomatische Kontakte des Vatikans zu den Staaten hinter dem Eisernen Vorhang. „Der Papst musste dann noch reagieren, aber das Feld war ein bisschen aufgegraben“, schildert Fenzl.
Königsmacher für Johannes Paul II.
„Ich glaube er konnte das, weil er ein Mann des Dialogs war, er konnte mit jedem reden“, sagt die Historikerin. Dieses Talent nutzte der Wiener Erzbischof auch beim Konklave 1978 geschickt. König brachte den damals noch relativ unbekannten Krakauer Weihbischof Karol Wojtyla, den er bereits auf seiner ersten Polenreise 1963 kennen gelernt hatte, als „Papabile“ ins Spiel.
„Er hat gewusst, dass der Kommunismus nur von innen heraus aufgebrochen werden kann, und so war es dann auch“, sagt Fenzl. Überraschend wählte das Konklave den Bischof aus dem kommunistischen Polen zum Papst. Bis heute wird Johannes Paul II. eine wesentliche symbolische Rolle beim Zusammenbruch des Kommunismus in seinem Heimatland zugeschrieben. Für die vatikanische Ostpolitik war die Wahl des polnischen Bischofs zum Papst die Krönung ihrer Bemühungen, Einfluss zu nehmen auf die Geschehnisse hinter dem Eisernen Vorhang.
20. Todestag von Kardinal König
Er war ein Brückenbauer, ein Mann des Dialogs: Kardinal Franz König. Heute vor 20 Jahren ist er im hohen Alter gestorben.
Enge Verbundenheit mit Pielachtal
Seinen beiden Heimatgemeinden Rabenstein und Kirchberg an der Pielach (beide Bezirk St. Pölten) blieb König, trotz seiner Aufgaben als gefragter Vermittler zwischen Rom und den Ländern Osteuropas, Zeit seines Lebens verbunden. „Er hat immer gesagt: ‚Von da bin ich ausgegangen in die Welt‘ – das war ihm natürlich mit der Zeit zu klein geworden – ‚hierher komme ich zurück‘“, erinnert sich Fenzl, und das obwohl die Kindheit in Rabenstein alles andere als glücklich verlief.
König wächst als Ältester von fünf Kindern auf einem Bauernhof auf. Unter dem strengen Regiment seines Stiefvaters, der für die intellektuellen Begabungen des Buben wenig übrig hat, leidet er sehr und flüchtet sich in die Welt der Bücher. Seine Lehrer aber entdecken sein Talent und schicken ihn erst aufs Stiftsgymnasium nach Melk und später zum Studium an die Päpstliche Universität Gregoriana in Rom.
Domorgel als Versteck vor sowjetischen Soldaten
Während des Nationalsozialismus arbeitet König als Domkurat in St. Pölten, wo er mit Jugendlichen über das Leben und die Religion diskutiert. Als religiöse Treffen verboten werden, verlegt König die Treffen zum Schutz vor der Hitler Jugend in den Dunkelsteiner Wald. Später, während des Einmarsches der Roten Armee versteckt König Frauen und Mädchen in den Katakomben des St. Pöltner Doms vor den Soldaten. Einige Mädchen sollen diese Tage unter Königs Anweisung im Orgelkasten der Domorgel unbeschadet überstanden haben, heißt es.
„Was mir immer aufgefallen ist: Er hatte keine Angst,“ sagt seine ehemalige Assistentin Annemarie Fenzl. Die Furchtlosigkeit sei ein Zeichen seines Gottvertrauens gewesen, meint Fenzl. In Rabenstein ließ die Historikerin vor zwei Jahren einen Gedenkraum neben der Kirchen einrichten. Dort können die Lebensstationen des Kardinals nachverfolgt werden.
Auch im Ortsbild von Rabenstein ist König 20 Jahre nach seinem Tod weithin sichtbar. Zahlreiche Plakate mit Königs Antlitz schmücken das Ortsbild. „Kardinal König ist da und vorhanden“, sagt Rabensteins Pfarrer, Altmann Wand. „Natürlich ist es 20 Jahre her, dass dieser große Österreicher verstorben ist, aber er ist nach wie vor präsent.“