Endoskopie, Darmspiegelung, Universitätsklinikum St. Pölten
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Gesundheit

Künstliche Intelligenz hilft bei Krebsvorsorge

In der Medizin kommt immer häufiger Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Im Universitätsklinikum St. Pölten hilft sie etwa bei Darmspiegelungen, bösartige Polypen zu identifizieren. Für die Erkennung von Melanomen, also Hautkrebs, gibt es auch Apps für Laien.

Ist ein Muttermal unauffällig oder möglicherweise bösartig? Der Facharzt oder die Fachärztin muss sich für diese Einschätzung nicht mehr allein auf seine oder ihre Erfahrung verlassen, sondern kann auch mit Unterstützung einer KI arbeiten. Diese analysiert eine Aufnahme des Muttermals und gibt eine Wahrscheinlichkeit an, mit der dieses ein Melanom sein könnte.

Ein Forschungsteam unter Leitung von Harald Kittler von der MedUni Wien hat die Effizienz solcher Systeme kürzlich untersucht: „Wir haben eine Ärzte-App getestet, das heißt, eine KI in der Hand von Ärztinnen, wenn sie Hautkrebs begutachten oder die Diagnose stellen sollen. Dabei hat sich gezeigt, dass man die KI in einem klinischen Setting durchaus einsetzen kann, weil sie die gleiche diagnostische Genauigkeit erreicht wie die Expertinnen und Experten.“

Risikoeinschätzung mit Empfehlung

Ähnliche Anwendungen gibt es auch für Laien. Mit einer – meist kostenpflichtigen – App können Hautveränderungen mit dem eigenen Smartphone „untersucht“ werden. „Die zugelassenen Apps sind meistens Medizinprodukte der Klasse eins“, erklärt Kittler, „das heißt, sie sind nichts anderes als Ratgeber. Das bedeutet, dass Sie keine Diagnose bekommen, sondern nur eine Empfehlung, ob etwas eine Hochrisiko-Läsion, ein verdächtiges Muttermal ist, und sie damit zum Hautarzt gehen sollten.“

Grundsätzlich funktionieren auch diese Apps gut, sagt Kittler – manchmal sind sie aber zu sensibel: „Jemand, der gesund ist und das ausprobiert, hat eher die Chance, dass etwas als verdächtig eingestuft wird, was sonst eigentlich keine Sorge bereitet hätte.“

App erkennt und analysiert Muttermale
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Die Apps analysieren Muttermale auf ihr Hautkrebs-Risiko

Gesellschaftlicher Nutzen „zweischneidiges Schwert“

Der gesellschaftliche Nutzen dieser Apps ist für Kittler deshalb noch nicht erwiesen. Zum einen würden falsch-positive Ergebnisse jenen Patientinnen und Patienten, „die es wirklich brauchen“, die Zeit in den Ordinationen „wegnehmen“, „wenn diese Apps im großen Stil eingesetzt werden“.

Zum anderen glaubt Kittler, dass die Programme von einer Personengruppe verwendet werden, die ohnehin gesundheitsbewusst ist. Jene, die eigentlich häufiger zu Vorsorgeuntersuchungen gehen sollten, würde man damit eher nicht erreichen. Kittler: „Also es ist ein zweischneidiges Schwert und vieles muss erst ausgetestet werden.“

Darmspiegelung: KI zeigt Polypen an

Bereits gut etabliert ist die KI hingegen in der Darmkrebsvorsorge. Seit mehr als zwei Jahren setzt man bei Darmspiegelungen im Universitätsklinikum St. Pölten auf technische Unterstützung. „Der Monitor gibt uns zusätzliche Informationen, ob Polypen vorhanden sind – in Form von einem kleinen grünen Kastl“, erklärt Andreas Maieron, Leiter der Inneren Medizin 2 im Universitätsklinikum St. Pölten, „und wenn Polypen vorhanden sind, dann gibt es auch eine Analyse dieser, um eine Vorhersagekraft über die Gut- oder Bösartigkeit dieses Polypen treffen zu können.“

Markierung durch KI bei Darmspiegelung
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Die KI erkennt in Echtzeit Darmpolypen – und ob diese gut- oder bösartig sind

Für Maieron kann die KI den Menschen zwar nicht ersetzen, ist aber wie ein zusätzliches Paar Augen: „Wir sagen beim Endoskopieren: ‚Vier Augen sind besser als zwei‘. Und jetzt würde ich sagen: ‚Sechs sind besser als vier‘.“

„Entdecken zehn Prozent mehr Polypen mit KI“

Dass die KI eine sinnvolle Unterstützung ist, zeigen auch einige Studien: „Wir können durchschnittlich um circa zehn Prozent mehr Polypen entdecken, wenn wir KI verwenden. Und das ist der Vorteil für die Patienten in der Vorsorge.“

In Zukunft könnte künstliche Intelligenz neben der Darm- auch bei der Magenspiegelung zum Einsatz kommen, heißt es in St. Pölten. Allerdings seien Veränderung in der Gastroskopie „diskreter“ und damit für die KI schwieriger zu erfassen. „Wir brauchen noch viel mehr an Bildmaterial, damit wir die Algorithmen entsprechend füttern können. Aber ja, das wird kommen, insbesondere in der Speiseröhre“, sagt Maieron. Bis dahin dürfte es aber noch etwa zwei Jahre dauern, schätzt der Experte.