Chronik

„Emil“ sagt Zweitautos den Kampf an

Wer am Land lebt, kennt das Dilemma: Ist die Öffi-Anbindung schlecht, benötigt meist jede erwachsene Person in einem Haushalt ein eigenes Auto. Abhilfe könnte ein E-Fahrtendienst schaffen, den es im Mostviertel bereits in 19 Gemeinden gibt.

Das weiße E-Auto mit der Aufschrift „Emil“ ist man in Euratsfeld (Bezirk Amstetten) mittlerweile gewöhnt. „Emil“ steht für „Elektromobilität im ländlichen Raum“. 2017 wurde der Fahrtendienst in der Gemeinde in der Nähe von Amstetten ins Leben gerufen. Mit ein Grund war damals die schlechte öffentliche Anbindung an die Bezirkshauptstadt. „Die Busverbindungen waren nicht optimal. Da haben wir uns gedacht, probieren wir es“, so Vizebürgermeister Johann Engelbrechtsmüller (ÖVP), er ist auch Obmann des Vereins Emil.

Sieben Jahre später wird der Fahrtendienst von der Bevölkerung intensiv genutzt. Wer mit „Emil“ fahren möchte, muss Mitglied im Verein sein und jährlich 25 Euro Mitgliedsbeitrag zahlen. 240 Mitglieder gibt es, 150 davon haben zumindest einmal im Vorjahr das Service in Anspruch genommen. Die Fahrten können telefonisch oder über eine Online-Plattform gebucht werden. Für jede einzelne Fahrt ist zusätzlich ein Betrag zu zahlen – gestaffelt nach Alter und ob es sich um eine Fahrt innerhalb des Gemeindegebiets oder darüber hinaus handelt.

E-Fahrtendienst Emil
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Euratsfeld hat mit dem ersten „Emil“ im Mostviertel Pionierarbeit geleistet

Die Preise werden mit 1. April angehoben. Erwachsene zahlen künftig 1,50 Euro für eine Fahrt innerhalb von Euratsfeld und 3,30 Euro außerhalb des Gemeindegebiets, für Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 15 Jahren sind es innerhalb des Gemeindegebiets 1,10 Euro, außerhalb 1,90 Euro, und Kinder bis sechs Jahre fahren in Begleitung eines Vereinsmitglieds gratis. Fahrten sind nur in einem Radius von 15 Kilometern rund um Euratsfeld möglich.

Fahrer sind meist Pensionisten

Der Fahrtendienst steht und fällt mit den ehrenamtlichen Fahrerinnen und Fahrern. Derzeit sind es in Euratsfeld 25 Personen, neue dazuzugewinnen ist durchaus eine Herausforderung. Sie sind von Montag bis Samstag zwischen 7.30 Uhr 19.30 Uhr unterwegs und teilen sich den Tag in vier Schichten zu je drei Stunden. Pro Schicht werden durchschnittlich drei bis vier Personen befördert.

„Ich bin in Pension, habe viel Zeit und kann sie sinnvoll nutzen. Außerdem hat mich das Projekt interessiert", erzählt Robert Zehetner. „Wir fahren hauptsächlich mit Kindern – in die Musikschule, zur Reitstunde oder zur Jugendfeuerwehr – oder eben mit Personen, die selbst nicht mobil sind, zum Einkaufen, zum Arzt oder zur Bank“, sagt Gertrude Katzengruber.

E-Fahrtendienst Emil in Euratsfeld
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Der öffentliche Verkehr ist in Euratsfeld nicht immer eine Option, der E-Fahrtendienst zumindest eine Alternative zum Zweitauto

Immer mehr Gemeinden ziehen nach

Euratsfeld hatte 2017 als erste Gemeinde im Mostviertel mit einem E-Fahrtendienst begonnen, mittlerweile gibt es viele Nachahmer. Auch in der fünf Kilometer entfernten Nachbargemeinde Ferschnitz (Bezirk Amstetten) fährt seit einem Jahr ein eigener „Emil“. „Wir wollten im Sinne von Nachhaltigkeit heraus etwas gründen, das der Gemeinde gut tut, einen sozialen Dienst, damit man in Ferschnitz einander hilft und dass einander geholfen wird. Wir haben gesagt, dieses Modell ist hervorragend und das können wir auch in Ferschnitz anwenden“, so Vereinsobmann Michael Schagerl. 40.000 Kilometer hat der Ferschnitzer „Emil“ bereits zurückgelegt.

Den E-Fahrtendienst gibt es mittlerweile in 19 Gemeinden im Mostviertel, die nächsten Projekte sind bereits in Planung. In den meisten Gemeinden heißt das Fahrzeug „Emil“, es gibt aber auch eine Ausnahme: In Scheibbs fährt man mit „Emilia“. Seit dem Start im Mai 2023 wurden in der Bezirkshauptstadt 2.700 Fahrten durchgeführt, täglich sind es somit im Schnitt 15 Fahrten. „Tragendes Element“ seien auch hier „die vielen guten ehrenamtlichen Fahrerinnen“, so der Scheibbser Vereinsobmann Walter Reiterlehner.